Das baden-württembergische Umweltministerium lässt derzeit prüfen, ob der Schutzgebietsverbund am westlichen Untersee erweitert werden kann. Dabei geht es darum, die Flachwasserzone im Markelfinger Winkel bei Radolfzell als Naturschutzgebiet auszuweisen. Eine solche Anordnung würde viele Freizeitsportler treffen. Mit der Ausweisung eines Naturschutzgebiets wären nicht nur Bootsfahrer, sondern auch Surfer, Kite-Surfer und Stand-up-Paddler aus dieser Zone verbannt. In diesem Nutzungskonflikt zwischen Naturschutz und Wassersport hat der Internationale Bodensee-Motorboot-Verband (IBMV) jetzt Stellung bezogen, wie aus einer Mitteilung über die Delegiertenversammlung des Verbands hervorgeht. Bei der Veranstaltung kritisierte IBMV-Präsident Paul Minz die Pläne zur Erweiterung der Schutzzonen als "unnötig, übertrieben, realitätsfremd".

Wichtiger Lebensraum für Wasservögel

Frank Lorho, Sprecher des Umweltministeriums, verwies auf Anfrage dieser Zeitung auf die herausragende Bedeutung der windgeschützten Wasserflächen des Markelfinger Winkels für den Vogelschutz. Die Uferzonen mit vorgelagerten Schilfgürteln sind laut Lorho ideale Brut- und Mausergebiete für zahlreiche Vogelarten. "Gleichzeitig stellen die Wassersportaktivitäten (. . .) die inzwischen zu jeder Jahreszeit ausgeübt werden, für diese Rückzugs- und Ruheräume der Vogelwelt ein hohes Störpotenzial dar", so Lorho. Schon jetzt ist der gesamte Markelfinger Winkel als spezielles europäisches Schutzgebiet (FFH-Gebiet) und als Vogelschutzgebiet gemeldet. Doch das reicht offenkundig nicht aus.

Bild 1: Markelfinger Winkel: Störende Wassersportler sollen raus aus der Flachwasserzone
Bild: Schönlein, Ute

Sorge um die Moorenten

Was das Störpotenzial der Freizeitsportler angeht, sind Motorboote nach Angaben von Harald Jacoby allenfalls ein Teil des Problems. Der Vorsitzende der Naturschutzbund-Ortsgruppe Konstanz verweist auf Wassersportler, die sich der Vogelwelt in den sensiblen Zonen lautlos nähern, zum Beispiel die Stand-up-Paddler. "Ein einzelner kann da schon eine große Störung sein", sagt Jacoby, der für die Ornithologische Arbeitsgemeinschaft Bodensee Daten zum Wasservogelbestand erhebt. Der Naturschutzbund sorgt sich zum Beispiel um die Moorenten, die seit einigen Jahren Flächen im Markelfinger Winkel als Mauserplatz nutzen. Es ist einer von nur zwei Moorenten-Mauserplätzen in Deutschland. Die vom Umweltministerium angeordnete Prüfung zur Ausweisung eines Naturschutzgebiets geht auf einen Antrag des Naturschutzbundes (Nabu) zurück. Der Vorstoß sei Konsequenz des jahrzehntelangen Monitorings der Vogelschützer, so Jacoby.

Motorboot-Verband gegen Beschränkungen

Der Bodensee-Motorboot-Verband kündigte in seiner Delegiertenversammlung an, gegen die geplanten neuen Beschränkungen vorgehen zu wollen; gemeinsam mit der Internationalen Wassersportgemeinschaft Bodensee (IWGB), die bereits Solidarität bekundet habe. Schon jetzt seien viele Bereiche im Markelfinger Winkel als Uferschutzzonen ausgewiesen. Wenn sich die Pläne von Nabu und Umweltministerium durchsetzten, bliebe letztlich nur noch ein kleiner Korridor für die ortsansässige Werft übrig. IBMV-Vorstandsmitglied Martin Lepple klagt über schlechte Kommunikation: "Der Motorboot-Verband und auch andere besorgte und betroffene Bürger haben von derartigen Bestrebungen nur zufällig erfahren."

Regierungspräsidentin noch im Herbst vor Ort

Für weitere Information könnte noch in diesem Jahr die Freiburger Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer sorgen. Die hat sich nach Angaben von Martin Lepple für den Herbst zu einem Vor-Ort-Besuch angekündigt. Ein Termin steht allerdings noch nicht fest, wie Matthias Henrich, Sprecher des Regierungspräsidiums, informierte. Die Regionalbehörde, die den Antrag auf Ausweisung des Naturschutzgebiets prüft, sei mit der Arbeit "noch ganz am Anfang". Henrich: "Wir wollen alle Interessengruppen mit ins Boot holen." Dazu zählen wohl auch die Fischer.

Aufpasser auf dem Gnadensee

  • Der Seedienst: Der Motorboot-Verband schickt seit Jahren in der Sommersaison am Gnadensee Aufpasser aufs Wasser. Der Seedienst weist Bootsführer auf Verstöße gegen die Verkehrsregeln hin. Die Bootsfahrer sollen Rücksicht auf andere Seenutzer nehmen und den Naturschutz achten. Der Seedienst übt keine Amts- oder Polizeifunktionen aus. Es handelt sich um eine Selbstverpflichtung des IBMV, um Konflikten vorzubeugen. Ganz wichtig ist es nach Angaben des Verbands, in einer 300-Meter-Zone ab dem Ufer unnötigen Wellenschlag zu vermeiden. Motorboote sollten in dieser Zone nicht parallel zum Ufer fahren. Zudem dürfen sie in dem Bereich nicht schneller als 10 Stundenkilometer fahren. Pro Jahr kommen beim Seedienst Tausende Einsatzstunden zusammen. Das Aufpasser-Boot ist von Mitte Mai bis Ende August an Wochenenden im Einsatz.
  • Die Ankerbuchten: Konflikte zwischen Naturschutz und Freizeitaktivitäten der Menschen am Bodensee sind nicht neu. Der Internationale Bodensee-Motorboot-Verband erinnert an frühere Bestrebungen des Umweltschutzverbands BUND, am bayrischen Oberseeufer einige Ankerbuchten für Motorboote sperren zu lassen. Nach langen Verhandlungen mit der Regierung von Schwaben (Augsburg) wurde ein Kompromiss erzielt. IBMV-Präsidiumsmitglied Martin Lepple lobt das Ergebnis: Die Belange der Wassersportler seien ebenso angemessen berücksichtigt worden wie die der Natur.