Herr Kramer, für denjenigen, die den Verein nicht kennen: Was macht der Hegau-Geschichtsverein?

Unser Verein beschäftigt sich mit der Geschichte, Naturgeschichte und Kulturlandschaft des Hegau. Dazu bieten wir Veranstaltungen unterschiedlicher Art wie ein- oder mehrtägige Exkursionen, Führungen und Vorträge an. Außerdem findet man mit unseren Publikationen eine Menge Fachliteratur.

Der Verein schaut auf eine lange Geschichte zurück ...

Ja, er wurde im Jahr 1955 auf Anregung des Singener Oberbürgermeisters Theopont Diez und des Stadtarchivars Herbert Berner gegründet und sieht sich als Tochter eines der ältesten, nämlich des im Jahre 1805 in Donaueschingen gegründeten Baar-Geschichtsvereins. Was die Mitgliederzahlen angeht, hat der Hegauer Verein seine Mutter schnell überholt. Seit Jahrzehnten haben wir um die 1000 Mitglieder – manchmal mehr, manchmal weniger. Damit sind wir einer der größten Vereine in Baden-Württemberg.

Was bei uns etwas ganz Besonderes ist: Wir haben einen Stamm von etwa 40 Mitgliedern in der Schweiz. Das kommt daher, weil der östliche Teil des Kantons Schaffhausen noch zum Hegau gehört – Schaffhausen ist eine Hegau-Stadt. Wir sind somit wahrscheinlich einer der wenigen deutschen Vereine, die ein legales Schweizer Bankkonto führen.

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Ihr Verein hat eine ganze Reihe von Publikationen herausgebracht.

In der Reihe „Hegau-Bibliothek“ sind mittlerweile über 190 Publikationen aufgeführt. Aktuell arbeitet Anne Overlack an einem Buch über Nelly Dix, die Tochter von Otto Dix, das in die Reihe aufgenommen wird. In den acht Bänden der Reihe „Kunstschätze“ stellen wir die kunsthistorischen Schätze des Hegau vor. Und wir bringen unser Hegau-Jahrbuch heraus. Das 320 Seiten starke Buch beleuchtet die Geschichte des Hegau von der Landschaftsgeschichte, der Archäologie bis zur Zeitgeschichte und ist im Buchhandel zum Preis von 27,80 Euro erhältlich. Unsere Mitglieder erhalten es jedes Jahr kostenlos per Post. Wenn man bedenkt, dass unser Jahresbeitrag nur 25 Euro beträgt, gibt es wohl kaum eine bessere Geldanlage. (lacht)

Vor allem Ihre Veranstaltungen sind sehr beliebt. Diese durften in der Corona-Zeit nicht stattfinden. Wie hat sich Ihr Verein durch die Pandemie verändert?

In den 20 Jahren meiner Tätigkeit haben wir versucht, das Angebot an Veranstaltungen auszuweiten. Dass es dann tatsächlich etwa 50 bis 60 pro Jahr waren, also fast wöchentlich eine, war im Verein teils umstritten. Doch damit ist es uns gelungen, den Verein nach außen hin attraktiver zu präsentieren und auf uns aufmerksam zu machen. Durch Corona ging zwar zunächst die Mitgliedszahl etwas zurück, jedoch hat sich ein weiteres Spektrum ergeben. Wir sind online aufgetreten und konnten Mitglieder in weiter entfernten Orten gewinnen, teils bis Norddeutschland. Und unsere Mitglieder können auch während des Urlaubs in Thailand oder sonst wo an einem Vortrag teilnehmen.

Wie schwierig ist es, junge Menschen als Mitglieder zu gewinnen?

Das ist in der Tat sehr schwierig. Während meine Frau und ich in ungefähr 30 verschiedenen Vereinen Mitglied sind, habe ich das Gefühl, dass junge Menschen generell zurückhaltender sind, was das Vereinsleben und damit regelmäßige Termine und Verpflichtungen angeht. Auch wenn man bei uns Mitglied werden kann, ohne irgendwelche Ämter zu übernehmen, findet man bei uns in der Regel die Generation 50 plus.

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Was sind Gründe, Ihrem Verein beizutreten?

Die Geschichte des regionalen Umfelds spricht in der Regel Zugezogene an, die an ihrer neuen Heimat interessiert sind. Außerdem trifft man sich bei uns mit Gleichgesinnten und profitiert von den Veranstaltungen und vom Wissen unserer Fachleute. Für einige ist auch unser Jahrbuch ein Anreiz, Mitglied zu werden. Als Schriftleiter des Jahrbuchs war ich immer überrascht, wie intensiv es gelesen wird.

Seit dem Jahr 2003 waren Sie Vorsitzender des Vereins. Was bleibt Ihnen besonders in Erinnerung?

Ach, das sind viele Sachen, etwa eine Schifffahrt von Konstanz nach Stein am Rhein, auf der wir mit Vorträgen die Flucht von Papst Johannes XXIII. vom Konstanzer Konzil veranschaulichen wollten. Oder unsere Weinproben in der Herrentorkel in Steißlingen, bei der das Zusammenspiel von Vortrag und Weinverkostung zu einer Herausforderung wurde.

Wenn Ihr Verein so viele Mitglieder hat, dann kann er doch sicherlich auch kommunalpolitisch einiges bewirken, oder?

Wir werden angesprochen, wenn es um den Erhalt von Gebäuden geht und zuvor sämtliche Möglichkeiten ausgeschöpft wurden. Und uns ist bisher einiges gelungen, was auf anderen Ebenen nicht möglich war. Wir halten uns dabei an die Vorgaben unseres Gründers Herbert Berner und versuchen all das zu verhindern, was ein zu großer Eingriff in das Landschaftsbild wäre.

Zum Beispiel?

Der Bau der drei Windkraftanlagen in der Tengener Flur Brand zwischen dem Neuhewen und dem Hewen, inmitten unserer einzigartigen und deshalb schützenswerten Hegauer Vulkankegel-Landschaft. Hier wäre eine Verschiebung von nur wenigen Kilometern nach Westen viel weniger störend.

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Sie scheinen nach wie vor für den Verein zu brennen. Warum haben Sie nun Ihr Amt aufgegeben?

Erstens bin ich jetzt über 70 Jahre alt, und zweitens habe ich mit Friedemann Scheck einen tollen Nachfolger gefunden. Der Verein befindet sich im Umbruch, es gibt die neuen Medien, Online-Posts und eine neue, sehr komfortable Art, in digitalisierten Zeitungen zu recherchieren. Ich denke, es ist Zeit für die nächste Generation.

Was wünschen Sie sich für den Verein?

Ich würde mir wünschen, dass es uns gelingt, die nächste Generation für die Geschichte des Hegaus zu interessieren. Der Verein ist „alt“ geworden, und es wäre schön, wenn wir auch jüngere Mitglieder unter 50 für unseren Verein gewinnen könnten.