Das wird die wohl tierischste Wohngemeinschaft in ganz VS: Im historischen Zeughaus am Oberen Tor entsteht derzeit ein zentraler Innenstadt-Taubenschlag. 500 Tiere sollen hier noch in diesem Jahr einziehen und das Tauben-Problem in der Innenstadt deutlich entschärfen.
Es ist ein wenig so, wie man sich das Innere eines leeren Bienenstocks vielleicht vorstellt. Wer es die beiden letzten, knarzenden Holztreppen hinauf bis unter das Dach des Zeughauses direkt neben dem Oberen Tor geschafft hat, steht mittendrin im neuen Zuhause der Villinger Tauben.

Dunkel ist es hier, staubig, die Luft riecht nach frischem Baumaterial. Der helle Strahl der einzigen Baulampe zeigt auf eine Wand voll überdimensionaler Waben. Sie sind der ganze Stolz von Thorsten Kuchenbecker und seinen Mitstreitern von der Taubenhilfe VS. Irgendwann, in einigen Monaten, soll einmal der gesamte Dachboden so aussehen.
Noch müssen hunderte Nistplätze gebaut werden
Die XXL-Waben, die die ehrenamtlichen Taubenfreunde aus Pressspanplatten selbst gebaut haben, sind Nistzellen. An der Speicherwand ist nun Platz für 47 Taubenpärchen. Ein Anfang: Über 400 solcher Nistplätze müssen die Helferinnen und Helfer in den kommenden Monaten noch zusammenschrauben. Hunderte Sitzgelegenheiten müssen aufgehängt, Böden mit Teichfolie verkleidet werden und vieles, vieles mehr.

Im Herbst 2023 hatte der Gemeinderat beschlossen, in Villingen und Schwenningen je einen großen Taubenschlag einzurichten, 40.000 Euro stehen dafür insgesamt zur Verfügung sowie 9600 Euro pro Jahr für das Futter. Der Deal: Die Stadt stellt Material und Tier-Verpflegung, die Stadttaubenhilfe sorgt für den Ausbau und betreut die Anlagen später auch.
„Wir haben hier in Villingen begonnen, weil die Taubenproblematik in der verwinkelten Altstadt einfach größer ist als Schwenningen“, erklärt Dieter Kleinhans, Leiter des städtischen Hochbauamtes. Im zweiten Schritt sollen die Schwenninger Tiere in der Friedenschule ein Zuhause bekommen, so die momentanen Pläne.
Wenn im Zeughaus alles fertig ist, werden die Villinger Stadttauben umziehen. Unter anderem soll dann auch das Gebäude an der Färberstraße geräumt werden, in dem derzeit an die 400 Tiere leben. Doch wie funktioniert so ein Tauben-Umzug eigentlich?
Mit viel logistischem Aufwand, sagt Thorsten Kuchenbecker und lacht. Die Vögel werden eingefangen, eingeladen und in ihr neues Zuhause gebracht. Zwei bis sechs Monate werden sie es dann nicht mehr verlassen – so lange, bis die meisten der Tiere brüten. Dann erst dürfen die Tauben wieder hinaus und durch die Stadt fliegen.
Ohnehin, das Brüten. Echten Nachwuchs wird es im Villinger Taubenschlag kaum mehr geben. „Wir ersetzen 100 Prozent der Eier durch Attrappen“, erklärt Experte Kuchenbecker. Geburtenkontrolle sei ein wichtiger Aspekt des Projekts, so auch Dieter Kleinhans. „Langfristig wollen wir so die Population deutlich reduzieren“, sagt er. Echtes Elternglück dürfen die Villinger Stadttauben nur noch in Ausnahmefällen erleben. Dann nämlich, wenn die Helfer bei einer Nesträumung Küken vorfinden, die Adoptiveltern brauchen.

500 Tauben unterm Dach: Was wird dies für Nachbarn oder die Besucher der Gaststätte mit Außenbewirtschaftung beim Zeughaus ändern? Thorsten Kuchenbecker zumindest sieht hier kaum Konfliktpotenzial. „90 Prozent der Zeit sind die Tiere drin. Nur wenn wir putzen, wollen sie raus“, sagt er. Dies könne man jedoch steuern, beispielsweise indem man in der Zeit alle Luken verschließe. Wenn es dunkel wird und das Ruhebedürfnis groß, schlafen die Tiere ohnehin.
Auch Hochbauamts-Chef Kleinhans blickt nun positiv in die Tauben-Zukunft von VS. „Ich habe jetzt das Gefühl, dass es richtig gut gemacht wird“, sagt er.