Angesichts der städtischen Finanzkrise von 2004 haben der Gemeinderat von Villingen-Schwenningen und der damalige Oberbürgermeister Rupert Kubon die städtische Jugendmusikschule mit ihren vielen festangestellten Musiklehrern eingestampft und gemeinsam mit der Musikhochschule Trossingen das Projekt der Musikakademie Villingen-Schwenningen aus der Taufe gehoben.
Es ging darum, Geld einzusparen. Bis heute gilt diese Akademie, in der jährlich hunderte Kinder das Musizieren lernen, als Erfolgsmodell. Zu verdanken ist dies einerseits der kompetenten und engagierten Leitung durch Professoren der Musikhochschule Trossingen, zum Teil hervorragender Musiklehrer und zahlreichen Kooperationen der Akademie mit anderen Musik- und Kulturträgern in der Stadt und Region.
Außerdem war das Modell für die Stadt und die Eltern der Musikschüler kostengünstig. Denn die Akademie beschäftigt nur wenige Festangestellte und arbeitet mit vielen Lehrern, die auf Honorarbasis bezahlt werden.
Modell stößt an seine Grenzen
Allerdings stößt dieses Modell derzeit an seine Grenzen. In ihrem Jahresbericht vor den Stadträten des Verwaltungsausschusses nahm die Spitze der Musikakademie mit dem Trossinger Hochschulrektor Christian Fischer, dem Leiter der Musikakademie Gerhard Wolf und dessen Stellvertreterin Caroline Wintermantel kein Blatt vor den Mund.
Es droht Fachkräftemangel
„Wir haben ein gravierendes Problem am Horizont“, erklärte Christian Fischer, Rektor der Staatlichen Hochschule für Musik in Trossingen, der die Musikakademie operativ leitet. Das Problem heißt „Fachkräftemangel“, formulierte es Fischer.

Die Coronakrise habe vielen Honorarkräften unter den Musiklehrern gezeigt, wie schnell sie als Freiberufler in existenzielle Nöte geraten, wenn sie nicht mehr unterrichten können. Viele konnten zeitweise nicht mehr selbstständig ihren Lebensunterhalt bestreiten.
Musikpädagogen suchen Festeinstellungen
Die Folgen zeigen sich jetzt: Die Musiklehrer suchen sich eine Festeinstellung und haben gute Chancen im Schuldienst, berichtet Akademie-Leiter Gerhard Wolf. Mehrere gute Leute habe die Akademie bereits verloren.
Noch verfüge die Akademie über hervorragende Mitarbeiter, die mit Leidenschaft und Enthusiasmus ihrer Arbeit nachgehen und neue Formate weiterentwickelten, wie beispielsweise die immer beliebteren Kurgarten-Konzerte in Villingen. „Wir brauchen aber jetzt ein Konzept. Wir müssen den jungen Menschen eine Perspektive bieten“, forderte auch Gerhard Wolf.

Es fehlt an größeren Räumen
Ein weiteres Problem sprach Rektor Christian Fischer an. Die Musikakademie mit Hauptsitz in der Villinger Goethestraße benötige neue Räume. Vor allem für größere Musikklassen fehle es an geeigneten Übungsräumen, ein ernsthaftes Problem, das bei den Musiklehrern ebenfalls für viel Verdruss sorge.
Der Appell an die Politik, über eine Lösung der Raum- und Personalprobleme nachzudenken, verhallte nicht ungehört. Alle Fraktionen äußerten sich begeistert und überschlugen sich in Lobeshymnen über die qualitativ hochwertige Musikausbildung und die von der Akademie geleistete kulturellen Beiträge. „Sie machen eine immens gute Arbeit und sind ein Gewinn für unsere Stadt“, sagte beispielsweise Stadträtin Katharina Hirt.

Kritik am Rückzug des Landkreises
Doch jetzt geht es ans Eingemachte, ans Geld. Das ist umso bitterer, weil sich der Landkreis bis zum Jahresende aus der finanziellen Beteiligung an der Jugendmusikschule zurückziehen wird.
Dies wurde von Stadträtin Ulrike Heggen deutlich kritisiert. Auch der Landkreis, der stets die Notwendigkeit der Bildung hervorhebe, profitiere von der Musikausbildung der Akademie, monierte Heggen.
Fünf bis sieben feste Stellen
Hochschul-Rektor Fischer skizzierte den Stadträten, was finanziell auf die Stadt zukommen dürfte, wenn die Akademie den Stamm der guten Musikpädagogen halten will. „Wir brauchen mindestens fünf, sechs, sieben weitere feste Stellen.“
Oberbürgermeister Jürgen Roth nahm die Forderung nach einer baldigen Lösungssuche auf. Wenn der 2024 neu gewählte Gemeinderat die Arbeit aufnimmt, soll im Herbst nächsten Jahres eine Arbeitsgruppe gebildet werden, um die Musikakademie wieder zukunftsfest aufzustellen, so sein Versprechen.