Villingen-Schwenningen – Als die Verlegung von Stolpersteinen 2013 im Gemeinderat abgelehnt worden ist, kam die Idee eines zentralen Mahnmals auf. Nach mittlerweile mehr als vier Jahren scheint es auch in dieser Sache nicht voranzugehen, wie nicht nur Friedrich Engelke vom Verein Pro Stolperstein bemängelt.
- Rückblende: Zweimal hat eine Mehrheit des Gemeinderates – 2004 und 2013 – die Verlegung von Stolpersteinen abgelehnt und stattdessen die Errichtung eines Mahnmals angeregt. Dieses sollte die Namen und die Lebensdaten der von den Nationalsozialisten im Dritten Reich ermordeten Menschen beinhalten. Für die Gestaltung sollten mehrere Künstler aus der Region angefragt werden. Außerdem sollte sogar eine Gedenktafel gestaltet werden, die künstlerisch mit dem Mahnmal korrespondiert und die von Hausbesitzern an ihren Häusern angebracht werden könne, in denen Juden oder andere Opfer des NS-Terrors gewohnt haben. Diese Anbringung solle ausschließlich freiwillig erfolgen. Der Antrag wurde im März 2014 von der Tagesordnung des Verwaltungsausschusses genommen, man wolle erst die Veröffentlichung der Stadtchronik abwarten, in der die Geschichte des Nationalsozialismus gründlich aufgearbeitet werden sollte.
- Aktueller Sachstand: Die Chronik ist im Oktober 2017 erschienen und im Juni diesen Jahres hat Oberbürgermeister Kubon Vertreter der Fraktionen, Vereinsmitglieder von Pro Stolperstein und kirchliche Vertreter zu einem runden Tisch eingeladen, um auszuloten, wie eine angemessene Form des Gedenkens in der Stadt aussehen könnte. In diesem Kreis ist laut SÜDKURIER-Informationen klar formuliert worden, dass alle Akteure zeitnah eine Entscheidung und eine konkrete Umsetzung eines Mahnmals wollen, in einem ersten Entwurf ist von Kosten von rund 300 000 Euro die Rede. Das Thema Stolpersteine wird nach wie vor kontrovers gesehen, so gibt es weiterhin im gleichen Maße Befürworter und Gegner.
- Tafeln mit Namen: Die Idee, Tafeln an den früheren Wohnhäusern ermordeter Opfer anzubringen, wird von den Teilnehmern des Runden Tisches ausdrücklich begrüßt. Dies könne aber nur freiwillig und auf private Initiative geschehen. Die Stadt will die Vorhaben unterstützen und eine Anschubfinanzierung für diese dezentralen Erinnerungsorte bereitstellen.
- Das sagt der Verein Pro Stolperstein: Der Vorsitzende, Friedrich Engelke, der auch bei dem Runden Tisch dabei war, drängt auf eine schnelle Umsetzung. Er erinnert daran, dass zwischen 1933 und 1945 allein in den beiden Kernorten etwa 200 Frauen, Kinder und Männer aus politischen und rassistischen Motiven, wegen ihrer sexuellen Orientierung, ihres Glaubens, ihrer unangepassten Lebensweise und aufgrund ihrer psychischen Erkrankungen oder Behinderungen verfolgt und ermordet wurden. "Diese Menschen gerieten in den Jahrzehnten nach Kriegsende in Vergessenheit, ihr Schicksal hatte keinen Platz im kollektiven Gedächtnis dieser Gemeinde", so Engelke. Er fragt kritisch nach, was seit dem Runden Tisch geschehen ist? Er befürchtet, dass die Idee des Gedenkens – egal in welcher Form – erneut versande oder ausgesessen wird. In diesem Zusammenhang erinnert er an die Oberbürgermeisterwahl im Oktober und die 2019 anstehende Gemeinderatswahl. Er hält dieses lange Warten für verhängnisvoll, so werde eine Debatte darüber verhindert, wie man in angemessener Weise an die vielen Toten erinnern kann, die unter dem Regime der Nationalsozialisten ermordet worden sind. Gerade in einer Zeit, in der die letzten Zeitzeugen sterben, wäre diese Debatte seiner Meinung nach nötiger denn je. "In einer Zeit, in der Populismus; Fremdenhass und Antisemitismus auch bei uns wieder Nährboden und den Weg in demokratische Gremien finden, muss über solche Themen geredet werden." Friedrich Engelke bekräftigt, dass der Verein Pro Stolperstein sich mit aller Macht einbringen würde – auch für ein Mahnmal. Voraussetzung wäre allerdings, dass die Opfer namentlich genannt werden. "Wenn diese Form der Personifizierung gegeben ist, würden wir die Löwenarbeit einbringen." Er sieht die Aktion Stolpersteine, für die der Verein ja steht, losgelöst von der Debatte um ein Mahnmal. Dem Verein geht es jetzt darum, nach so langer Zeit der Diskussion endlich eine würdige Form des Gedenkens zu finden.
- Das sagen die Fraktionen: Für Andreas Flöß von den Freien Wählern hält die Idee mit den Tafeln, die an Wohnhäusern der Opfer angebracht werden, für sehr demokratisch: "Das funktioniert nur, wenn der Eigentümer zustimmt." Ergänzend dazu könne er sich eine zentrale Stele oder ein Mahnmal vorstellen. Dies sei aber seine persönliche und nicht die Fraktionsmeinung. Flöß betont klar, dass er nach wie vor gegen Stolpersteine sei. Für Edgar Schurr von der SPD ist die "größtmöglichste Übereinstimmung" aller Beteiligten das Wichtigste. Es versande gar nichts: "Wir gehen hier mit größtmöglicher Sensibilität vor." Er beteuerte den Willen des Gemeinderates, für die Opfer des NS-Terrors eine würdige Erinnerung zu wollen. Wichtig sei eine sachliche Betrachtung des Themas. Nach Meinung von Edgar Schurr sei man dem Mahnmal "einen Schritt" näher gekommen. Renate Breuning (CDU) erklärt, dass es noch Abstimmungsbedarf gebe. Beim Runden Tisch habe es unterschiedliche Rückmeldungen gegeben. Sie habe in der Fraktion über den Runden Tisch berichtet und nach der Sommerpause werde das Thema in den gemeinderätlichen Gremien beraten.