Der Verein Pro Stolpersteine Villingen-Schwenningen setzt am kommenden Sonntag, 1. Dezember, um 19 Uhr seine Mahnwachen auf dem Latschariplatz in Villingen fort.
Mit dieser Mahnwache wird die Erinnerung an Kinder wachgehalten, denen mit oder kurz nach ihrer Geburt bereits das Recht auf Leben genommen wurde. Der Verein recherchierte dazu das Schicksal eines Kindes aus Villingen. 1942 geboren, durfte Manfred Bumann als so genanntes „Reichsausschusskind“ nicht einmal zwei Jahre alt werden.
Meldepflicht für behinderte Kinder
Seit August 1939 waren Hebammen und Ärzte verpflichtet, behinderte Kinder dem Gesundheitsamt zu melden. Der Amtsarzt prüfte die Meldung und leitete das Ergebnis an den „Reichsausschuss zur wissenschaftlichen Erfassung von erb- und anlagebedingten schweren Leiden“ in Berlin weiter.
Ein Plus ist das Todesurteil
Die Professoren Hans Heinze und Werner Catel sowie der Kinderarzt Ernst Wentzler entschieden über das Schicksal der Kinder im ganzen Land, ohne die Krankengeschichten zu kennen oder die Kinder gesehen oder untersucht zu haben. Ein Plus auf der Akte bedeutete, dass das Kind getötet werden sollte. Es wurde dann als so genanntes Reichsausschusskind in eine Kinderfachabteilung eingewiesen.
Epilepsie und häufiges Schreien
Der kleine Manfred wurde 1942 in Villingen geboren. Über seine familiären Verhältnisse konnte der Verein wenig in Erfahrung bringen. Nach Angaben in seiner Krankenakte habe er als Säugling viel geschrien und sei oft krank gewesen. Ab und zu erleidet Manfred epileptische Anfälle.
Eltern werden belogen
Den Eltern wird erklärt, die „Kinderfachabteilungen“ würden über die modernste Therapieverfahren verfügen. Bei Weigerungen, ihre Kinder einweisen zu lassen, drohen die Gesundheitsämter den Müttern an, sie zum „Reichsarbeitsdienst“ zu verpflichten und ihnen das Sorgerecht zu entziehen. So kommt Manfred im Mai 1944 mit knapp zwei Jahren in die „Kinderfachabteilung“ Eichberg im Rheingau.
„Kein Sprechvermögen“
Die dortige ärztliche Untersuchung beschreibt ausschließlich seine Defizite. „Kann nicht sitzen oder stehen. Kein Sprachverständnis. Kein Sprechvermögen.“ Bereits Anfang Juli 1944 trifft die „Behandlungsermächtigung“ des Reichsausschusses ein.
Natürlicher Tod wird vorgetäuscht
Manfred erhält das Barbiturat Luminal, das bei Überdosierung Lungenentzündung auslöst. So wird den Angehörigen ein natürlicher Tod vorgetäuscht. Am 21. August 1944 stirbt der kleine Junge. Manfred ist damit eines von mehr als 430 psychisch oder körperlich behinderten Kindern, die in Eichberg dem nationalsozialistischen Programm zum Opfer fallen.
Arzt wird zum Tode verurteilt
1946 findet in Frankfurt der „Eichberg-Prozess“ statt. Angeklagt sind die Ärzte Mennecke und Schmidt, die Oberschwester Helene Schürg, der Abteilungspfleger Andreas Senft und zwei Krankenpflegerinnen. Mennecke wird zum Tode verurteilt, Schmidt zu lebenslangem Zuchthaus, Schürg zu acht Jahren; die Pflegerinnen werden freigesprochen. Mennecke nimmt sich vor der Urteilsvollstreckung das Leben, alle anderen Verurteilten kommen bis 1959 wieder frei. Schmidt praktizierte noch jahrelang in der Gegend von Hattenheim als Arzt.