Wenn der Antrag des Naturschutzbundes (Nabu) auf Unterschutzstellung des Markelfinger Winkels so vom RegierungspräsidiumFreiburg umgesetzt würde, wäre das für die Betroffenen gravierend. So lautet zumindest Befürchtung von Wassersportlern und Fischern. Denn um dort nistende Vögel zu schützen, dürften sie nur noch eingeschränkt aufs Wasser. Bisher können Segler in dem geschützten Bereich ihre ersten Gehversuche auf dem Wasser wagen, Boote der Yachtwerft Martin können gut ihren Hafen ansteuern und Berufsfischer machen regelmäßig einen Fang. Ein Großteil des Ufers ist bereits unter Naturschutz, doch dem Nabu geht es um mehr.

50 bis 60 Prozent der geschützten Bucht wären nicht mehr nutzbar

Gunnar Gerstmann vom Markelfinger Wassersport-Club (MWSC) hält nichts von den Nabu-Plänen. Denn die sehen vor, dass 50 bis 60 Prozent der bisher genutzten Wasserfläche geschützt würden. "Unsere Jugendarbeit wäre dann nur noch stark eingeschränkt möglich", sagt Gerstmann. Bisher würden sie rund 20 Jugendliche pro Jahr ausbilden, die Kurse seien sehr gefragt. Gerade die geschützte Bucht sei dabei ein großer Vorteil. Und mit Kindern könnten sie nicht so einfach in etwas entferntere Bereiche ausweichen, wo mehr Verkehr herrsche. Auch die Nutzer der Yacht- und Bootswerft Martin müssten künftig ausweichen. Die Werft von Josef Martin soll ein Ende des erweiterten Naturschutzgebietes markieren. Der dadurch entstehende Kanal-Effekt sei für ihn nicht tragbar: "Der Hafen wäre nicht mehr sicher anzufahren", sagt Martin mit Blick etwa auf eine Sturmwarnung, bei der 50 Boote auf einmal den Hafen ansteuern. Und für eine Anfahrt müssten Segler künftig den Motor statt Segel nutzen.

Wegen Bestandsschutz nicht kompletter Bereich geplant

"Rein naturschutzfachlich betrachtet, müsste auf Grund der großen Vogelbestände der gesamte Markelfinger Winkel geschützt werden", steht im Antrag des Nabu. Doch das sei wegen Bestandsschutzes nicht möglich und nicht geplant, versichert Eberhard Klein. Er ist Diplom-Biologe, Leiter des Nabu-Bodenseezentrums und federführend beim Antrag zum Markelfinger Winkel. Langjährige Beobachtungen hätten gezeigt, dass der Bereich ornithologisch eine besondere Bedeutung habe. Dort würden zehntausende Wasservögel überwintern, etwa die vom Aussterben bedrohte Moorente. Gegen bestehende Schutzzonen werde ständig verstoßen – auch weil sie nicht markiert seien.

Absehbare Beeinträchtigungen sollen gelenkt werden

Hauptproblem seien die Menschen auf dem Wasser, sagt Klein. Der See sei wie leergefegt, wenn fünf Standup-Paddler unterwegs seien. Besonders kurz nach der Ankunft seien die Tiere hypersensibel und würden teils erst Tage später zurückkehren, wenn sie aufgeschreckt werden. Wie Vögel auf Störungen reagieren, sei aber eine komplexe Geschichte. So könne ein Motorboot, das langsam und geradlinig unterwegs sei, weniger störend sein. "Es geht nicht darum, Bestehendes unmöglich zu machen, sondern Absehbares zu lenken", erklärt der Biologe. In den Schutzgebieten sollten laut Nabu alle wassersportlichen Aktivitäten ganzjährig untersagt werden. Eberhard Klein möchte Menschen aber nicht komplett verbannen: Sie sollen beobachten können, Schlittschuhlaufen soll erlaubt bleiben.

