Jahrhunderte lag das Öhninger Chorherrenstift im sprichwörtlichen Dornröschenschlaf. Nun ist es eine der größten und kostenintensivsten Denkmal-Sanierungen des Landes Baden-Württemberg. Erst vor Kurzem haben das Land, die Erzdiözese Freiburg, die katholische Kirchengemeinde Höri und die Gemeinde Öhningen beschlossen, das historische Gebäude erhalten und weiterentwickeln zu wollen.

Konzept ist noch völlig offen

Wie und was genau ist hingegen völlig offen. Aktuell finden im Hof der Stiftskirche die Höri Musiktage statt. Seit vier Jahren belebt das Klassik-Festival das kulturelle Leben der Region. Und die Organisatoren, allen voran Hilde von Massow, haben für das historische Gebäude eine eigene Vision: eine Musikakademie.

Bild 1: Ist eine Musikakademie im Öhninger Chorherrenstift möglich?
Bild: Schneider, Anna-Maria

Doch ist das überhaupt im beschaulichen Öhningen gewollt und finanzierbar? Auf dem Podium diskutieren Hilde von Massow, Organisatorin der Höri Musiktage, der katholische Höri-Pfarrer Stefan Hutterer, Moderatorin Barbara Paul vom SWR, der Öhninger Bürgermeister Andreas Schmid, Geigerin Milena Wilke und Gemeinderat René Zimmermann über die Zukunft des Stifts.

Die Idee von Hilde von Massow

Das, was die Höri Musiktage an wenigen Tagen in die Gemeinde Öhningen bringen, soll das ganze Jahr möglich sein. Nämlich junge Nachwuchsmusiker an den Bodensee locken und hier im Austausch mit anderen an ihrer Kunst arbeiten lassen und sie dabei ausbilden und unterstützen. Viel mehr kann sich Hilde von Massow sogar ein Kulturzentrum mit dem Schwerpunkt Musik vorstellen und kunstübergreifend arbeiten.

Denn wenn es etwas im Öhninger Chroherrenstift zu Genüge gibt, dann Räume. Platz für schalldichte Übungsräume, Aufnahmestudio und Instrumentenlager hätte es jede Menge, weiß Hilde von Massow. Auch die Unterbringung der Schüler sei kein Problem. Größere Räume könnte man multifunktionell für Familienfeiern, Urlauber, die Kirchengemeinde oder Vereine benutzen.

Bild 2: Ist eine Musikakademie im Öhninger Chorherrenstift möglich?
Bild: Schneider, Anna-Maria

Hilde von Massow hat stets das gesamte Chorherrenstift im Blick, welches in den drei Gebäudeteilen Stammhaus, Probstei und Pfarrhaus aufgegliedert ist. Die Besitzverhältnisse sind recht kompliziert. Ein Teil davon gehört der Gemeinde, ein Teil der Kirche. Für die Finanzierung sieht von Masswo klar die Landesregierung in der Verantwortung und möchte mit einem überzeugenden Konzept Sponsoren gewinnen. Denn ihr ist klar, die Gemeinde kann das unmöglich stemmen.

Das sagt der Bürgermeister

Der Gemeindeteil des Chorherrenstifts ist bereits seit einigen Jahren in Arbeit. Dort plant Öhningen eine Gastronomie samt Gästezimmer. Einer Musikakademie stehen diese Pläne nicht im Weg. „Auch Musiker müssen essen“, sagt Bürgermeister Andreas Schmid.

Die millionenschweren Investitionen seien für die Gemeinde ein Kraftakt gewesen, man habe sich aber der historischen Verantwortung für den Erhalt des Gebäudes gestellt. Doch auch dieses Engagement hat Grenzen: „Wir können keinen laufenden Betrieb bezuschussen. Egal was reinkommt, es muss sich von alleine tragen“, so Schmid.

Das sagt der Pfarrer

Für Stefan Hutterer ist das erste Ziel klar: Die Räume für die Kirchengemeinde, auf die man seit Jahren verzichten musste, müssen soweit hergestellt werden, dass sie nutzbar werden. „So lange es kein umfassendes Nutzungskonzept gibt, wollen wir, dass das Gebäude wieder bewohnbar gemacht wird“, so Hutterer.

Einer Musikakademie würde sich mit der Nutzung der Kirche jedoch ergänzen und gut zusammenpassen. Doch finanziell werde sich die Kirche nicht beteiligen. „Wir werden Nutzungsrechte an unseren Räumen abgeben, das ist schon eine ausreichende Beteiligung“, sagt Hutterer.

Das sagt der Gemeinderat

Für den Öhninger Gemeinderat René Zimmermann sei das Chorherrenstift immer ein Reizthema gewesen. Er bemängelt die Transparenz der Arbeiten, man wisse nie so recht, was gerade gemacht werde. Auch für den Gemeinderat sind die Kosten einer Musikakademie die größte Sorge bei dem Projekt.

Die Idee selbst findet Zimmermann gut, doch drängt er zu schnellem Handeln. „Wir brauchen jetzt ein Konzept, damit wir weitermachen können. Die Mühlen der Bürokratie mahlen langsam“, so Zimmermann.

Das sagt die Musikerin

Geigerin Milena Wilke ist von dem Öhninger Chorherrenstift fasziniert und inspiriert. An kaum einem anderen Ort sei es für Musiker möglich, in so engem Kontakt mit dem Publikum zu treten wie in Öhningen. Das sei in der Klassik-Szene etwas ganze besonderes.

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Auch andere junge Musiker melden sich an dem Abend zu Wort und bekräftigen die außergewöhnliche Atmosphäre auf der Höri und die Herzlichkeit der Einwohner. Milena Wilke gibt sich in ihrer Vision anspruchsloser als Hilde von Massow: Eine Musikakademie könne auch langsam wachsen, sagt die Geigerin. Musiker würden das Unfertige genauso lieben und sie habe auch schon auf Toiletten geprobt, da brauche es keine voll ausgestatteten Schallschutzräume.

Das sagen die Öhninger

Einige Bürger nahmen aus dem Publikum an der Podiumsdiskussion teil. Sie äußerten sich auch kritisch. Ein Zuhörer formuliert die Sorge, dass das Chorherrenstift ein Dauerbezuschussungsgrab werde. Den Steuerzahler hätte die Sanierung soweit ohnehin schon genug Geld gekostet. Andere Öhninger betonen ihre volle Unterstützung für so ein Projekt.

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Die jungen Musiker, die seit vier Jahren zu den Höri Musiktagen aus aller Welt anreisen, würden neues Leben in den Ort bringen und eine lebendige Atmosphäre schaffen. Davon würde die ganze Höri profitieren. Ebenfalls sei eine Musikakademie auch ein Garant dafür, dass die Gastronomie im Gemeindeteil kein Saisonbetrieb werden würde. Für Öhningen könne der Kulturbetrieb eine Bereicherung werden.