Spanien ist das Sehnsuchtsland vieler Deutscher – aber umgekehrt gab es eine Zeit, als auch viele Spanier in die Schwarzwald-Region auswanderten. Das waren die sechziger Jahre und damals kamen sie, um in Villingen und auch St. Georgen bei den Firmen Arbeit zu finden – von Dual bis zur Saba. In dieser Zeit bildete sich in der Zähringerstadt unter den Jugendlichen eine eigene Gruppe, ein harter Kern, der sich in den vergangenen vier Jahren zu Treffen von Zurückgegangenen und Hiergebliebenen zusammenfand – zuletzt 2017 in Sevilla. Dabei war Francisco-Javier Orive, der von dem Treffen berichtet. Eines der ganz wichtigen Themen – was hat sich in Villingen und St. Georgen geändert, "darüber wurde viel gesprochen".
- Wie alles anfing: Francisco-Javier Orives Eltern emigrierten 1960 aus Madrid, er selbst kam ein Jahr später als 12-Jähriger nach, nachdem das Terrain sondiert worden war. "So machten es damals viele Familien", erinnert er sich. Der Vater arbeitete bei der Saba, der Bueb-Bäckerei und der Alugießerei als Hilfsarbeiter. Der Sohn ging noch zwei Jahre in die damalige Knabenschule, der heutigen Karl-Brachat-Realschule, dann lernte er Werkzeugmacher. Seine berufliche Stationen: 26 Jahre bei der Alugießerei und danach bei den Frei-Lacken in Döggingen. Als Jugendlicher wohnte er in der Berliner Straße und damals bildete sich die Gruppe von 40 spanischen Freunden heraus, Jungs und Mädels, die sich immer wieder trafen, Geburtstage zusammen feierten oder kickten und selbst zu Spielen gingen. In St. Georgen gab es damals einen spanischen Verein, später bildete sich auch in Villingen einer – UED.
- Die Integration: Francisco-Javier Orive spielte für sein Leben gern Fußball, fünf Jahre bei der DJK Villingen (davon zwei Jahre in der ersten Mannschaft), beim FC Tannheim vier Jahre, dann in Kirchdorf, dort war er auch als Jugendtrainer aktiv. 1976 bestand er die Prüfung zum Schiedsrichter, dann pfiff er 35 Jahre, noch immer engagiert er sich als stellvertretender Vorsitzender im Bezirk Schwarzwald des südbadischen Fußballverbands. Sport ist für ihn ein ganz wichtiges Mittel zur Integration und so kann er nur jedem Neuankömmling raten: Geh in einen Verein. Dass es bei den Spielen zu Diskriminierung kam, war bereits früher so. Schon zu seiner Zeit wurde abfällig über Gastarbeiter gesprochen, ein Begriff, den er noch heute nicht mag. "Wir sind Spanier, Italiener und viele Nationen mehr, die hier leben." Auch als Schiedsrichter in der Landesliga hatte er es nicht immer einfach, würde er Müller oder Maier heißen, hätte er auch höhere Ligen gepfiffen, ist er sich sicher.
- Die Treffen: Maria del Carmen Suarez und Jose Marti hatten die Idee, sich nach langen Jahren wiederzusehen. 2014 in Madrid, 2015 in Valencia, 2016 in Aguilas und 2017 in Sevilla kamen die ehemaligen Villinger und St. Georgener zusammen. Sie ließen die frühere Zeit wiederaufleben, so als das Schlössle bei vielen noch die Stammkneipe war, dort noch Tischkicker und Flipper standen, wo man stundenlang spielte und sich unterhielt, auf Spanisch natürlich. In Aguilas traf sich übrigens die größte Gruppe mit 108 Spaniern, also auch viele außerhalb des harten Kerns. Dort leben viele, die in Villingen arbeiteten, das habe sich herumgesprochen.
- Leben in Deutschland: Orive war unter den eher wenigen, die in Deutschland blieben, heute wohnt er mit seiner deutschen Frau, die fließend Spanisch spricht, in Brigachtal. Er hat eine Tochter und zwei Enkel – mit seinem Leben ist er im Reinen. Was ihm an Deutschland und Spanien gefällt oder auch nicht, damit will er sich nicht lange aufhalten. Doch in seinen Adern fließe spanisches Blut, er verleugnet nicht sein spanisches Temperament und seine Lieblingsfußballer sind die Spanier Cesc Fàbregas und Iniesta, sein Lieblingsclub ist Real. Daher war es für ihn ein wichtiger Schritt, dass er 2007 die doppelte Staatsbürgerschaft annehmen konnte. So musste er sich nicht zwischen den beiden Länder, die ein wichtiger Bestandteil seines Lebens wurden, entscheiden.
Ausländer in Villingen-Schwenningen
Die größte ausländische Gruppe in der Doppelstadt ist die italienische mit 2200 Einwohnern. Danach kommt die Türkei (1679), Kroatien (1587), Rumänien (1491), Syrien (919), Serbien (809), Griechenland (797) und Polen (506). Spanien folgt auf Rang 17 mit 196 Einwohnern, wie Heike Heuser vom Amt für Stadtentwicklung berichtet. Aktuell leben Menschen aus 137 Staaten in Villingen-Schwenningen.
Mit dem Zustrom von Arbeitern aus dem ehemaligen Jugoslawien, Griechenland, Spanien, Italien und der Türkei erlebte Villingen-Schwenningen Anfang der 70er Jahre mit über 12 000 Personen einen ersten Höhepunkt. Dann ging die Zahl beim Einbruch der Uhren- und Unterhaltungsindustrie auf 9700 zurück, bevor sie Anfang der 90er Jahre wieder auf 12 600 anstieg – besonders viele kamen aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Bis Anfang der Jahrtausendwende erfolgte ein leichter Rückgang, ab 2005 kam es durch die Osterweiterung und aktuell durch die Flüchtlingswelle zum Anstieg auf über 15 500 Personen.