Diese Chagall-Ausstellung ist in Deutschland einzigartig. Darin sind sich Bürgermeister Rainer Stolz, Museumsleiter Johannes Waldschütz und Kulturamtsleiter Stefan Keil einig. „Wir sind eines der wenigen Museen in Deutschland, das das Gesamtwerk ‚Daphnis und Chloe‘ in seinem Besitz hat und ausstellen kann“, sagte Stolz beim Pressegespräch. Keil ergänzte: „Es ist das Größte und Bedeutendste, was wir bisher in Stockach gezeigt haben.“ Es gebe schon viele Nachfragen, wann es losgehe. Waldschütz hob außerdem hervor: „Chagall-Grafiken werden sonst so in dieser Fülle nicht gezeigt.“ Es werden fast 100 Werke zu sehen sein.
Alle sind stolz und freuen sich, dass es bald losgeht. Denn die Besucher können nicht nur eine besondere Schau sehen, sondern auch eine, wie es sie in Stockach noch nie gab. Das Stadtmuseum hat neue, erweiterte Öffnungszeiten und bietet erstmals einen Audioguide an. Die Besucher können diesen als App auf das Smartphone laden oder die Geräte kostenlos ausleihen und mit Kopfhörern durch die Schau im Alten Forstamt wandern. Dies solle einen Mehrwert bieten und den Besuchern die Bilder sowie Hintergründe erklären. Die Ausstellung mit Audioguide sei ein großer Schritt für das kulturelle Angebot der Stadt, so Stolz. Die Schau zeige mehr als nur Bilder, sondern biete auch Einblicke in Chagalls Maltechnik, erklärte Waldschütz.
Die Reihe „Daphnis und Chloe“ sei 250 Mal gedruckt worden, erklärte Johannes Waldschütz: „Aber kaum jemand hat den vollständigen Zyklus.“ Der inzwischen verstorbene Stockacher Ehrenbürger Heinrich Wagner, der seine Kunstsammlung der Stadt als Dauerleihgabe überlassen hat, habe diesen über Jahrzehnte hinweg gesammelt. „Er wollte den ganzen Zyklus haben“, so Waldschütz. Das Museum habe seine Unterlagen und könne nachvollziehen, wie er nach den einzelnen Drucken gesucht und sie erworben habe. Die Ausstellung solle diese Leidenschaft würdigen. Rund 50 Chagall-Bilder von einem Sammler aus dem Rheinland ergänzen die 42 Drucke von „Daphnis und Chloe“.
Waldschütz wird kurz vor der Ausstellung selbst nach Bonn fahren und die Leihgaben abholen. Darunter seien Werke, die erst kurz von Chagalls Tod entstanden seien und zum Beispiel aus Illustrationen von Tierfabeln oder drei Lithografien aus dem Zyklus „Arabische Nächte“. Zu Chagalls Werken fasst Waldschütz zusammen, dass diese alle sehr leuchtende Farben hätten und viele Kreuzigungsszenen zeigten, obwohl der Künstler Jude war.
Chagall zeige aber auch oft Liebespaare und ihm sei die Verbindung zwischen Kunst und Literatur wichtig gewesen. Er habe zum Beispiel auch eigene Gedichte bebildert, so Waldschütz. Der Zyklus „Daphnis und Chloe“ zeige eine antike Liebesgeschichte (Roman von 200 vor Christus) von zwei ausgesetzten Kindern, die von Hirten aufgezogen werden, sich verlieben und viele Abenteuer bestehen müssen, ehe sie ihre leiblichen Eltern finden und heiraten können.
Die erste Ausstellung aus der Wagner-Sammlung zog im Jahr 2017 rund 4500 Besucher an. Stefan Keil hofft, dass die neue Ausstellung dies toppen wird. Dieses Mal werde es von Juli bis September an zwei Wochentagen Führungen geben. Denn bei der ersten Ausstellung hätten die Termine nicht ausgereicht. Hinzu komme ein breites Rahmenprogramm mit Vorträgen und Kursen sowie zum ersten Mal seit langem wieder eine Teilnahme an der Hegau-Museumsnacht. „Ich freue mich besonders auf den kulinarischen Abend im Adler in Wahlwies„, sagte Keil beim Pressetermin.
