Herbert Buchholz hat die Zahlen in eine schöne Grafik gepackt. Fahrdienste, haushaltsnahe Hilfen und dann noch eine Gesamtsumme. Seit 2019 sind die Säulen auf dem Papier massiv gewachsen. Doch was da in exakten Balken lila, grün und blau erscheint, sind bergeweise Arbeitsstunden. Ehrenamtlich geleistet im Dienste in der Nachbarschaftshilfe. Mittlerweile sind es so viele Einsätze, dass man einen eigenen Verein braucht.

Das sieht auch der Vorsitzende des Sozialkreises Peter Löchle so. Er erinnert sich: „Die Nachbarschaftshilfe ist mal mit einem Startkapital von 10.000 Euro als Unterabteilung des Sozialkreises gestartet. Doch mit der Aufgabenfülle passt sie nicht mehr unter das Dach.“

2017 wurde die Nachbarschaftshilfe in Gottmadingen initiiert. Man orientierte sich an anderen funktionierenden sozialen Netzwerken im Hegau. So war die Nachbarschaftshilfe in Aach eines der Vorbilder. Doch während sich der Sozialkreis hauptsächlich um Einzelfallhilfen für Menschen kümmert, die sonst durch jedes Hilfe-Raster fallen, geht es bei der Nachbarschaftshilfe um regelmäßigere Einsätze.

40 Helfer sind ehrenamtlich aktiv

„Wir leisten für unsere rund 60 Kunden etwa 200 Einsätze im Monat“, erklärt Herbert Buchholz. „Und es werden immer mehr.“ Mit „wir“ meint er die circa 40 ehrenamtlichen Helfer, die sich für die verschiedensten Aufgaben zur Verfügung stellen. Das können Fahrdienste für Arzt- oder Apothekenbesuche sein, Einkäufe, Hilfe beim Putzen oder kleinere Gartenarbeiten. Es können aber auch einfach nur Besuche sein, zum Beispiel bei einer pflegebedürftigen Person, um eine Familie oder den Ehepartner für ein paar Stunden zu entlasten.

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Bei Herbert Buchholz kommt sehr viel Organisatorisches dazu. Aber auch er übernimmt Fahrdienste. Am Freitagvormittag ist auch das Büro in der Gottmadinger Bahnhofstraße für Ratsuchende geöffnet. Diese Stunden werden auf Mini-Job-Basis betrieben.

Anerkennung als gemeinnütziger Verein

Mittlerweile ist die Nachbarschaftshilfe auch im Landratsamt als gemeinnütziger Verein anerkannt. Seither könne man auch Rechnungen bei den Pflegekassen einreichen, zum Beispiel für die Fahrdienste. Das alles ist zu viel für den Sozialkreis mit insgesamt 18 Untergruppen. Vor allem wenn es um die Haftungsfrage geht oder um Zuschüsse. „Wenn wir jedes Mal Sondersitzungen mit allen Einrichtungen einberufen müssten, um eine Hilfe zu genehmigen, ist unser Apparat viel zu träge“, erklärt Peter Löchle. Oft geht es aber um schnelle Hilfen. „Die Nachbarschaftshilfe kann mit fünf Vorstandsmitgliedern viel schneller agieren, als wenn wir die Vertreter aller 18 Mitglieder des Sozialkreises zusammenrufen müssen.“

Keine Konkurrenz zu bestehenden Einrichtungen

Weder die Nachbarschaftshilfe noch der Sozialkreis verstehen sich als Konkurrenz zu bestehenden Einrichtungen oder Betrieben. Nachbarschaftshilfe und Sozialkreis sind sich auch weiter verbunden. Der Sozialkreis hat mittlerweile rund 250 Mitglieder und finanziert sich hauptsächlich über Spenden und einen Gemeindezuschuss in Höhe von 1500 Euro. Die ehrenamtlichen Helfer erhalten eine Aufwandsentschädigung von 10 Euro pro Stunde. Über den Verein sind sie pauschal bei der Berufsgenossenschaft versichert. Und auch die Fahrten der Helfer im Auftrag der Nachbarschaftshilfe mit dem eigenen Auto sind über eine vereinseigene Dienstreise-Haftpflichtversicherung abgesichert.

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Auch in Gottmadingen ist der demographische Wandel bereits spürbar. 2019 ist die Nachbarschaftshilfe mit 1103 Helfer-Stunden ausgekommen. 2022 waren es schon 3507 Stunden. Und 2023 waren die Helfer zur Jahreshälfte schon 1856 Stunden aktiv. „Wir brauchen dringend weitere ehrenamtliche Helfer“, sagt Peter Löchle. Allerdings hat er auch einen Wandel in der Bevölkerung beobachtet. Es engagierten sich weniger Leute in den Vereinen, weil sie sich nicht binden wollten. Andererseits würden sich ältere Menschen – häufig aus Scham – noch zu selten von dem Angebot der Nachbarschaftshilfe Gebrauch machen.