Ist die Niederburg ein eigener Kosmos? Die Einzelhändler dort sich davon überzeugt. Während in Einkaufsstraßen in Konstanz Geschäfte leer stehen und das letzte Warenhaus in Konstanz wankt, sehen Händler im ältesten Stadtteil von Konstanz mit Optimismus in die Zukunft. „Wir haben keinen Leerstand“, sagt Rolf Huesgen, Vorsitzender des Vereins Niederburg Vital.
Ab Mai sollen sechs Gassenfreitage mit jeweils sieben Freiluftkonzerten zusätzlich Auftrieb geben. Eine Einschränkung allerdings gilt: Ab 22 Uhr darf es keine Musik mehr in den Gassen und Ausschank im Freien geben.
Die Erzählung der Händler in der Niederburg klingt so: In den großen Einkaufsstraßen von Konstanz drängelten sich die Massen. Aber im mittelalterlichen Ensemble der Niederburg sitzen die individuellen, kleinen Händler, die Beratung bieten und die einzigartigen Waren.
„Das ist das Dorf in der Stadt“, sagt Weinhändler Andreas Fritz. „Die Pachtverhältnisse sind hier anders.“ Viele kleinere Betriebe hätten sich angesiedelt. Er nennt eine verblüffende Zahl: 110 Unternehmen haben demnach in der Niederburg ihren Sitz, Physiotherapeuten, Anwaltskanzleien, Ärzte, Friseure, Gastronomiebetriebe und Einzelhändler. „Wir arbeiten alle in einem Denkmal.“
Sabine Lorentz vom Radgeschäft Radial sagt: „Wir können was, was kein anderer kann. Bei uns kaufen Sie Begeisterung. Wir haben unseren Platz in der Struktur“. Zuletzt wurde das Stadtviertel durch die Büros zum Buchen (Co-Working-Space) im St. Johann und im Café Doppio belebt.
Das bringe neue Menschen in die Niederburg, stellt Nicola Furtwängler vom Café Doppio fest. So kämen Schüler, die fürs Abitur lernten, ebenso wie Studierende und Unternehmer. Die Universität Konstanz sei zudem mit Veranstaltungen in die Niederburg gegangen, auch das ziehe Studierende an.
In der Niederburg vereinigen sich Tradition und Moderne
Myriam Grüll von Fecker Interior stellt fest: „Tradition und Moderne vereinigen sich hier.“ Sie gehört mit der Kollegin Ulrike Fecker-Kleespies sowie Patrick Schreibmüller vom Weinglöckle und Nicola Furtwängler zu den Neuen im Verein Niederburg Vital. Er hat 120 Mitglieder und Förderer. Zusammen mit den neuen Engagierten, sei er stark verjüngt, wie der Vorsitzende Rolf Huesgen sagt. Er spricht von „frischem Wind“.
Fast jede Woche habe es zuletzt eine Sitzungen zu den Gassenfreitagen gegeben. Das Ziel: Altbekanntes mit Neuem verbinden. Der Verein will die Veranstaltung entzerren, künftig mehr Gassen in der Niederburg beleben, und alle Altersgruppen anziehen.
Grundsätzlich soll es künftig mehr Aktionen in den Gassen geben. Neu sind sieben Standorte für die Freiluftkonzerte festgelegt. Einige Plätze sind an einigen Terminen schon besetzt, Bands könnten sich aber noch bewerben, heißt es vonseiten des Vereins Niederburg Vital. Die Musiker spielen immer 20 Minuten, dann ist Pause. Auch Gaukler und andere Darsteller von Straßenshows können sich melden.
Neu sind Flohmarktstände für Kinder in der Konradigasse. In der ganzen Niederburg gilt: Anwohner können Tische mit Flohmarktartikel auf die Straße stellen. An den Eingängen der Niederburg soll über die Aktionen informiert werden, ebenso über die Sponsoren. Die Läden und Gastronomen finanzieren die Musik und sorgen dafür, dass pünktlich um 22 Uhr die Konzerte zu Ende sind.
Immer am ersten Freitag im Monat sind ab Mai sechs Gassenfreitage angesetzt. Der letzte für dieses Jahr ist im Oktober. Zwischen 18.30 und 22 Uhr sollen Gäste schlendern, etwas trinken, ein bisschen Musik hören und die Niederburg erleben. Für Getränke gibt es Gläser und Glasflaschen gegen Pfand. Dieses kann immer nur am Ausgabe-Stand eingelöst werden.
Vor den Läden und Gaststätten sind zusätzliche Mülleimer aufgestellt. Die Gassen sollen sauber bleiben. Und die Gäste sollen sich sicher fühlen. Pro Gassenfreitag sind sechs Sicherheitsleute im Einsatz. Zusätzlich werden, wie bei jeder Großveranstaltung, wegen möglicher Anschläge Einfahrsperren aufgestellt.
Auch Besucher der Stadt erkundigen sich nach den Terminen
Die Gassenfreitage sprechen die Menschen vor Ort an, aber auch Touristen. „Sie haben Ausstrahlung“, sagt Rolf Huesgen. Er berichtet von Menschen, die sich in Balingen und Stuttgart nach den Terminen für die Aktionstage erkundigen.“ „Es ist auch ein Fest für Konstanzer“, sagt Unternehmer Harald Lischkowitsch.
HP Kratzer vom Weinteufele ist sich sicher: Egal, woher einer kommt, er werde begeistert sein vom Flair der Niederburg. Die Gassen in dem Quartier sind von der mittelalterlichen Enge geprägt. „Wir wohnen hier Wange an Wange“, sagt Andreas Fritz. Jeder kenne jeden. Das motiviere zur Zusammenarbeit, und zum Plausch mit dem Nachbarn. „Gemeinsam sind wir stark.“
Der Verein Niederburg Vital veranstaltet auch den traditionellen Büchermarkt, dieses Jahr allerdings gibt es ihn nur einmal im Oktober. Der Verein habe darauf Rücksicht genommen, dass es keine Kollision mit dem Freilichttheater am Münster gibt, sagt der Vorsitzende Rolf Huesgen.