Für den Umbau auf Chagall ist die Dauerausstellung im unteren der beiden Museums-Dachgeschosse bereits geschlossen. Die fast 100 Chagall-Werke werden ab Juni auf beiden Stockwerken zu sehen sein – bei der Ausstellung 2017 war es auch so. Das Museum bekommt zusätzliche Stellwände und neue Lampen sowie viele Sitzgelegenheiten für die Besucher.
In Kooperation mit den Stadtwerken werde das Parken im Parkhaus für einen Euro unabhängig von der Dauer eines Ausstellungsbesuchs möglich sein, so Keil. Und wer mit dem Zug kommt, könne auf Fußspuren wandeln, die vom Bahnhof zum Alten Forstamt führen werden.
Die Ausstellung, die Wagner-Sammlung und der Künstler
- Schau und Vernissage: Die Ausstellung „Poesie und Farbe“ mit Werken von Marc Chagall läuft vom 1. Juni bis 29. September im Stadtmuseum im Kulturzentrum Altes Forstamt in Stockach. Die Ausstellung zeigt den 42 Drucke umfassenden Zyklus „Daphnis und Chloe“ aus der Kunstsammlung des verstorbenen Ehrenbürgers Heinrich Wagner und wird durch mehr als 50 Leihgaben von einem Sammler aus dem Rheinland ergänzt. Die Schau beginnt mit einer Vernissage am Freitag, 31. Mai, 19 Uhr im Bürgerhaus Adler Post. Chagall-Experte Roland Doschka, Kurator von Kunstausstellung in Balingen und dem Stadtmuseum Lindau, spricht bei der Vernissage. „Wir freuen uns, dass wir ihn gewinnen konnten“, sagt Bürgermeister Rainer Stolz.
- Zeiten und Eintritt: Das Stadtmuseum hat von Dienstag bis Samstag zwischen 9 und 13 Uhr sowie 14 und 18 Uhr geöffnet. Sonntags ist die Chagall-Ausstellung von 14 bis 18 Uhr offen. Erwachsene zahlen sechs Euro, der ermäßigte Preis beträgt vier Euro. Kinder und Jugendliche bis einschließlich 14 Jahren haben freien Eintritt.
- Führungen und Rahmenprogramm: Es gibt Sonderführungen an den Donnerstagen 6., 13., 27., 29. und 30. Juni sowie von Juli bis September jeden Dienstag und Donnerstag um 18 Uhr. Der reguläre Preis pro Teilnehmer beträgt acht Euro. Es gibt noch weitere Veranstaltungen, wie zum Beispiel einen Vortrag über Chagall oder einen Kinderkunstkurs. Montags sind Führungen für Schulen. Für Stockacher Schüler übernehme die Bürgerstiftung die Kosten, um den Kindern die Kunst nahezubringen, so Kulturamtsleiter Stefan Keil. Es gibt einen 144 Seiten umfassenden Ausstellungskatalog mit 70 Werken aus der Ausstellung.
- Wagner-Sammlung: Heinrich Wagner, der im Januar im Alter von 87 Jahren verstorben ist, hat der Stadt seine Kunstsammlung im Jahr 2016 als Dauerleihgabe überlassen. Die Sammlung umfasst 328 Werke von 70 verschiedenen Künstlern. Marc Chagall spielt eine große Rolle darin. Wagner hat über mehrere Jahrzehnte den Zyklus „Daphnis und Chloe“ gesammelt. Der Zyklus ist das Herzstück der neuen Ausstellung im Stadtmuseum. Es handelt sich um die zweite Ausstellung mit Werken aus der Wagner-Sammlung.
- Marc Chagall: Der Künstler lebte von 1887 bis 1985. Er wurde in Weißrussland geboren und lebte später in seiner Wahlheimat Frankreich, wo er berühmt wurde. Er entdeckte die Farblithografie für sich und gilt mit seinen farbenfrohen Werken als einer der beliebtesten Künstler der Moderne. Er setzte in seinen Werken häufig literarische Texte um, so zum Beispiel „Daphnis und Chloe“, eine antike Liebesgeschichte. Dieser Zyklus mit 42 Bildern wurde im Jahr 1961 gedruckt. (löf)