In Zeiten, in denen jedes Fleckchen Land auf der Höri in Gold aufgewogen werden kann, ist dieser Schritt besonders bemerkenswert. Waltraud Rasch, Regisseurin und Leiterin der Zeller Kultur in Radolfzell, hat ihren einstigen Familiensitz einer Stiftung übertragen. Der Unterbühlhof in Öhningen-Schienen ist ein idyllisch gelegener alter Bauernhof, der heute neben Landwirtschaft auch eine Kulturwerkstatt mit Reiterhof beheimatet. Nun ist der Unterbühlhof Teil des Stiftungsvermögens der Edith-Maryon-Stiftung in der Schweiz.

Rasch erklärt ihre Entscheidung: Zerstückelung oder Spekulation unerwünscht

Ziel war es, den Hof aus dem Privatbesitz zu nehmen und ihn mit Hilfe der Stiftung langfristig für den sozialen Zweck zu sichern. "Wir wollten nicht, dass der Hof durch Erbschaft vielleicht zerstückelt oder verkauft und so zum Spekulationsobjekt wird", sagt Rasch. Sie selbst kam 1992 wieder zurück auf den elterlichen Hof, den ihre Mutter jahrelang nach dem Tod des Vaters alleine bewirtschaftet hatte. Ein Jahr später übertrug ihre Mutter das Grundstück auf die Tochter. Mit dieser Veränderung der Besitzverhältnisse wollte Waltraud Raschs Mutter verhindern, dass der Hof nach ihrem Tod unter den Geschwistern aufgeteilt werden muss. Da sie nach der Übertragung noch mehr als zehn Jahre lebte, erlosch der Erbanspruch der Geschwister.

Und diese hatte vor, den sozialen Gedanken ihrer Mutter auf dem Unterbühlhof weiterleben zu lassen. "Bereits 2013 haben wir erste Gespräche mit der Stiftung geführt, da lebte meine Mutter noch. Sie konnte den Prozess eine Weile lang begleiten", berichtet sie. Bereits in den Sechziger Jahren hätten ihre Eltern auf dem Hof hoch auf dem Schiener Berg Straßenkinder aus Berlin bei sich aufgenommen und erzieherisch mit ihnen gearbeitet. Nun soll der Hof dauerhaft ein Rückzugsort für gestresste Seelen, eine Auffangstation für verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche und ein pädagogischer Reiterhof für Kinder der Region werden.

Möglich macht es die Stiftung Edith Maryon aus Basel. Die 1990 gegründete Stiftung hat sich darauf spezialisiert, Immobilien aufzunehmen und sie so als soziale Einrichtung zu erhalten. Rund 120 Projekte aus Deutschland und der Schweiz sind bereits Teil dieser Stiftung. Darunter sind beispielsweise auch Wohnhäuser, deren Besitzer nicht wollten, dass die Wohnungen nach ihrem Tod zu überzogenen Preisen von einer Immobilienfirma vermietet werden. Die Stiftung garantiert keine Spekulation und finanzielle Bereicherung durch die Objekte. "Wir bekommen Immobilien vererbt, geschenkt und ab und zu können wir auch einzelne Projekte kaufen", sagt Ulrich Kreise, der bei der Stiftung für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist.

Jugendfarm, stationäre Kinder- und Jugendhilfe und Landwirtschaft: Drei Projekte auf einem Hof

Der Unterbühlhof wird sich in seiner Organisation durch die neue rechtliche Form verändern. Aktuell wird auf dem Hof eine Jugendfarm mit dem Reitverein Löwenherz betrieben. All dies läuft unter dem Verein der Kulturwerkstatt, dem Sieglinde Müller, Waltraud Raschs Nichte, und Magdalena Jülg im Vorstand vorsitzen. Sie bieten neben einer offenen Kinder- und Jugendarbeit auch eine Kinderbetreuung an. Auch eine Ganztags-Betreuung während der Ferien ist auf dem Unterbühlhof möglich. Der Reitverein ist für alle offen. Laut Sieglinde Müller kommen Kinder von der Höri, Radolfzell oder Singen. Auch dabei kommt das pädagogische Arbeiten nicht zu kurz, wie Müller, selbst Erzieherin und Reitpädagogin, erläutert. "Durch das Medium Pferd können wir wichtige Inhalte vermitteln. Die Kinder müssen bei der Pflege und Versorgung der Tiere mithelfen, Reiten ist ein Teamsport", sagt sie. Finanziert wird der Verein allein aus Mitgliedbeiträgen oder Gebühren für die Reitstunden, sagt Müller.

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Ein davon getrennter Zweig ist die stationäre Kinder- und Jugendhilfe. Intensive sozialpädagogische Einzelfälle werden von den Behörden auf den Unterbühlhof geschickt. Laut Sieglinde Müller seien dies Kinder und Jugendliche, die aus allen anderen Maßnahmen des Jugendamtes herausgefallen wären. Als letzte Hoffnung kämen sie dann auf den Schiener Berg. "Wir erzielen hier große Erfolge in diesem Bereich", sagt Müller. Da auf dem Hof auch eine offene Kinder- und Jugendarbeit betrieben werde, sei es wichtig, dass die vom Jugendamt zugewiesenen Kinder und Jugendliche kein akutes Gewalt- oder Drogenproblem haben. Auf dem Unterbühlhof werde eher mit Jugendlichen mit Essstörungen oder Autismus gearbeitet.

Durch die neue Rechtsform des Hofes als Stiftungsgut müsste der Verein ebenfalls eine neue Rechtsform erhalten und bei der Stiftung als Pächter fungieren. Die Edith Maryon-Stiftung überlässt die Grundstücke nach Erbbaurecht den Betreibern. "Alles, was auf den Grundstücken gebaut wird, gehört den Pächtern, sie können es selbstständig verwalten", sagt Ulrich Kriese. Laut Erbbaurecht erhält die Kulturwerkstatt den Unterbühlhof für 99 Jahre.

Beim landwirtschaftlichen Betrieb wird es kompliziert

Zum Unterbühlhof gehört auch ein landwirtschaftlicher Betrieb, der von Hansjörg Fischer geleitet wird. Die Besitzverhältnisse werden hier komplizierter. Fischer hatte den Hof zur Pacht von Waltraud Rasch übernommen, der Pachtvertrag läuft noch acht Jahre. Die Kulturwerkstatt selbst ist Unterpächter von Fischer, der dem Verein die drei Wohnhäuser für ihre Jugendarbeit überlassen hat. Nun gehört das Grundstück der Stiftung. Der Verein wird vermutlich als gemeinnützige GmbH den kompletten Hof pachten und will langfristig auch die Landwirtschaft übernehmen. Das Verhältnis zu Hansjörg Fischer sei bestens, wie Rasch und Müller betonen. Er habe den Hof seit 1994 mit viel Energie geleitet. Nach einem Besitzerwechsel hätte Fischer zwar ein außerordentliches Kündigungsrecht, doch er wolle noch eine Weile bleiben und den Unterbühlhof in der Übergangszeit begleiten und unterstützen. "Darüber sind wir sehr froh", sagt Sieglinde Müller. Fischer selbst habe bereits einen anderen Hof in Öhningen erworben, auf den er dann nach der internen Übergabe wechseln wolle.