Wer hilft dem Nachbarn, wenn er sich mit dem Wocheneinkauf oder Haushalt schwer tut? Die Nachbarschaftshilfe Singen füllt seit einigen Jahren eine gesellschaftliche Lücke und sorgt dafür, dass Menschen mit ihren Anliegen nicht alleine gelassen werden – und so vielleicht im Alter länger zuhause wohnen können. Zwei Einsatzleiterinnen koordinieren die Arbeit mit den ehrenamtlich tätigen Helferinnen und Helfern. Wie es läuft und warum noch mehr Helfer gesucht werden, erläuterte Brigitte Stadler-Schmid, Einsatzleiterin für den Bereich Singen-Süd und die südlichen Stadtteile Bohlingen und Überlingen am Ried. Zur Informationsveranstaltung im Siedlerheim waren acht Frauen und zwei Männer gekommen.
Idee wurde vor über vier Jahren geboren
„Wir helfen gern im Rahmen unserer Möglichkeiten und diesen Rahmen stecken die Helfer selbst“, begann Brigitte Stadler-Schmid ihren kurzen Vortrag über die Arbeit der Nachbarschaftshilfe, die im Süden über den Bürgerverein Überlingen am Ried läuft. Der Verein wird 2024 fünf Jahre alt und startete mit der Nachbarschaftshilfe Anfang 2020. Das Pendant im Singener Norden und den vier nördlichen Stadtteilen wurde über den Bürgerverein „Hausen für Hausen“ bereits Anfang 2019 auf den Weg gebracht.
Die beiden Einsatzleiterinnen Brigitte Stadler-Schmid sowie Claudia Ehret arbeiten dabei eng mit dem Seniorenbüro der Stadt Singen zusammen. „Wir bekommen fast täglich Anrufe, wo wir dann auf die Nachbarschaftshilfe verweisen“, sagte Andrea Ferdinand vom Seniorenbüro.

Die ehrenamtliche Arbeit der Helfer umfasst zum Beispiel Unterstützung beim Einkaufen, die Begleitung zu Behörden oder zum Arzt oder auch kleine handwerkliche und hauswirtschaftliche Tätigkeiten. Manche der Klienten wünschen sich aber auch nur, gemeinsame Zeit mit dem Helfer beim Spielen oder Spaziergang zu verbringen. Denn viele Menschen, auch Jüngere, leiden unter Einsamkeit, suchen einfach mal jemanden zum Reden oder für Unternehmungen.
„Wichtig ist auf jeden Fall, dass die Chemie zwischen Helfer und Klient stimmt“, so Stadler-Schmid. In ihrem Einsatzgebiet kann sie derzeit auf 28 Helferinnen und Helfer bauen. Die älteste Helferin sei 82 und betreue zwei Klienten, während die jüngste Helferin 25 Jahre alt ist.
Wie oft kommt ein Helfer zum Einsatz?
Die Häufigkeit der Besuche bei Klienten liegt im Ermessen des Helfers und wird ganz individuell abgesprochen. Vom einmaligen Besuch über sporadische oder zeitliche begrenzte Betreuung, zum Beispiel nach einer Operation, ist alles möglich. Neue Helfer unterschreiben zunächst eine Art Vertrag und führen ein Erstgespräch mit der Einsatzleiterin. Hilfe benötigen im Übrigen nicht nur alte Menschen, es sind auch Familien mit Kindern dabei, so Stadler-Schmid.
Die Helfer unterliegen in ihrer Arbeit der Schweigepflicht. Fällt ihnen jedoch etwas auf, was problematisch sein könnte, wie eine sehr vermüllte Wohnung, ist ein Gespräch mit der Einsatzleiterin möglich, um gegebenenfalls reagieren zu können.
Für ihre ehrenamtliche Arbeit bekommen die Helfer eine Aufwandsentschädigung von 12 Euro die Stunde plus eine Fahrtkostenpauschale von 35 Cent pro gefahrenem Kilometer. Dies wird auf Stundenzetteln notiert und über die sogenannte Übungsleiterpauschale abgerechnet. „Pro Jahr können die Helfer, die im Einsatz haftpflicht- und unfallversichert sind, bis zu 3000 Euro steuerfrei hinzuverdienen“, erklärte Brigitte Stadler-Schmid. Für Klienten koste das Angebot ab 2024 15 Euro die Stunde.
Was viele nicht wissen: Menschen mit einem Pflegegrad können diese Kosten über den so genannten Entlastungsbetrag von bis zu 125 Euro im Monat von der Krankenkasse erstatten lassen, wenn der pflegende Angehörige entlastet werden soll und ein Nachbarschaftshelfer stundenweise mithilft.
Konzept überzeugt auch neue Ehrenamtliche
Überzeugt vom Konzept haben sich einige der zehn Interessierten gleich bei der Nachbarschaftshilfe Süd registrieren lassen. So wie Saskia Angeneter, die erst seit rund einem Monat in Singen wohnt. „Ich habe davon in der Zeitung gelesen und dachte gleich, das ist was für mich“, sagt die 41-jährige Frau, die sich eine solche ehrenamtliche Tätigkeit neben ihrem Beruf gut vorstellen kann.
Wegen des gestiegenen Aufwands erhalten die Nachbarschaftshilfen seit 2023 deutlich höhere Zuschüsse von der Stadt. So bekommt die Nachbarschaftshilfe Nord 10.000 Euro und die Nachbarschaftshilfe Süd erhält 7500 Euro im Jahr. Im Norden waren 2022 rund 40 Helferinnen und Helfer im Einsatz, wie im Jahresbericht des Seniorenbüros zu lesen ist. Im Einzugsgebiet Nord wurde 2022 insgesamt 127 Personen betreut, davon 60 aus Singen-Nord. In Singen-Süd wurden gut 40 Menschen betreut, davon der größte Teil aus der Südstadt.