Der Hospizverein Radolfzell-Höri-Stockach und Umgebung kann kurz vor seinem 30-jährigen Bestehen im nächsten Jahr gestärkt in die Zukunft blicken. Diesen Sommer haben elf Frauen ihre Vorbereitung als ehrenamtliche Hospizbegleiterinnen beendet. Damit verfügt der Verein nun über ein Team von 35 Ehrenamtlichen, die Schwerstkranken und Sterbenden in ihrer letzten Lebensphase zur Seite stehen, aber auch für die Angehörigen und Trauernde da sind. Sie kommen nach Hause, ins Pflegeheim oder ins Krankenhaus. Die Begleitung wird von vielen Menschen in Anspruch genommen und geschätzt, berichtet die Vorsitzende Annemarie Welte. Es gibt aber auch Menschen, die gar nicht wissen, dass diese Dienste, die durch Gespräche, Nähe und Zeit viel leisten, Betroffenen kostenfrei und ohne jegliche Verpflichtung zur Verfügung stehen.

Um die Bedeutung des Hospizvereins im Sozialgefüge der Stadt aufzuzeigen, holt Annemarie Welte etwas weiter aus: Der Grundgedanke der Hospizbewegung war, die Bedürfnisse von Schwerstkranken und Sterbenden nicht nur in medizinisch-pflegerischer Hinsicht, sondern in allen Dimensionen wahrzunehmen. Es gehe darum, die Erkrankten wie auch die ihnen Nahestehenden in der schwierigen Endphase des Lebens nicht alleine zu lassen. Da sind die Nöte des Abschiednehmens, da mag es Ängste oder nicht aufgearbeitete, belastende Lebenssituationen der Sterbenden geben, aber auch oftmals überforderte Angehörige.

„Unsere ehrenamtlichen Hospizbegleiterinnen und -begleiter hören zu, was auch immer die Erkrankten und ihre Angehörigen bewegt und sind als Gesprächspartner für sie da“, erklärt Welte. Diese ehrenamtliche Begleitung sei ein zentraler Baustein in der Arbeit des Vereins. „Gerade Ehrenamtlichen kommt als ‚Mitmenschen‘ eine besondere Bedeutung zu, denn sie stehen stellvertretend für eine sorgende Gesellschaft und sind Garanten für Humanität“, betont sie. „Dass wir bis zum Schluss da sind, so individuell und würdevoll wie möglich auf die Bedürfnisse und Wünsche der Sterbenden eingehen, ihnen zu einem Abschied in Frieden verhelfen – das ist unser Beitrag zum humanen Sterben!“, macht Welte deutlich.

Neue Mitarbeiter wurden auf die Aufgaben vorbereitet

Gerade für die individuelle Begleitung ist das breite Team der ehrenamtlichen Begleiter im Alter von 35 bis 70 Jahren mit seiner Vielzahl an Persönlichkeiten, die unterschiedliche Potenziale und Begabungen mitbringen, ein großer Schatz. Wünscht ein Kranker oder eine Familie die Unterstützung des Hospizvereins, dann findet zunächst ein Gespräch mit einer der beiden Koordinatorinnen statt. Andrea Jesulke und Martina Roos überlegen dann anhand der Biographien, wer zu diesem Patienten und dessen Familie passen könnte.

„Dass sich auf den kleinen Aufruf im SÜDKURIER für den letzten Vorbereitungskurs 16 Interessierte gemeldet haben, von denen wir elf Teilnehmerinnen gewinnen konnten, sich über sechs Monate hinweg mit den Themen Sterben und Tod auseinanderzusetzen, um diesen fordernden Dienst übernehmen zu können, ist unglaublich“, so Andrea Jesulke.

„Wir sprechen bewusst von Vorbereitung, nicht von Ausbildung. Den Umgang mit Sterben, Tod und Trauer kann man nicht erlernen wie ein Handwerk“, erklärt sie. So lag der Schwerpunkt der drei Vorbereitungs-Wochenenden und 13 Schulungsabenden darauf, sich mit den eigenen Erfahrungen im Hinblick auf Sterben, Tod und Trauer auseinanderzusetzen und die damit verbundenen Vorstellungen, Gefühle und Ängste zu reflektieren. „Wir achten sehr darauf, dass die eigenen Erfahrungen gut aufgearbeitet werden, denn nur eine gesunde Seele kann helfen“, so Welte. Die Ehrenamtlichen würden zudem mit monatlichen Supervisionen begleitet.

Oft brauchen auch die Angehörigen Zuwendung, ein offenes Ohr oder ein bisschen Zeit, um neue Kraft zu schöpfen. „Das ist mehr geworden!“, so der zweite Vorsitzende Michael Zeiser. Viele Familien wohnen nicht mehr zusammen oder die Kinder sind weit verstreut. Manche stemmten die Pflege allein. Einen Schwerstkranken zu Hause zu pflegen, erfordere in vielen Fällen eine Betreuung rund um die Uhr. Hospizbegleiter übernehmen zwar keine pflegenden Tätigkeiten, aber sie können Zeit mit dem Kranken verbringen, unterstreicht Zeiser. Währenddessen könne der Betreuende etwas für sich tun, zum Beispiel einen Spaziergang machen oder zum Friseur gehen. Häufig gebe es aber auch ungeklärte, belastende Situationen zwischen pflegenden Angehörigen und Kranken, wo Unterstützung durch die Begleiter helfen kann.

Fachleute für alle Bereiche

Aufgabe des Vorstandes ist es, gute Rahmenbedingungen für die hospizliche Arbeit zu schaffen. „Die ganz unterschiedlichen Profile und Berufe der bisherigen und der neuen Vorstandsmitglieder sind hier ein großes Potenzial. Wir haben für alle Bereiche Fachleute“, hebt Annemarie Welte hervor. Im Juni wurde die Diplomtheologin und Klinikseelsorgerin zur Nachfolgerin der bisherigen Vorsitzenden Christine Rammensee gewählt, die aus gesundheitlichen Gründen ausschied. Für den nach der Schließung des Radolfzeller Krankenhauses nach Konstanz wechselnden Chefarzt Achim Gowin wurde Michael Zeiser als 2. Vorsitzender nachgewählt. Er ist Gründungsmitglied des Hospizvereins, war Intensivpfleger am Klinikum Konstanz und Lehrer an der Berufsfachschule für Pflege auf der Mettnau.

Die weiteren Vorstandsmitglieder sind Anette Pohlmeier, Allgemeinmedizinerin mit Zusatzausbildung in der Schmerz- und Palliativmedizin, Hospizbegleiterin Brigitte Roth, die früher ein Pflegeheim leitete, Peter Kessler, Diplom-Verwaltungswirt und ehemaliger Bürgermeister von Moos, Katharina Gössel, Betriebswirtin und Bankangestellte sowie Anne Overlack, Germanistin, Buchautorin und Hospizbegleiterin. Im Beirat arbeitet Sabine Wegmann, Leiterin der Sozialstation Radolfzell-Höri mit.