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Damit wäre auch der Turnverein Radolfzell beeinträchtigt, wie Vorsitzende Annette Neitsch schildert. Am Markelfinger Winkel gebe es Beachvolleyballfelder, einen Spielplatz, Badebetrieb und mehrmals pro Woche Rudern. "Wir benötigen also für unser Sportangebot die uneingeschränkte Nutzung des Geländes und wichtig, den Seezugang", sagt sie. Es gehe um gewachsene Strukturen und Jugendarbeit. Die verbleibende kleine Wasserfläche müssten sich künftig aber Badegäste, die Übungsgruppen der Kindersegler aus Markelfingen, die an- und abfahrenden Boote der Werft und die Ruderkurse teilen, wie Neitsch befürchtet.

"Ich behaupte, die Berufsfischerei stört nicht"

Für Stefan Riebel, Vorsitzender des Fischereivereins für Untersee und Rhein, ist die Fischerei auch im Markelfinger Winkel existenziell. "Da kann man fischen, wenn man sonst nicht fischen kann", sagt er. Es sei ein unverzichtbares Gewässer, das der Verein bis 2030 vom Land gepachtet habe. Bisher gebe es in ähnlichen Gebieten die Regelung, dass Fischer langsamer einfahren – damit könne er gut leben. Ein grundsätzliches Verbot sieht er kritisch: "Ich behaupte, die Berufsfischerei stört nicht", denn die Fischerei achte auf die Umwelt. Eberhard Klein vom Nabu sieht nur eine intensivere Fischerei kritisch.

Teile des Markelfinger Winkels stehen bereits unter Naturschutz, der Naturschutzbund hat ein größeres Gebiet vorgeschlagen. Von oben ...
Teile des Markelfinger Winkels stehen bereits unter Naturschutz, der Naturschutzbund hat ein größeres Gebiet vorgeschlagen. Von oben lassen sich die Flachwasserbereiche besonders gut erkennen. | Bild: Gerhard Blessing

Alle Betroffenen sind sich einig, dass Umweltschutz wichtig ist. Die Internationale Wassersportgemeinschaft Bodensee vergibt mit dem Blauen Anker beispielsweise Zertifikate für das Beachten von Umwelt- und Sicherheitsrichtlinien. Der internationale Bodensee-Motorboot-Verband trägt mit einem ehrenamtlichen Seedienst dazu bei, dass Schutzmaßnahmen beachtet werden. "Naturschutz ist für uns Eigennutz", sagt auch Gunnar Gerstmann vom MWSC: Keiner wolle in einem verdreckten See Wassersport betreiben.

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Beteiligte können sich Kompromisse vorstellen

Viele haben sich daher schon Gedanken über einen möglichen Kompromiss gemacht: Gunnar Gerstmann vom MWSC würde eine größere Flachwasserzone unterstützen. Als Segler fahre man da ohnehin nicht hin, weil das Wasser zu flach und der Wind zu gering ist. Auch ein Fahrverbot im Winter sei kein Problem, denn ab Mitte Oktober und bis April seien die Boote an Land. "Ab 31. Oktober ist unser Gelände winterfest. Ich denke eine zeitliche Regelung und nicht eine generelle Sperrung des Winkels ist die Lösung", sagt auch Annette Neitsch. Und wenn bestehende Regeln besser kontrolliert würden, sei laut Gerstmann mehr gewonnen – auch künftig: Woher soll ein Segler wissen, wann er im Tiefwasser die Grenze zum Schutzgebiet überfährt?

Befürchtung: Es geht nur noch darum, wie Naturschutzgebiet aussehen würde

Noch sind die Nabu-Pläne nur Zukunftsmusik, wenn auch für Wassersportler eine düstere. "Es wird ein langer und kein einfacher Weg, das ist uns klar. Wir sind für jedes gute, faire Gespräch offen", sagt Edgar Raff als Vorsitzender der Wassersportgemeinschaft. "Wir stehen noch sehr am Anfang des schriftlichen Verfahrens. Die Detailabstimmung macht das Regierungspräsidium", sagt Nabu-Biologe Eberhard Klein. Mehrere Wassersport-Verantwortliche befürchten aber, dass die Sperrung des Markelfinger Winkels bereits beschlossene Sache sei und es nur noch um die Ausgestaltung gehe. Anliegende Vereine, Segler, Kanuten, Ruderer, Motorbootsport und Fischer haben sich mit Verbandsvertretern zu einer Interessengemeinschaft zusammengeschlossen.