Die Besucher der Vernissage bestätigten, was die Redner zuvor gesagt hatten: Die Ausstellung „Marc Chagall – Poesie und Farbe“ ist etwas Besonderes. Die beiden Stockwerke des Stadtmuseums im Alten Forstamt waren nach dem offiziellen Teil im Bürgerhaus voll. Viele nutzten direkt den neuen, kostenlosen Audioguide, der eine Stunde lang durch die Schau mit rund 100 Werken führt. Die Mitarbeiterinnen am Eingang gaben am Vernissage-Abend rund 160 Museums-Eintrittskarten aus.

Auch die Reihen in der Adler Post waren zuvor fast alle voll. Bürgermeister Rainer Stolz erinnerte daran, dass diese Ausstellung nur durch die Dauerleihgabe der Familie Wagner möglich sei. Er dankte auch ausdrücklich dem Team um Museumsleiter Johannes Waldschütz: „So eine Ausstellung ist eine unglaubliche Aufgabe und Herausforderung.“ Er fügte an die Besucher gerichtet hinzu: „Ich bin sicher, Sie werden begeistert sein. Gehen Sie mit, fühlen Sie mit, erleben Sie mit.“
Roland Doschka, Professor und Chagall-Experte, hielt einen Vortrag über das Leben und Werk von Marc Chagall. Wenn man große Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts aufliste, komme man nicht drum herum, Marc Chagall zu nennen, sagte er. Doschka beschrieb die Inspirationen des Künstlers und wie dieser Fantastisches mit dem Realen verbunden hat. Die Werke zeigen die großen Stationen des Lebens: Geburt, Liebe, Tod. „Chagall führte die Lithografie zu noch nie gekannten Höhen“, so der Professor. Er ging auf das große Farbspektrum ein, das Chagall verwendete. „Chagalls Radierungen und Lithografien gehören zu den großartigsten künstlerischen Leistungen des 20. Jahrhunderts.“

Doschka schilderte wie Chagall nach einer Griechenland-Reise am Zyklus „Daphnis und Chloe“ arbeitete und wie die Anzahl der Farben in den Bildern von Versuch und Versuch stieg. Er erzählte auch von einer persönlichen Begegnung mit dem Künstler. Im Zusammenhang mit der Geburt und dem Tod von Chagall beschrieb Doschka Parallelen zwischen Chagall und Pablo Picasso.
Museumsleiter Johannes Waldschütz fasste in einer Präsentation die Entstehung der Ausstellung zusammen. Neben „Daphnis und Chloe“ gibt es eine Vielzahl weitere Chagall-Werke von einem Sammler aus dem Rheinland zu sehen. Diese Ausstellung sei die bisher größte, die es bisher in Stockach gab. Der Zyklus „Daphnis und Chloe“ mit 42 Blättern, den der verstorbene Ehrenbürger Heinrich Wagner über zwei Jahrzehnte gesammelt hatte, sei nicht nur das Herzstück der Wagner-Sammlung, sondern auch das Herzstück der Ausstellung. Es gebe in der Schau auch eine Kinderstrecke mit Fühlmemory und anderen Dingen, die Museumsmitarbeiterin Sybille Trefflich konzipiert habe. „Ich glaube, nach dieser Ausstellung sagen zu können, dass Chagall auch in Stockach zuhause ist“, so Waldschütz am Ende. Pianistin Antonia Miller sorgte zwischen den Reden und Präsentationen für die musikalische Untermalung.

Es sei ganz toll, dass so eine Ausstellung in Stockach zu sehen sei und ein tolles Engagement der Stadt, sagte Angélique Tracik, Vernissage-Besucherin und Leiterin des Radolfzeller Kulturamts. Der pensionierte Kunstlehrer Felix Schmitt lobte die Ausstellung als beste, die er je im Alten Forstamt gesehen habe. Ihm gefällt, wie alles ergänzt worden sei. Historiker und Künstler Thomas Warndorf sagte, er hätte sich eine solche Ausstellung vor zehn Jahren nicht in Stockach vorstellen können, weil es eine Metropolen-Ausstellung sei. „Jetzt zeigt sich, dass wir das können.“ Waldschütz mache eine unglaublich gute Arbeit, lobte er.

Ingrid Hensler, die in den 1980er-Jahren bei Roland Doschka studiert hat, zeigte sich ebenfalls begeistert. Die Ausstellung sei großartig und die Kinderstrecke sei toll: „Stockach hat großes Glück mit Heinrich Wagner gehabt.“ Margit Wagner, die Witwe von Heinrich Wagner, besuchte die Vernissage mit zwei ihrer Kinder. „Die Ausstellung gefällt mir sehr gut. Mein Mann hätte viel Freude gehabt“, sagte sie.
Nicht nur die Ausstellung, sondern auch der Katalog, der dazu erschienen ist, hat ganz neue Dimensionen: Größeres Format, mehr Seiten und Hardcover. Er wurde in Werk Zwei in Konstanz, der SÜDKURIER-Druckerei, gedruckt. „Wir arbeiten immer mit Werk Zwei zusammen. Die machen das toll“, sagt Johannes Waldschütz.
Viele Veranstaltungen
In Kooperation mit der VHS gibt es während der Chagall-Ausstellung, die bis zum 29. September läuft, ein umfangreiches Begleitprogramm. Neben regelmäßigen Führungen durch die Schau findet am 17. Juni zum Beispiel ein Vortrag mit dem Titel „Marc Chagall – Der Malerpoet mit den Engelsflügeln“ statt und am 7. Juli läuft im Bürgerhaus Daphnis und Chloe im Film. (löf)