Eine lange Liste von Parteien, Vereinen und Organisationen hatte am dritten Adventssonntag unter dem Motto „Konstanz zeigt Gesicht! Kein Platz für Antisemitismus. Für ein friedliches und respektvolles Miteinander, gegen Antisemitismus, Judenhass, Rassismus und Fremdenhass“ eingeladen und der Münsterplatz war mit etwa 200 Menschen gut gefüllt.

Mehrfach wurde betont, dass der Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober zwar der Auslöser für Antisemitismus weltweit war und es auch in Konstanz antisemitische Vorfälle gab. Allerdings: Die Rednerinnen und Redner verzichteten auf Schuldzuweisungen, betonten eher Gemeinsamkeiten.

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Ob Juden oder Palästinenser: Wir wollen Frieden!

So unterstrich Gabriel Albilia, Vorsitzender der Konstanzer Synagogengemeinde: „Wir leiden genauso wie das palästinensische Volk! Wir wollen, genauso wie das palästinensische Volk, Frieden!“ Allerdings musste auch er einräumen, dass es für friedliche Lösungen in Nahost aktuell keine realistischen Szenarien gäbe. Etwas befremdend sei für ihn allerdings, dass es bisher – auch in Konstanz – nur Demonstrationen für die eine oder die andere Seite gegeben habe, aber noch keine gemeinsame Kundgebung, in der man Trennendes hätte überbrücken können.

Reichlich Applaus gab es, als Avraham Yitzchack Radbil, Rabbiner der jüdischen Gemeinde in Konstanz, erklärte: „Auf der Rabbinatschule war eine der wichtigsten Lehren, die mir der Rabbiner beigebracht hat: „Du darfst niemals gegen etwas sein, Du musst immer dafür sein.“

Rabbiner Avraham Yitzchack Radbil bekommt für seine Rede großen Applaus.
Rabbiner Avraham Yitzchack Radbil bekommt für seine Rede großen Applaus. | Bild: Jürgen Rössler

Er erläuterte, wie er das auffasse: „Wenn ich gegen Antisemitismus demonstriere, bin ich für eine friedliche Gesellschaft, in der sich jeder Mensch frei fühlen, leben und entfalten kann.“ Doch er mahnte auch: „Die Tatsache, dass diese Kundgebung zustande kommen musste, zeigt, dass wir als Gesellschaft zumindest nicht alles richtig gemacht haben und zum Teil versagt haben.“

Darum geht es wirklich

Radbil appellierte: „Ich bitte alle, nicht gegen Antisemitismus zu demonstrieren, nicht für Juden zu sein, weil Deutschland eine moralische Verpflichtung hat, auch nicht, weil Juden eine kleine Gruppe sind, die vom Auslöschen bedroht ist, das mag alles stimmen – der Grund sollte die Frage sein: In welcher Gesellschaft möchte ich, möchten meine Kinder und meine Enkelkinder leben. Möchte ich in einer Gesellschaft leben, wo man sich gegenseitig hilft. Und hier kann die Antwort nur Ja lauten.“

Nach einer musikalischen Einstimmung durch Bernd Konrad und Auszügen aus einem Essay der Jüdin Margot Spiegel, die Konstanz 1937 verlassen musste und nach Amerika immigrierte, zitierte Karin Becker, Intendantin des Stadttheaters, aus einer Ansprache des Hamburger Kultursenators Carsten Brosta: „Wir müssen derzeit erleben, dass politische Kräfte, die die kulturelle und religiöse Vielfalt unserer Gesellschaft für einen Fehler halten, in unserem Land wieder Zuspruch finden.“ Und sie betonte: „Antisemitismus und Menschenhass geschehen – auch heute, jeden Tag! Aus dem Bekenntnis „Nie wieder“ muss ganz praktische Solidarität werden. Nie wieder ist jetzt!“

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Ein Anschlag auf die offene Gesellschaft

Robert Ogman, Bildungsreferent und Mitglied der jüdischen Gemeinde, knüpfte daran an: „Nach dem Holocaust hat die Welt gesagt: Nie wieder!“ Doch „seit dem Anschlag vom 7. Oktober erleben wir, wie die Barbarei hier auf offener Straße, in sozialen Medien gefeiert wurde. Nicht nur in Berlin, sondern auch hier in Konstanz. Auch hier haben Menschen an die Tür der Synagoge gespuckt.“

Anselm Venedey, ehemaliger Stadtrat, zeigte sich besorgt ob des Rechtsrucks in der Gesellschaft. Er hob hervor, dass der Angriff, der zuerst Israel traf, auch die westliche Gesellschaft treffe, denn: „Er richtet sich gegen die Form des Zusammenlebens, die wir alle zu schätzen gelernt haben, er richtet sich auch gegen eine offene Gesellschaft, in der weder Religion, noch Herkunft, noch Geschlecht oder sexuelle Ausrichtung eine Rolle spielen sollte.“

Der ehemalige Konstanzer Stadtrat Anselm Venedey sprach im Namen des Konstanzer Gemeinderats.
Der ehemalige Konstanzer Stadtrat Anselm Venedey sprach im Namen des Konstanzer Gemeinderats. | Bild: Jürgen Rössler