Am 15. Februar 1835 hat im Wehratal eine neue Zeit begonnen. An jenem Tag wurde in Aarau in der Schweiz ein Schreiben verfasst, das aus einem einzigen Satz bestand. Es war an das Bezirksamt in Säckingen adressiert. Absender war die „Cattundruckerey Gebrüder Herose“. 35 Wörter genügten, das Amt davon in Kenntnis zu setzen, dass man Willens sei, „in dem Großherzoglichen Baden in der Grundherrschaft Wehr einige Grundstücke anzukaufen und daß die Erlaubnis dazu ertheilt werden moege“.
Der Zweck des Landkaufs wurde nicht genannt. Dieser verstand sich angesichts des Absenders indes von selbst. Die weit über Aarau hinaus bekannte Stoffdrucker-Dynastie plante in Wehr einen Fabrikbetrieb. Der Druck war groß. In der Schweiz hatte man die Verhandlungen um den Beitritt Badens zum Deutschen Zollverein registriert. Dieser stand kurz bevor und würde den Rhein zur Zollgrenze machen. Da lag es für Schweizer Textilbarone nahe, auf der badischen Seite zollfreie Stoffe für den lukrativen deutschen Markt zu produzieren.

Das Bezirksamt stand der „Errichtung von Fabrikgebäuden“ positiv gegenüber. Fabriken versprachen Arbeit, Wohlstand und Steuereinnahmen. Es schaltete sofort den Gemeinderat von Wehr sowie die „Hohe Kreisregierung“ ein. „An einer hohen Reputation“ der Antragsteller bestehe kein Zweifel, so ein Schreiben vom 12. März 1835 an den Wehrer Bürgermeister. Man „möge mit dem Erwerb der Grundstücke nun fortfahren“.

So kurz der Antrag vom 15. Februar 1835 war, so lang zog sich das Verfahren hin. Schon damals waren gewerbliche Bauanträge ein Spiel auf Zeit. Zudem wollte das Ministerium des Innern in Karlsruhe erst grünes Licht geben, wenn die Grundstücke benannt würden. Das geschah umgehend. Doch dann begann der erste Wehrataler Streit um die Wiesenwässerung im Kontext einer Fabrikgründung.
Standortsuche
Es ist nicht bekannt, wie die Herosés auf Wehr als Standort ihrer Fabrik gekommen waren. Ob sie vom weichen Wasser der Wehra gehört hatten? Es eignete sich vorzüglich für das Färben und Ausrüsten von Textilien für den Stoffdruck. Doch wo sollte die Fabrik entstehen? Der Eisenwerks-Kanal in Wehr war tabu. Oberhalb des „Hammers“ (später MBB) duldete die Hüttenverwaltung nur die Ölmühle/Hanfreibe des Cyprian Dempfle sowie eine Rasenbleiche (später Wehra AG), und unterhalb lag eine weitere Ölmühle (später Papierfabrik Lenz), ferner die herrschaftliche Getreidemühle und vielleicht auch eine Säge. Da war kein Platz mehr für eine neue Fabrik.
Die Lösung
Aber Friedrich Herosé, der spätere Chef der Stoffdruckerei, war findig. Im Gewann Kreuzmatt an der Öflinger Grenze nahe der Wehra fand er ein geeignetes Gelände. Dort wollte er die Fabrik bauen, brauchte aber auch einen Kanal zu deren Betrieb. Bereits 1835 hatte ein Teil der Wiesenbesitzer verkauft. Bargeld war rar und daher begehrt. Der andere Teil weigerte sich jedoch. Man hatte Angst, Herosé könne die Wiesenwässerung in der Kreuzmatt unterbinden.
Einsprüche
1836/37 war der junge Fabrikgründer mit den Einsprüchen beschäftigt. Er gab Garantien, dass er für „beschädigte Matten“ aufkommen würde. Der Säckinger Carl Leo, der unterhalb der geplanten Fabrik auf Öflinger Gemarkung eine Getreide- und Gipsmühle betrieb, zog seinen anfänglichen Einspruch zurück. Für ihn war der geplante Kanal sogar von Vorteil, weil er mehr Wasser in seinen eigenen Mühlenkanal führte. Die Wiesenbesitzer, die noch nicht verkauft hatten, lenkten schließlich ebenfalls ein. Herosé garantierte die Wässerung ihrer Wiesen, auch bei niedrigem Wasserstand. Und das Eisenwerk Wehr hatte gegen die Fabrik sowieso nichts einzuwenden, vorausgesetzt, dass deren Kanal das Wasser oberhalb des Kanaleinlaufs der kleinen Öflinger Eisenschmiede (Filiale des Eisenwerks, seit 1856 eine Weberei) in die Wehra leiten würde.
Die Eröffnung
Mehr als drei Jahre nach dem Schreiben vom 15. Februar 1835 erfolgte am 7. Juli 1838 die Offenlegung der Pläne. Die wenigen Einwände, die noch kamen, wurden von Friedrich Herosé ausgeräumt. Anfang August 1838 war dann der Baubeginn. Bereits ein Jahr später wurde das erste Stück Stoff bedruckt.
Lob
Bei seiner „Reise durch das badische Oberland“ lobte der Lörracher Pfarrer Johann Jakob Schneider 1841 das „schöne Fabrikgebäude“ der „Baumwollen-Druck und Färberei“. Im Universallexikon des Großherzogtums Baden von 1844 ist „eine Färberei und Druckerei für türkisch-rothe Baumwollenzeuge“ erwähnt, „welche über 100 Arbeiter beschäftigt und Eigentum von Herose und Hanhart ist“.
Nächste Episode
Während sich Hanharts Spuren verlieren, treten uns Friedrich Herosé und seine Belegschaft in den folgenden Jahren umso deutlicher entgegen. Von ihnen soll der nächsten Beitrag unserer Serie über die Kattundruckerei Herosé in Wehr handeln.