Langsam, ganz langsam haben es die Gelegenheitspendler aus dem Hegau bemerkt: Für die Fahrt von Thayngen nach Schaffhausen gilt seit Jahresbeginn eine Vignettenpflicht. Weil die Grenze für weite Teile der Bevölkerung diesseits und jenseits der deutsch-schweizerischen Grenze wegen der Corona-Pandemie Monate gesperrt war, ist diese Änderung bisher kaum aufgefallen.

Noch bis zum Jahreswechsel war das sechs Kilometer lange Straßenstück bis Herblingen von der Maut befreit. Weil aber aus der Kantonsstraße eine eidgenössische Nationalstraße wurde, wird nun auch eine entsprechende Abgabe fällig. Das stört vor allem die Bewohner der Grenzgemeinde Thayngen, die von Woche zu Woche mehr Fahrzeuge durch ihre Wohngebiete fahren sehen.

Zum Einkaufen in die Schweiz

Es stört aber auch einige Bürger im Hegau, die sich den gutnachbarschaftlichen Austausch nicht vermiesen lassen wollen. Denn es gibt sie durchaus, die Menschen, die regelmäßig aus Gottmadingen oder Engen zum Einkaufen auf den Herblinger Markt fahren.

Da ist zum Beispiel Jobst Knoblauch aus Engen. Für ihn ist es – seit die Autobahn A81 direkt bis Bietingen führt – eine liebgewonnene Abwechslung, immer wieder mal den Herblinger Markt, das Schaffhauser Hallenbad KSS in der Breite oder den Rheinfall zu besuchen. Dass er für seine kurzen Ausflüge nun eine Vignette benötigt, ärgert den ehemaligen Lehrer.

Jobst Knoblauch aus Engen fährt gerne nach Schaffhausen und an den Rheinfall und ärgert sich über die neue Vignettenpflicht ab Thayngen.
Jobst Knoblauch aus Engen fährt gerne nach Schaffhausen und an den Rheinfall und ärgert sich über die neue Vignettenpflicht ab Thayngen. | Bild: Gudrun Trautmann

Der Hinweis am Grenzübergang Thayngen, dass Autofahrer erst ab Herblingen eine Vignette benötigten, sei abmontiert. Auf Nachfrage bei einem Polizeibeamten habe der 78-Jährige die Antwort bekommen, dass die Anfang des Jahres angekündigte Vignettenpflicht jetzt umgesetzt worden sei. „Autofahrer aus dem Hegau müssen nun, um nach Schaffhausen zu gelangen, einen Umweg auf schmalen Sträßchen fahren, weil sich für viele der Kauf einer Vignette nicht lohnt“, erklärt er.

Vor allem Tagestouristen

Den Effekt bekommen die Bürger von Thayngen jetzt schon zu spüren. Gemeindepräsident Philippe Brühlmann beobachtet immer mehr Autofahrer in den Thaynger Wohngebieten, die über Schlatt am Randen oder Ebringen nach Deutschland zum Einkaufen fahren oder umgekehrt aus den deutschen Grenzdörfern in die Schweizer Nachbarschaft zum Arbeiten kommen.

„Der Schleichverkehr hat exorbitant zugenommen“, sagt Brühlmann. In Herblingen gebe es viele Arbeitsplätze. „Auch an den Wochenenden haben wir eine starke Zunahme an Fahrzeugen bemerkt.“ Das seien vor allem Tagestouristen.

Philippe Brühlmann: „Der Schleichverkehr hat exorbitant zugenommen.“
Philippe Brühlmann: „Der Schleichverkehr hat exorbitant zugenommen.“ | Bild: privat

Der Gemeindepräsident fand Gehör beim Ständerat Thomas Minder, der nun eine Anfrage ans Parlament gerichtet hat. Sein Sekretär Claudio Kuster bestätigt den Vorstoß. „Wir sehen, dass der Ausweichverkehr in Thayngen zugenommen hat“, sagt er. „Deshalb haben wir im Bundesrat nach einer generellen Ausnahme angefragt.“

Dabei wurde auch angemerkt, dass es Individualtouristen nicht zuzumuten sei, für den kurzen Grenzübertritt eine Autobahnvignette zu kaufen. Tagestouristen aus dem Hegau würden also vermehrt über die kleinen Straßen nach Schaffhausen oder zum Rheinfall fahren. Mitte August erwartet Thomas Minder eine Antwort aus Bern.

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Die Strecke Thayngen-Schaffhausen ist aber nicht die einzige, die eine Umwandlung zur Nationalstraße erfahren hat. In der gesamten Schweiz sind zum Jahresbeginn 18 Teilstücke mautpflichtig geworden. Darunter auch Abschnitte im Grenzraum bei Basel und Bellinzona.

Danner und Häusler sollen helfen

Der Engener Jobst Knoblauch hat sich sowohl an den Konstanzer Landrat Zeno Danner, als auch an den Singener Oberbürgermeister Bernd Häusler gewandt. Er erhofft sich politischen Nachdruck bei den Schweizer Behörden und würde die Vignettenpflicht am liebsten bis Schaffhausen Nord aussetzen.

Auch Peter Waldschütz aus Gottmadingen echauffiert sich über die neue Maut ab Thayngen. Ihm geht es vor allem darum, dass Reisende aus dem Hegau zum Flughafen Zürich fahren können, ohne eine Vignette kaufen zu müssen. Er fragt sich: „Wie kann der Bundesrat eine Verbindung kappen, die seit Jahren Bestand hat?“

Claudio Kuster ist Realist genug, um zu vermuten, dass diese Diskussion in Corona-Zeiten nicht die erste Priorität im Bundesrat haben könnte. Für den Hegau-Touristiker Jörg Unger aus Singen hat sie das auch so nicht: „Wer vom Hegau als Tagestourist nach Schaffhausen oder zum Rheinfall fahren möchte, der kann auch gemütlich über Land fahren.“ Für den Tourismus sei die Vignette kein Problem.