Die Pauluskirche in Schwenningen verwandelt sich bereits zum 22. Mal in eine Vesperkirche. Noch bis zum 9. Februar können dort Menschen gemeinsam essen und sich austauschen. So wird die Kirche zu einem Ort der Begegnung.

„Ich bin Pastor im Ruhestand und sozusagen die geistliche Leitung der Vesperkirche“, erzählt Pastor Hans-Ulrich Hofmann. Er sei seit Jahren Mitglied im Organisations-Team und dort auch nach seiner Pensionierung für die seelsorgerischen Belange zuständig.
Die Idee stammt ursprünglich aus Stuttgart
„Die Idee für die Vesperkirche schwappte vor 22 Jahren aus Stuttgart zu uns herüber“, erklärt Hofmann. Dort gebe es schon seit sehr langer Zeit eine Vesperkirche in der Leonhardskirche.
Damals sei ein Team aus der Schwenninger Gemeinde zu Besuch bei den Stuttgarter Kollegen gewesen und sei begeistert von der Aktion mit neuen Ideen in die Doppelstadt zurückgekehrt. 2003 habe dann erstmals eine Vesperkirche in der Pauluskirche Schwenningen stattgefunden. Mit durchschlagendem Erfolg bis heute erinnert sich Hofmann.
350 Helfer sind im Einsatz
„Wir haben etwa 40 Leute täglich, die bei uns mitarbeiten. In den drei Wochen sorgen diese insgesamt 350 ehrenamtlichen Mitarbeiter dafür, dass die täglich etwa 160 Besucher körperlich und seelisch gut betreut sind“, erklärt Pastor Hofmann.

Vor allem Senioren helfen mit
Die Stamm-Mitarbeiter seien meist Senioren, die unter der Woche Zeit hätten. Das mache die Vesperkirche überhaupt erst möglich. Oft helfen tageweise Auszubildende verschiedener Betriebe mit oder sogar komplette Belegschaften.
Den Hauptteil der Besucher bilden laut Hofmann ebenfalls überwiegend Rentner, die ein geringes Einkommen haben. Daneben seien es auch jüngere arbeitslose oder berufsunfähige Menschen, die auf ein entsprechendes Angebot angewiesen sind.
Natürlich kommen auch Berufstätige, die einfach ein schnelles, leckeres Mittagessen wollen und auch bewusst in der Vesperkirche essen gingen, um mit ihrem Beitrag bedürftige Menschen zu unterstützen und in Kontakt zu kommen.
Hier sitzen alle an einem Tisch
„Unser Motto lautet: Gemeinsam an einem Tisch. Das heißt, wir wollen hier auch einen Ort für die Begegnung verschiedener Gesellschaftsschichten schaffen“, erklärt Pastor Hofmann.
Jeder solle für einen Obolus seiner Wahl ein Essen genießen und dabei möglichst gute Gespräche führen können: „Ein Essen bei uns kostet regulär zehn Euro. Wer sich das nicht leisten kann, zahlt zwei Euro.“ Möglich sei dies, weil zahlreiche regionale Firmen und Privatleute die Vesperkirche unterstützen.

Der Mindestpreis für ein Essen hat sich verdoppelt
„Wir mussten in diesem Jahr den Preis leider verdoppeln: Von einem auf zwei Euro. Für viele unserer Gäste ist das schon ein Problem“, weiß Hofmann. Die stark gestiegenen Lebenshaltungskosten gerade im Lebensmittelbereich treffen auch Aktionen wie die Vesperkirche hart.
Uwe Schrawattke ist zusammen mit seiner Frau schon seit zehn Jahren Teil des Orga-Teams der Vesperkirche: „Meine Frau arbeitete damals bei Bofrost in Geisingen, die regelmäßig Essensspenden gemacht haben. Da ist dann die gesamte Belegschaft einmal die Woche zum Essen gekommen und hat Kontakte geknüpft“, erklärt Schrawattke.

Viele Lebensgeschichten machen traurig und betroffen
Als das Ehepaar dann in die Rente gegangen sei, habe man sich dazu entschlossen, bei der Vesperkirche aktiv zu werden: „Wir holen das gebrauchte Geschirr in die Küche, bringen wieder neues Geschirr mit und helfen halt, wo es nötig ist“, sagt Schrawattke.
Die Menschen seien unglaublich dankbar für die Arbeit. Mittlerweile kenne er schon sehr viele Gäste seit Jahren: „Es ist manchmal traurig, wenn man sich die Lebensgeschichten anhört. Die Leute sind aber alle so freundlich und auch das Team ist perfekt. Da gibt es kein böses Wort“, freut sich Uwe Schrawattke.
Die Teams haben auch Zeit zum Reden
Bettina Erdeljan, Karin Huber, Karin von der Bruck und Ileana Rupp sind für die Bedienung der Besucher zuständig: „Wir sind heute insgesamt sieben Damen, die alle schon seit vier bis fünf Jahren bei der Vesperkirche mithelfen“, erzählt Bettina Erdeljan.

Es gebe jeden Tag viel Trauriges, aber auch viel Interessantes und Amüsantes zu berichten: „Ja, man hat ein gutes Gefühl, wenn man nach Hause kommt und ist wieder bescheidener, weil man weiß, wie schlecht es manchen Menschen geht“, unterstreicht Karin Huber. „Es kommen ja ganz viele Leute gleich zur Mittagszeit, weil sie zu Hause kein warmes Essen haben und oftmals die Wohnung kalt ist“, erzählt Ileana Rupp.
Für viele Menschen seien es auch einfach die Gespräche und sozialen Kontakte, die Seelsorge, welche sie in der Vesperkirche erfahren: „Es ist einfach schön, den Kontakt zu den Menschen zu haben und das zu erleben, was andere Menschen bewegt“, berichtet Karin von der Bruck. Und man bekomme als Helfer auch viel zurück.
Sogar einen Stammtisch gibt es

„Mein Mann war im Krieg und hatte als Kriegsversehrter dann eine gute Rente. Deshalb geht es mir auch gut und ich kann etwas mehr für die Essenskasse beisteuern“, erzählt die 95-jährige Martha Theenwebel, die schon seit den Anfängen der Vesperkirche dabei ist. „Wir haben sogar einen Stammtisch“, freut sich Theenwebel.
Andreas Schalk lernt seine Ehefrau in der Vesperkirche kennen
Auch Andreas Schalk besucht seit zwölf Jahren die Vesperkirche und hat immer ein offenes Ohr für andere: „Ich habe früher mal hier um die Ecke gewohnt und bin irgendwann durch Bekannte zur Vesperkirche gekommen, da ging es mir finanziell nicht so gut und die Vesperkirche war ein wichtiger Teil meines Lebens“, erzählt Schalk.

Als er dann eine eigene Firma besessen habe, sei er eine Zeit lang sogar Sponsor der Aktion gewesen. Es sei ihm wichtig, dass die Balance zwischen Geben und Nehmen stimmt.
Auch seine Frau habe Schalk in der Vesperkirche kennengelernt: „Man sitzt hier zusammen, kommt ins Gespräch und lernt sich näher kennen“, erzählt Andreas Schalk. Schon mehrere Paare hätten sich in der Vesperkirche getroffen und den Bund fürs Leben geschlossen.