Theater ist das, was es ist. Es ist einer dieser Kurzsätze, die auch mal für Sekunden im Raum stehen können, wenn man mit Johanna Schall spricht. Nicht, dass die Schauspielerin und Regisseurin nicht gesprächig wäre, aber manchmal mag es die 57-Jährige auch einfach, Dinge mal stehen zu lassen. Sie wartet dann ab, was das Gegenüber daraus macht und davon hängt dann auch ab, wie das weitere Gespräch verläuft. Eher lustlos oder interessiert. Johanna Schall hat ein Gespür für solche Situationen und sie spielt gerne damit. Das mag zum einen daran liegen, dass sie seit Jahrzehnten an deutschen Bühnen inszeniert und spielt. Zum anderen spielt ihre Familiengeschichte dabei aber auch eine Rolle. Johanna Schall ist die Enkelin von Bertolt Brecht und Helene Weigel. Viel prominentere Vorfahren kann man als Theaterfrau eigentlich nicht haben. Auf die Frage, was dieses Erbe für sie heute bedeutet, antwortet sie mit einer Gegenfrage: „Was bedeutet denn ihr Opa in ihrem Alltag?“ Reporter: „Nicht so viel.“ Schall: „Sehnse, das ist bei mir nicht anders. Im Alltag ist das nicht relevant“, sagt sie im dezenten berlinerisch. Kennen gelernt hat sie ihren Großvater ohnehin nicht mehr, er starb bevor sie geboren wurde.

Trotzdem trägt sie dieses Erbe immer mit sich. Alleine die Verbindung zu dem Namen Brecht elektrisiert die Menschen. Das ist auch jetzt nicht anders, wenn sie zum ersten Mal am Konstanzer Stadttheater inszeniert. Im Schauspielensemble des Hauses herrschte schon vor Probenbeginn gespannte Aufregung darüber, wie die Schall denn arbeiten würde. Gerüchteweise hört man ja immer viel, aber es selbst zu erleben, ist dann doch noch mal etwas anderes. Sehr direkt, sehr klar sei die Regisseurin Johanna Schall kann man jetzt, wenige Tage vor der Premiere am Freitag, von den Schauspielern hören. Es gehe durchaus auch mal lauter zu, wenn es nicht so läuft, wie sich die Regisseurin das vorstellt, heißt es. Bei der öffentlichen Probe ist davon wenig zu hören. Johanna Schall sitzt in der zweiten Reihe des Stadttheaters, schaut zu, was auf der Bühne passiert, gelegentlich gibt es Anweisungen. Manchmal steht sie auch und geht selbst auf die Bühne. Um den Schauspielern genau zu zeigen, was sie will. „Ehrlich gesagt, müsst ihr euch noch viel langsamer bewegen. Können wir das noch mal probieren?“ Hier und da eine klare Ansage, aber alles im zivilen Ton, nichts, was es so nicht tagtäglich auch an anderen Theatern des Landes geben würde.
Dass Johanna Schall jetzt überhaupt im Theater arbeitet, war auch kein Selbstläufer. Trotz der bekannten Großeltern und obwohl auch ihre Eltern Schauspieler waren, sei der Weg keineswegs vorgezeichnet gewesen. „Ich wollte eigentlich was anderes machen und habe vieles ausprobiert“, erinnert sich die 57-Jährige. Sie war Hilfsschwester im Krankenhaus, zeitweise auch mal Postbotin. Schließlich entschied sie sich doch für die Bühne. Ihr erstes Schauspiel-Engagement hatte sie ab 1978 am Deutschen Theater in Berlin. Von da ging es immer weiter. Mitte der 1980er Jahre war sie längst zu einer der gefragtesten Schauspielerinnen in der DDR geworden. Das hinderte Schall nicht daran, sich politisch zu engagieren. Als am 4. November 1989 200 000 Menschen auf dem Berliner Alexanderplatz gegen den Überwachungsstaat DDR protestierten, war sie neben Ulrich Mühe, Gregor Gysi und Marianne Birthler eine der Hauptrednerinnen.
Nach dem Zusammenbruch der DDR wechselte Johanna Schall irgendwann ins Regiefach, weil sie „Lust auf etwas Neues“ hatte, wie sie sagt. Inzwischen ist sie an 280 Tagen im Jahr als Regisseurin unterwegs. Seit sechs Wochen ist sie nun auch in Konstanz. Das Projekt: Carlo Goldonis „Der Diener zweier Herren“. Eine Verwechslungskomödie aus dem 18. Jahrhundert. Für sie ist das alte Stück immer noch aktuell: „Ein Fremder kommt in die Stadt und alle flippen aus. Wenn das nicht brandaktuell ist, dann weiß ich auch nicht“, sagt Schall. Sie will die Inszenierung aber auch nicht mit Gegenwartsbezügen überfrachten. „Ich brauche da jetzt keine Pegida-Plakate, um die Aktualität zu zeigen. Das sollen sich die Zuschauer schon schön selber denken“, erläutert die Regisseurin. Theater ist eben das, was es ist und was die Menschen darin sehen, findet Johanna Schall. Seit dem Tod ihrer Mutter im vergangenen Jahr ist sie jetzt Haupterbin und Verwalterin der Brecht-Erben GmbH. Ob es mehr Glück oder mehr Bürde ist, Teil einer so bekannten Familie zu sein? Johanna Schall überlegt nur einen kurzen Moment und sagt dann: „Es kann beides sein. Je nach Situation ist es mehr das eine oder mehr das andere.“
Im Gewand einer Komödie wird eine grundsätzliche Frage gestellt
Die Regisseurin Johanna Schall inszeniert zum ersten Mal am Konstanzer Stadttheater. Ihre Version von Carlo Goldonis „Der Diener zweier Herren“ hat am 18. März PremiereDas Stück: „Der Diener zweier Herren“ ist das bekannteste Bühnenstück des italienischen Dramatikers Carlo Goldoni. Es wurde 1746 in Mailand uraufgeführt und gilt als Höhepunkt der Commedia dell'arte.
Darum geht's: Im Venedig des Jahres 1746 scheint alles in Ordnung. Die Verlobungsfeier von Pantalones Tochter Clarice mit ihrem geliebten Silvio ist in vollem Gange als plötzlich der totgeglaubte Ex-Verlobte von Clarice vor der Tür steht. Das ist die Ausgangssituation in der Fassung von Martin Heckmanns, die jetzt in Konstanz gespielt wird.
Darum geht's wirklich: Um die Frage, wie viel Herren müssen wir heute eigentlich dienen? Daraus wird ein turbulentes Chaos voller Missverständnisse, gebrochener Herzen und allerlei verfänglicher Situationen.
Die Aufführungen: Die Premiere findet am Freitag, 18. März, 20 Uhr, im Stadttheater statt. Weitere Aufführungen: 26./29./31. März, jeweils 20 Uhr, 1. April, 19.30 Uhr, 2./6. April, jeweils 20 Uhr.
Karten: Kartenreservierungen sind möglich über die Theaterkasse: (07531) 90 01 50. Es gibt auch die Möglichkeit, Karten direkt über die Internetseite zu kaufen: www.theaterkonstanz.de Die Karten kosten je nach Platz zwischen 13 und 33 Euro.