Für Fußball hat sich Birgit Hoffmann nie wirklich interessiert. Das hat sich zwangsläufig geändert, als sie ihren Lebensmittelpunkt und Wohnsitz nach Glasgow verlegt hat. Die gebürtige Villingerin ist mit Stephan Dolan liiert. Der waschechte Glaswegian, so nennt man die Einwohner Glasgows, ist natürlich durch und durch fußballverrückt.

Viele Schotten reisen nach Deutschland

Ganz Schottland steht Kopf, weil es das Team geschafft hat, sich für die Europameisterschaft zu qualifizieren. Zahlreiche Schotten haben sich aufgemacht, ihr Team in Deutschland anzufeuern.

„Die Schotten lieben es, gemeinsam zu feiern und ein paar entspannte Tage zu haben, da passt die Fußball-EM natürlich perfekt“, erzählt Birgit Hoffmann. Die Schwester der Autorin dieses Artikels ist regelmäßig ein- oder zweimal im Jahr in Villingen bei ihrer Familie zu Besuch. Auch damit ihre 16-jährige Tochter Charlotte die Gelegenheit hat, Deutsch zu sprechen.

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Am liebsten im Pub

Wer daheim geblieben ist, der schaut am Freitag das Auftaktspiel beim Public Viewing mit Gleichgesinnten. Allerdings genießt das nicht so einen hohen Stellenwert wie in Deutschland, weiß Birgit Hoffmann. Am liebsten treffen sich die Schotten im Pub oder feiern in privatem Rahmen mit Freunden und Bekannten. „Aber jetzt bei der EM ist das schon etwas anderes, es gibt einige Fan-Zones in Glasgow, und viele sind auch schon ausverkauft.“

Nach einem geselligen Fußballspiel sitzen die Spieler natürlich anschließend bei einem Bier zusammen.
Nach einem geselligen Fußballspiel sitzen die Spieler natürlich anschließend bei einem Bier zusammen. | Bild: Stuart Platt

Wissenswertes zum schottischen Fußball

Familie mietet ein Haus bei Tübingen

Eine befreundete Familie von Birgit Hoffmann, die in Glasgow am City College unterrichtet, hat sich mit Sack und Pack aufgemacht, um alle Spiele in Deutschland anzuschauen. Gemeinsam mit einer anderen Familie habe man ein Haus bei Tübingen gemietet, um von dort aus zu den verschiedenen Spielorten zu fahren. Allein die Tickets haben laut Hoffmann mehrere hundert Pfund gekostet.

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„Aber für echte Fans ist das kein Hinderungsgrund“, sagt sie. Solche Anhänger werden Tartan Army genannt, das kommt von den Kilts mit Tartan-Muster, das sie meistens tragen. Die Fans gelten als völlig friedlich und brennen für ihre Mannschaft.

Das Eröffnungsspiel schaut sie in Hamburg an

Birgit Hoffmann ist am Freitag beim Eröffnungsspiel bei Freunden in Hamburg und wird natürlich dort das Spiel anschauen, während ihr Lebensgefährte Stephan Dolan zu Hause in Glasgow, mit Freunden im Pub sein wird, um die schottische Mannschaft anzufeuern.

Hoch im Kurs bei den Schotten ist natürlich deutsches Bier, wie hier ein Weihenstephan.
Hoch im Kurs bei den Schotten ist natürlich deutsches Bier, wie hier ein Weihenstephan. | Bild: Stuart Platt

Wer drückt dann wem die Daumen? Beim schottischen Fußballfan ist das klar, aber auch Birgit Hoffmann fiebert mit den Schotten. „Sie hätten es verdient, weiterzukommen“, meint sie.

Die Begeisterung in Schottland würde auf alle Fälle keine Grenzen kennen. Im Freundeskreis liegen die Prognosen weit auseinander: „Das reicht von unrealistischen 5:0 für die Schotten bis zu 3:1 für die Deutschen“, erzählt die 53-Jährige.

Die Euphorie ist außergewöhnlich

Die Villingerin schwärmt vor allem von der Euphorie und der ganz außergewöhnlichen Atmosphäre und Intensität, die bei Spielen von Celtic und den Glasgow Rangern in den Stadien herrscht. „Das muss man schon mal erlebt haben.“ Ihr Lebensgefährte ist allerdings eingefleischter Celtic-Fan und natürlich werden auch nur Spiele dieser Mannschaft besucht.

Die schottischen Fans sind als friedlich und sehr begeisterungsfähig bekannt, wie hier bei einem Spiel der Mannschaft gegen Finnland.
Die schottischen Fans sind als friedlich und sehr begeisterungsfähig bekannt, wie hier bei einem Spiel der Mannschaft gegen Finnland. | Bild: Steve Welsh, dpa

Statt Vereinen gibt es die Five-a-sides

Fußball ist in Schottland ein echter Volkssport, allerdings gibt es nicht die Vereinsstruktur wie in Deutschland. „Gefühlt spielt jeder Schotte Fußball“, erzählt Birgit Hoffmann. Die Schotten organisieren sich in Five-a-side Gruppen. Dabei treten jeweils fünf Spieler pro Mannschaft auf großen Fußballfeldern an, die von privaten Firmen betrieben werden und in verschiedene Courts aufgeteilt sind.

Die Gruppen organisieren sich komplett privat. „Diese Termine sind heilig, Stephan würde das nie ausfallen lassen, egal wie das Wetter ist.“ Zumal die Courts auch bezahlt werden müssen.

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Das ist allerdings nur für Erwachsene, die Jugendarbeit läuft über die Vereine, hier sind auch zunehmend Mädchen und Frauen am Ball: „Das hat stark zugenommen.“ Als Fans sind die schottischen Frauen ohnehin fast genauso begeistert dabei wie die Männer.

Vielfältiges gesellschaftliches Engagement

Neben den kostenpflichtigen Five-a-sides gibt es auch kommunale Fußballplätze, auf denen sich Gruppen meist sonntags treffen, um diese Plätze zu beleben und zu erhalten.

Es gibt viele Initiativen, die beispielsweise versuchen Flüchtlinge zu integrieren. Deshalb sind es oft buntgemischte Mannschaften, die dort ihrem Hobby frönen. Das gemeinschaftliche Engagement geht weit über den Fußball hinaus, so besucht die Gruppe auch mal ein Theaterstück oder beschäftigt sich mit Literatur.

Stephan Dolan ist nicht nur begeisterter Fußballfan, er macht auch leidenschaftlich gerne Musik. Hier gibt es eine Kostprobe.