Am Dienstagnachmittag, gegen 16 Uhr, war da plötzlich, endlich das Meer: Marc Hensel ist in Savona angekommen. Nicht mit dem Auto, nicht mit dem Fahrrad, nicht mit dem Zug.
Der 37-Jährige ist zu Fuß über die Alpen in die 640 Kilometer entfernte Stadt gelaufen. 17 Tage hat er dafür gebraucht: So lange, wie sein Sohn Matteo leben durfte. Für das verstorbene Baby hat Marc Hensel diese Tour auf sich genommen.

Und nicht nur für Matteo: Mit der Wanderung hat der Villinger um Spenden für den Verein Sternenkinder VS geworben. Jenen Verein, der Marc und Claudia Hensel nach dem Tod ihres Sohnes auf vielfältige Weise unterstützt hat und immer noch unterstützt.
Am späten Dienstagnachmittag ist der Villinger mit sechs Begleiterinnen und Begleitern, die auf den letzten Etappen mit dabei waren, in Savona angekommen. „Das war für alle ein großartiges Gefühl“, sagt er am Mittwoch am Telefon.
Wie geht‘s ihm nach 640 Kilometern und durchschnittlich neun Stunden Wanderzeit pro Tag? „Eigentlich ganz gut“, sagt er. Ein Bein schmerze ein bisschen, doch der passionierte Jogger und Wanderer nimmt‘s gelassen.
Die üblichen Verschleißerscheinungen
„Sonst nur die üblichen Verschleißerscheinungen an den Füßen“, sagt er und lacht. Ein paar Blasen und kleinere Blessuren. Die zu Beginn der Tour neuen Wanderschuhe brauchen neue Sohlen, mehrere Paar Socken sind durch. Ansonsten habe die Ausrüstung bestens gehalten.
„Da steht man dann da oben und hat immer noch Kraft und man spürt: Das funktioniert. Das ist schon cool.“Marc Hensel, Langstreckenwanderer
640 Kilometer durch Deutschland, die Schweiz, über die Alpen bis an die ligurische Küste – ein enormer Kraftakt, und das in nur zweieinhalb Wochen. „Alles Revue passieren lassen konnte ich noch gar nicht“, sagt Marc Hensel.

Ein Highlight sei auf jeden Fall die Alpenüberquerung über das Gotthardmassiv gewesen. „Da steht man dann da oben und hat immer noch Kraft und man spürt: Das funktioniert. Das ist schon cool“, blickt der 37-Jährige zurück. Mit vielen Trainingseinheiten hatte er sich in den vergangenen Monaten vorbereitet.
Auch ansonsten hat alles funktioniert, was sich Claudia und Marc Hensel vorgenommen hatten: Die Langstreckenwanderung verlief genau im Zeitplan. Einzig die Strecken mussten teils spontan abgeändert werden. „Da waren dann schon mal Wanderwege von dornigen Himbeerhecken zugewuchert, so dass man partout nicht durchkam“, berichtet der Villinger.

Generell seien die offiziellen Wanderwege in Italien nicht so gut in Schuss, wie es in Deutschland oder der Schweiz der Fall sei. „In Italien fährt man eher Fahrrad oder Rennrad, Wandern scheint nicht so angesagt.“
Allein, aber nie einsam
Das habe man auch unterwegs gemerkt. „Ich war sehr viel allein unterwegs, bestimmt über zwei Drittel der Strecke“, sagt Marc Hensel. Einsam habe er sich zwar nie gefühlt. Aber an manchen Tagen habe er über viele Kilometer hinweg niemanden getroffen.
Umso größer der Zuspruch in den sozialen Netzwerken: Die Followerzahlen bei Instagram und Facebook gingen nach oben und parallel dazu die Rückmeldungen der Menschen, die sein Projekt verfolgten. „Unfassbar viele Glückwünsche und nette Nachrichten“ haben ihn in den vergangenen Tagen erreicht, freut sich Marc Hensel.
Auf der ersten Etappe in Richtung Schweizer Grenze – Start am Villinger Friedhof war am 8. Juli – war er noch von einigen begleitet worden; der Sternenkinder-Verein war zur Verabschiedung gekommen. Auch die Schwiegerfamilie, darunter seine Schwägerin, ihr Bruder und dessen Freundin, schlossen sich gegen Ende der Tour an und legten die letzten Etappen mit ihm gemeinsam zurück.
Claudia Hensel war währenddessen hinter den Kulissen mit dem reibungslosen Ablauf der Tour beschäftigt. Sie fuhr die Strecke mit dem Auto, suchte und buchte Hotelzimmer, besorgte Proviant und holte ihren Mann wenn nötig ab, wenn kein Hotelzimmer in der Nähe zu finden war. „Das war fast ein Fulltime-Job“, sagt Marc Hensel. „Viel Freizeit hatte sie nicht.“
Relaxen und am Pool entspannen
Nur eines hat nicht ganz so geklappt, wie er es sich vorgestellt hatte: Bei der Ankunft in die Wellen laufen, sich nach den Strapazen der vergangenen zweieinhalb Wochen im Mittelmeer erfrischen.
Als die Gruppe am Strand ankam, zog gerade ein Gewitter auf mit einem für das Mittelmeer rekordverdächtigen Wellengang von etwa zweieinhalb Metern Höhe.
Jetzt ist Urlaub angesagt
Jetzt ist erst einmal Entspannung angesagt: Die Familie hängt noch ein paar Urlaubstage in Ligurien dran. Pläne für die nächsten Tage? „Relaxen, am Pool entspannen, erstmal nichts tun.“