Wie Gottmadingens Feuerwehrkommandant Stefan Kienzler ist es heute vielen Pendlern ergangen. Er hat am Sonntag die Nachrichtenlage besonders aufmerksam verfolgt, nachdem Meldungen kursierten, Deutschland wolle die Grenzen dicht machen. „Ich beobachte das Ganze genau“, sagt der Grenzgänger. Kienzler arbeitet in einem Schweizer Betrieb und ist darauf angewiesen, quasi täglich in die Schweiz ein- und dann auch wieder auszureisen. Groß ist die Sorge bei vielen, ihren Arbeitsplatz aufgrund der Entwicklungen rund um die Eindämmung der Infektionen mit dem Coronavirus plötzlich nicht mehr erreichen zu können. „Aber Pendler sollen ja von der Regelung ausgenommen sein“, hofft er auf vernünftige Entscheidungen.
Die Unsicherheit in der Grenzregion ist groß. „Am Grenzübergang Gottmadingen-Bietingen werden die Wartezeiten wohl weiter ansteigen“, schätzt er. Zumal die Zollverwaltung angekündigt hat, den Grenzübergang nach Ramsen komplett zu schließen. „Das Zollamt Rielasingen ist bis auf Weiteres wegen eines Verdachtsfalls geschlossen. Abfertigungen im gewerblichen Warenverkehr und im privaten Reiseverkehr können über das Zollamt Bietingen vorgenommen werden“, erklärt Mark Eferl vom Singener Hauptzollamt. Weitergehende Einschränkungen im Warenverkehr soll es aber nicht geben. „Es läuft erstmal ganz normal weiter“, so Eferl auf Nachfrage des SÜDKURIER, zumal das Robert-Koch-Institut das Risiko als minimal einschätze. Eine Infektion mit Corona-Viren über Oberflächen, die nicht zur direkten Umgebung eines symptomatischen Patienten gehören wie importierte Waren, Postsendungen oder Gepäck sei eher unwahrscheinlich, heißt es in einer Mitteilung des Instituts. Für die angekündigten Grenzkontrollen im Personenverkehr sei die Bundespolizei zuständig.

Auch Büsingens Bürgermeister Markus Möll ist völlig überrascht: „Nach der Ankündigung der Bundesregierung zu Grenzschliessungen werde ich am Montag viel Gesprächsbedarf haben“, kündigt der Rathauschef der kleinen deutschen Exklavengemeinde inmitten des schweizerischen Kantons Schaffhausen an. Als Pendler gehe er aber davon aus, dass er von seinem Heimatort Gailingen bis nach Büsingen ins Rathaus komme. „Die Region hermetisch abzuriegeln, halte ich für schwierig“, so Möll. Dennoch rechnet auch er mit intensiveren Kontrollen in der nächsten Zeit. Dass die Maßnahmen nötig seien, steht für ihn außer Frage: „Wir müssen die aktuelle Lage in den Griff bekommen und die Bevölkerung bestmöglich schützen.“

Grenzgänger in die Schweiz erhalten eine Ausnahme, wie die parlamentarische Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter am Abend in einer Pressemitteilung ankündigt. Insbesondere Personal, das in kritischen Infrastrukturen, als Pflegekräfte oder als medizinisches Personal in der Schweiz arbeite, dürfe weiterhin die Grenze passieren, um zu ihrem Arbeitsplatz kommen.

Auch Pendler dürften den Plänen zufolge weiterhin die Grenzen passieren. Jedoch würden künftig – wie Eferl mitteilt – im Bezirk des Hauptzollamts Singen zwischen Konstanz bis nach Bad Säckingen keine Ausfuhrscheine mehr abgestempelt. Dies dürfte den Einkaufstourismus für Kunden aus der Schweiz weniger attraktiv machen. Die Bild-Zeitung hatte spekuliert, dass die Grenzschließung nicht nur zur Eindämmung des Coronavirus geplant sei, sondern auch um Hamsterkäufe von Ausländern zu unterbinden. Dies habe im grenznahen Raum bereits zu Versorgungsproblemen geführt.