Der Verein Pro Stolpersteine Villingen-Schwenningen setzt am kommenden Sonntag, 10. November, seine Mahnwachen in Villingen fort. Mit dieser Mahnwache wird Wolfgang Heitner das Schicksal von Ida Gutman in Erinnerung rufen. Ihr Schicksal ist unzertrennbar mit dem Schicksal der Familie Paul und Gretel Hirt verbunden. Ida Gutmann, geboren 1880, stammte aus einer jüdischen Familie aus Wiesloch. Ihr Vater Gerson Flegenheimer war Kaufmann, ihre Mutter Theresia stammte ebenfalls aus einer angesehenen Kaufmannsfamilie. Über ihre Kindheit ist nichts bekannt. In Wiesloch lernt sie den in Konstanz geborenen und evangelisch getauften Emil Gutmann kennen, Kaufmann von Beruf. Sie heiraten, zwei Kinder werden geboren: die Tochter Margarete (genannt Gretel) 1903 und der Sohn Rudolf, geboren 1905. Beide Kinder werden evangelisch getauft.
Nach dem Krieg, an dem Emil Gutmann als Offizier teilgenommen hat, zieht die Familie nach Villingen und mietet ab November 1919 eine Wohnung in der Waldstraße. Emil Gutmann gründet ein Verkaufsgeschäft für Transmissionsriemen, Treibriemen und Drahtgeflechte. Die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten und die gewaltsame Propagierung ihrer Rassenpolitik hatte zunächst die Ausgrenzung und Entrechtung der jüdischen Bevölkerung zum Ziel. Erstes sichtbares Zeichen war der am 1. April 1933 reichsweite Boykott jüdischer Kaufhäuser, Geschäfte und Rechtsanwaltpraxen. Im Oktober 1933 gibt Emil Gutmann sein Geschäft auf. Im August 1935 ruft die Ortsgruppe der Nationalsozialistischen Kriegsopferversorgung in Villingen dazu auf, „Einkäufe bei jüdischen Geschäften“ zu unterlassen. Auf dieser 22 Personen umfassenden Liste waren auch Rudolf Gutmann (Eigentümer einer Kohlenhandlung) und Paul Hirt (Kunstmaler und Ehemann von Gretel Gutmann) verzeichnet. Diese massive Drohung verschärfte die schon angespannte wirtschaftliche Situation der Familie.
Im April 1938 stirbt Idas Ehemann Emil. Einige Monate später nimmt Gretel Hirt ihre Mutter zu sich in ihr Haus in die Germanstraße im Kurgebiet. Am 10. Januar 1944 wird die 64-jährige Ida Gutmann von der Geheimen Staatspolizei verhaftet und ins Konzentrationslager Theresienstadt verschleppt. Ida Gutmann überlebt die 15-monatige Lagerhaft und kehrt im Juni 1945 nach Villingen zurück. In einer eidesstattlichen Erklärung zieht ihre Tochter Gretel im November 1946 Bilanz: 20 Personen der allernächsten Verwandtschaft sind in verschiedenen Lagern ermordet worden und sie wünsche sich die „Wiedergutmachung der Geschäftsschädigung meines Mannes Paul Hirt„. Eine solche erhält Gretel Hirt jedoch nicht.
Geprägt von seelischer Not
Umso mehr bemüht sie sich darum, dass wenigstens ihre Mutter eine Geschädigtenrente für die KZ-Haft bekommt. Ein Gutachten kommt jedoch zu dem Ergebnis, dass die verschiedenen körperlichen Leiden „Alters- und Abnutzungserscheinungen“ seien, „die durch die durchgemachte Konzentrationslager-Inhaftierung keine wesentliche Verschlechterung erfahren haben dürften“. Statt einer gesetzlichen Rente erhält Ida Gutmann zunächst eine monatliche Entschädigung über 85 Mark, die erst nach jahrelangen juristischen Auseinandersetzungen auf 250 Mark erhöht wird. Die Jahre bis zu ihrem Tod 1963 sind geprägt von materieller Not und vor allem der seelischen Belastung.
Mahnwachen
Der Verein Pro Stolpersteine erinnert regelmäßig mit Mahnwachen an die Opfer des nationalsozialistischen Regimes. Die Mahnwache am Sonntag, 10. November, beginnt um 19 Uhr auf dem Villinger Münsterplatz.