Hans Georg Brunner-Schwer betrieb einst ein Tonstudio in Villingen. Es sollte legendär werden. Ein unterhaltsamer Dokumentarfilm geht auf Zeitreise – auch zu jenen Jazzgrößen, die seinerzeit die Fans begeisterten.

Die Besessenheit für außergewöhnliche Klangerlebnisse wurde Hans Georg Brunner-Schwer in die Wiege gelegt. Sein Vater war ein hervorragender Violinist, seine Mutter Erbin des seinerzeit weltbekannten Unternehmens Saba, einer der führenden Hersteller und Entwickler für Unterhaltungselektronik in Deutschland. Der Film hatte im September 2023 Premiere im Rahmen des Festivals ‚Jazzin‘ the black forest‘ im Theater am Ring.

Seine große Leidenschaft war der Jazz

Dort war er, der gelernte Tonmeister, ab 1961 als technischer Geschäftsführer tätig. Diese Position und sein immenses technisches Know-how nutzte er, um seine große Leidenschaft auszuleben: die Jazz-Musik. Es gelang Brunner-Schwer, zunächst die Schwergewichte der deutschen Jazz-Szene wie Wolfgang Dauner oder Attila Zoller zu Tonaufnahmen nach Villingen einzuladen.

Besser als Stereo: Mit dem analogen Tonband von früher sind bis zu 24 Kanäle parallel möglich. Die Technik ist allerdings nicht ...
Besser als Stereo: Mit dem analogen Tonband von früher sind bis zu 24 Kanäle parallel möglich. Die Technik ist allerdings nicht einsatzbereit. Sie muss erst noch restauriert werden. | Bild: Block, Andreas

Nebenan kochte Marlies Brunner-Schwer Siedfleisch

Die Musiker waren begeistert, obwohl die ersten Sessions noch im Wohnzimmer der Familie aufgenommen wurden, während Brunner-Schwers Frau nebenan Siedfleisch mit Meerrettich-Sauce für alle kochte.

Als Brunner-Schwer ein eigenes Studio eingerichtet hatte, horchten auch internationale Musiker auf, und bald gaben sich Giganten wie Oscar Peterson, Duke Ellington und Friedrich Gulda im Schwarzwald die Klinke in die Hand, um dort Jazz-Platten aufzunehmen, die zu Klassikern des Genres wurden.

Gleich am Eingang hängt das MPS-Schild mit dem Logo einer Tanne.
Gleich am Eingang hängt das MPS-Schild mit dem Logo einer Tanne. | Bild: Hans-Juergen Goetz

Regisseur holt Zeitzeugen vor die Kamera

Das Label „MPS“ – „Musik Produktion Schwarzwald“, das bis 1983 etwa 500 Jazz-Alben herausbrachte -, steht auch bis heute für grandiosen Jazz und herausragende Klangqualität. Der Regisseur Sascha Schmidt hat für seinen Dokumentarfilm „MPS – Die Legende lebt“ zahlreiche Zeitzeugen vor die Kamera geholt. Musiker wie Monty Alexander, Charly Antolini oder Rolf und Joachim Kühn schwärmen von den perfekten Bedingungen, unter denen sie im MPS-Studio aufnehmen konnten.

Lisa Boulton (links) berichtet in dem Film über ihre Erfahrungen als Studiomitarbeiterin bei MPS.
Lisa Boulton (links) berichtet in dem Film über ihre Erfahrungen als Studiomitarbeiterin bei MPS. | Bild: Ina Klietz

Auch Brunner-Schwers letzte noch lebende Mitarbeiterin, Lisa Boulton, kommt zu Wort, und wenn Brunner-Schwers Sohn Andreas von prägenden Begegnungen mit den damaligen Top-Stars des Jazz berichtet, dann ist noch immer die Begeisterung spürbar, mit der unter hochprofessionellen Bedingungen und mit sehr viel Sachverstand Musikgeschichte geschrieben wurde.

Ein Mann mit Ausstrahlung und Musikbegeisterung

Im Mittelpunkt des Films steht Jazz-Fan Hans Georg Brunner-Schwer selbst, der 2004 mit 77 Jahren nach einem Autounfall starb. Über die gesamte Dauer des Films wird von ihm gesprochen, das Publikum erfährt dennoch leider nur wenig über seine Persönlichkeit. Er muss ein sehr herzlicher Mensch gewesen sein, der mit seiner Ausstrahlung und seiner Musikbegeisterung genauso viel Erfolg hatte wie mit seiner damals revolutionären Aufnahmetechnik – einer der wichtigsten Gründe dafür, warum MPS bis heute bekannt ist.

Wie wird ein Konzertflügel von innen aufgenommen

Über die technischen Hintergründe erfährt man ebenfalls nicht allzu viel. Das ist schade, denn auch technische Laien würden vielleicht gern erfahren, wie viel Aufwand damals getrieben werden musste, um einen Konzertflügel „von innen“ aufzunehmen, was eine der Spezialitäten des legendären Tonmeisters war. Die Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart stellt immer wieder der Villinger Musikjournalist Friedhelm Schulz her, ein früherer Freund Brunner-Schwers.

Wer kennt Jean-Luc Ponty und Charly Antolini?

Dabei wird musikhistorisch und musikalisch einiges vorausgesetzt: Wer Musiker wie Jean-Luc Ponty oder Charly Antolini nicht einzuordnen weiß, steht hier beinahe auf verlorenem Posten. Das ist bei Antolini besonders schade: Wenn man nicht weiß, dass dieser freundlich-verbindlich plaudernde Mann, der beinahe ehrfürchtig den Whisky-Konsum von Baden Powell bestaunt, jahrzehntelang als „Boxen-Killer“ in der Hifi-Szene berühmt und geradezu berüchtigt war, dann verpasst man einiges. Auffällig ist auch, dass in diesem Dokumentarfilm wenig Jazz zu hören ist.

Protagonisten erzählen von heißen Studiotagen

Das ist allerdings Absicht, denn es soll vor allem davon erzählt werden, wie diese Musik in Perfektion aufgenommen wurde – und natürlich von den Menschen vor und hinter den Mikrofonen. Tatsächlich gelingt es dem Film immerhin, über die Freude, mit der die Protagonisten von den damaligen heißen Studiotagen und -nächten erzählen, ein wenig von der einmaligen Atmosphäre einzufangen, die beim „Jazzin‘ in the Black Forest“ geherrscht haben muss. Damals, im Schwarzwald. Bei MPS in Villingen. (kna)