Um in der Stadt möglichst bis zum 2035 Klimaneutralität herzustellen, hat der Gemeinderat der Kommune jetzt ein energiepolitisches Arbeitsprogramm auferlegt. Die Stadt will damit ihren Beitrag zur Erfüllung des Pariser Klimaschutzabkommens und des Klimschutzpaktes Baden-Württemberg leisten.

Ging es im ersten Schritt im Wesentlichen darum, mit der Erarbeitung von Analysen, Leitbildern sowie Energieberichten, Eckpunkte, Leitgedanken und die Ausgangssituationen zu klären, soll sich das Arbeitsprogramm in der zweiten Phase von 2023 bis 2026 stärker auf konkrete Maßnahmen konzentrieren und neue strategische Themen vorbereiten. Dabei sollen sich die Verantwortlichen darauf konzentrieren, mit welchen Maßnahmen eine schnelle CO2-Reduzierung möglich wird.
Was ist konkret vorgesehen?
Die Stadtverwaltung hat dazu einen Maßnahmenkatalog von 49 Punkten vorgeschlagen. Unter anderem geht es um folgende Vorschläge:
- Als Daueraufgabe will die Stadt jährlich 250.000 Euro für die energetische Sanierung kommunaler Gebäude in den kommunalen Haushalt einstellen. Mit dem Haushalt 2024/25 soll dieser Ansatz verdoppelt werden.
- Als ein Leuchtturmprojekt soll die ehemalige französische Schule an der Dattenbergstraße zur neuen städtischen Volkshochschule im Stadtbezirk Villingen energetisch als Effizienzhaus 40 saniert werden.
- Als weiteres energetisches Leuchtturmprojekt ist die energetische Sanierung der beiden Mannschaftsquartiere im ehemaligen Kasernengelände Lyautey, jetzt Sanierungsgebiet Oberer Brühl, an der Kirnacher Straße vorgesehen. Hier werden in Zukunft Abteilungen der Stadtverwaltung und das Stadtarchiv einziehen. Geplant ist energetisch ein Kfw-55-Standard.

- Das Wohngebiet Weilersbach-Schlegelberg soll als klimaneutrales Modellprojekt mit einem Energie-Eisspeicher und Solarthermie-Anlage geplant und umgebaut werden.
- Mehr Photovoltaik auf den Dächern städtischer Gebäude: Pro Jahr sollen 300 Kilowatt/Peak errichtet werden.
- Weiterverfolgung der Errichtung einer Photovoltaik-Freilandanlage auf der alten Müllkippe „Obere Wiesen“ in Villingen in den Jahren 2023 bis 2024.
- Fortführung des E-Scooter Betriebs in VS.
- Prüfen des Ausbaus des ÖPNV und Fortführen des barrierefreien Ausbaus der Bushaltestellen.
- Prüfen der schrittweisen Einführung eines kostengünstigen oder gar kostenlosen Öffentlichen Personennahverkehrs in Villingen-Schwenningen.
- Geplante Leuchtturmprojekte Bereich Klimaschutz und Energie wie im Oberen Brühl, das VIAS-Forschungszentrum, das geplante Wohngebiet Lämmlisgrund, ein mögliches Energiekraftwerk an der Schwenninger Eishalle oder die Wasserstoffstrategie sollen weiter entwickelt werden.
- Weitere Maßnahmen zur Parkplatz-Bewirtschaftung in den Stadtbereichen.
- Einschränkung des Landschaftsverbrauchs durch neue Wohn- und Gewerbegebiete.
Ebenfalls zum Programm gehört ein Bündel von planerischen und organisatorischen Maßnahmen auf Ebene der Stadtverwaltung, die den Prozess der Klimaneutralität vorantreiben sollen.
Grüne: Stadt beim Klimaschutz weit hinten
Das Echo in den Ratsfraktionen auf das Vorschlagsbündel viel gemischt aus. Grünen-Sprecherin Ulrike Salat lobte das Programm, hielt aber fest: „Beim Benchmarking im Klimaschutz sind wir nicht im Mittelfeld, wir sind ganz unten.“ Die Stadt müsse bei der Umsetzung der Klimaschutzmaßnahmen „daher schneller werden“.
Eine Auffassung, der Dirk Gläschig (Freie Wähler) deutlich widersprach. „Bei der kommunalen Wärmeplanung sind wir vorne.“ Stadt und Gemeinderat machten hier „einen sehr guten Job“, lobte er.

Freie Wähler: Neue Gewerbegebiete nötig
Allerdings dürfe die Wirtschaft und Industrie nicht mit Umweltauflagen lahmgelegt werden, betonte Gläschig. Beispielsweise mit einem Verbot neuer Gewerbegebiete. Damit die Stadt die geschätzten zwei Milliarden Euro für die Klimawende aufbringen könne, benötige sie die Steuereinnahmen der heimischen Industrie und des Gewerbes. „Die Freien Wähler werden daher den Antrag stellen, dass die Stadt neue Industriegebiete ausweist.“
Während die Fraktionen von CDU und SPD das Programm befürworteten, ging die FDP besonders kritisch mit dem Papier ins Gericht. Kathrin Piazolo warnte davor, die Stadtverwaltung zur Planung der Energiewende mit neuen Personalstellen aufzustocken, wie dies in dem Arbeitsprogramm vorschlagen wird. „Jeder Euro, den wir für Personal ausgeben, fehlt uns für konkrete Maßnahmen bei der energetischen Sanierung.“
FDP gegen kostenlosen ÖPNV
Die FDP ist wie die Freien Wähler nicht bereit, die grüne Forderung nach Flächenstillstand bei Wohn- und Gewerbegebieten mitzutragen. Kritisch sieht Piazolo auch den Vorschlag, den ÖPNV kostenlos anzubieten. Auch dieses Geld sei besser in Maßnahmen zur CO2-Vermeidung angelegt. Und was könne denn eine lokale Wasserstoff-Strategie bewirken? Fragwürdig sei es auch, die Parkplätze im Wohngebiet Oberer Brühl stark zu reduzieren.
Oberbürgermeister Jürgen Roth beschwichtigte und erklärte, das vorgelegte Arbeitsprogramm sei „nicht auf ewig“ festgeschrieben. „Das müssen wir im Gemeinderat alles noch priorisieren“.
Bei der Abstimmung votierte am Ende eine breite Mehrheit für das vorgeschlagene Arbeitsprogramm: Es gab nur vier Gegenstimmen und drei Enthaltungen.