Eine helle Tür, darauf eine Sonne, darunter der Schriftzug: Hospiz Via Luce. Via Luce – „Lichtweg“ heißt das ins Deutsche übersetzt.
Licht ist es auch, das die Besucher im Schwenninger Virchowweg empfängt. Hell gestrichene Wände und Möbel, Bilder an den Wänden, weihnachtliche Deko und glänzende Christbaumkugeln auf kleinen Tischchen. Aus einem Zimmer ist Lachen zu hören.

Im Hospiz, da wird doch gestorben, oder? Ja, das schon. Die Gäste, wie sie hier genannt werden – nicht: Patienten – verbringen hier den letzten Abschnitt ihres Lebensweges.
„Bei uns geht es aber vor allem um das Leben“, sagt Pflegedienstleiterin Mechtild Wohnhaas-Ziegler. Die gelernte Intensiv- und Anästhesiepflegerin kümmert sich seit der Eröffnung im Sommer 2009 im Hospiz Via Luce um die Gäste.
Hier liegt der Fokus auf dem Leben
Viele würden sich ein Hospiz schlimm vorstellen, sagt sie: Stille Räume, in denen nur geflüstert und auf leisen Sohlen geschlichen wird. „Doch wir legen den Fokus darauf, bis zuletzt ein gutes Leben zu führen“, sagt Mechtild Wohnhaas-Ziegler.

Das wird entsprechend zelebriert: „Mit Festen, gutem Essen – und wir lachen hier übrigens auch ganz viel“, sagt die Pflegedienstleiterin. Den Tod verdrängen, das tun sie hier nicht. „Wir dürfen ihn benennen, aber wir sprechen nicht ständig darüber.“
Wer das Leben zelebriert, feiert natürlich auch die Advents- und Weihnachtszeit. Mit einem selbst gekochten Weihnachtsmenü in festlich geschmückter Atmosphäre etwa, zu dem auch die Angehörigen eingeladen sind. Mit einem Adventskalender für die Gäste voller kleiner Überraschungen und mit einem Lichterfest mit Kerzenschein, Liedern und Gebäck in Anlehnung an das schwedische Luciafest. Lucia – die Lichtbringende.
Der Advent – eine ganz besondere Zeit
„Der Advent ist für uns immer eine ganz besondere Zeit“, sagt Mechtild Wohnhaas-Ziegler. Acht Gäste kann das Hospiz beherbergen.
In manchen Jahren saßen sie an Heiligabend mit sieben von acht Gästen rund um den Weihnachtsbaum im Gemeinschaftsraum. In anderen Jahren spielte sich das meiste in den Zimmern ab, weil die Gäste zu geschwächt waren. Der Bedarf an Palliativpflege ist immens, nie bleibt ein Zimmer leer.

„Auch für die Familien sind der Advent und Weihnachten oft eine belastende Zeit“, weiß die Pflegedienstleiterin. Die Gäste verbringen im Schnitt vier bis sechs Wochen im Hospiz. Manche sterben nach wenigen Minuten, manche nach Tagen. Und manche trotzen jeder Statistik.

Sibylle Bendel stellt die Terrassentür in ihrem Zimmer auf Kipp. „So ein schöner Tag, da lassen wir ein bisschen frische Luft hinein“, sagt sie. Draußen scheint die Sonne, vom Haus gegenüber schallt Popmusik aus einem Baustellenradio.
Die 64-Jährige geht zum Bett. „Heute bin ich nicht so fit. Ich lege mich ein bisschen hin, während wir reden.“ Über der Schulter trägt sie ein kleines Täschchen, das eine Medikamentenpumpe enthält.
Sibylle Bendel ist unheilbar an Brustkrebs erkrankt. Im Sommer 2023 hat sie die Diagnose erhalten. „Unheilbar – das war schon von Anfang an klar“, sagt sie mit fester Stimme.

Die Wände in ihrem Zimmer hängen voller Bilder, entstanden in unterschiedlichen Techniken bei der Kunsttherapie.

Auf dem Tisch in ihrem Zimmer liegen Schablonen, Schere, Klebstoff, daneben bunt glänzende Papierbögen, an der Wand hängen bunte Sternenketten. Sibylle Bendel hat in den vergangenen Wochen fleißig gebastelt. Die Sterne sollen zu Weihnachten nicht nur ihr Zimmer, sondern auch andere Räume im Hospiz schmücken.
Das Hospiz, das für Sibylle Bendel in den vergangenen zwölf Monaten zum Zuhause geworden ist. Der Ort, an dem sie sterben wird. Dennoch – oder vielleicht gerade deswegen: Sibylle Bendel freut sich auf Weihnachten.
Die Vorfreude ist geblieben
Auf das Festmenü, das dann im Via Luce serviert wird, auf das Beisammensein mit den anderen Gästen, deren Angehörigen und den Pflegekräften, die für sie wie eine Familie geworden sind. „Alle hier beeindrucken mich jeden Tag auf Neue wahnsinnig“, sagt sie.

Dem Hospiz-Team habe sie es letztlich zu verdanken, dass sie den von ihr gewählten Weg sehr bewusst gehen könne. Jener Weg, der eine bestmögliche Symptombekämpfung vorsieht – etwa gegen Schmerzen – , aber eben keine weiteren Bestrahlungen oder Chemotherapien.
Diese sollten Sibylle Bendels Leben eigentlich verlängern, als man den Brustkrebs im Sommer 2023 bei ihr feststellte. Ihre Lebensqualität haben die Therapien jedoch nicht verbessert, ganz im Gegenteil: „Mir ging es körperlich und psychisch wahnsinnig schlecht.“
Im Oktober 2023 fasst Sibylle Bendel deshalb einen Entschluss: Sie wird keine Behandlung mehr auf sich nehmen, um den Krebs noch ein bisschen länger in Schach zu halten.

Nach dieser Entscheidung wird sie zunächst auf die Palliativstation des Schwarzwald-Baar-Klinikums verlegt. Noch heute ist sie dankbar dafür, wie sie dort nach den kräftezehrenden Therapien versorgt und stabilisiert wurde.
Als klar ist, dass sie nicht mehr alleine nach Hause zurückkehren kann, folgt am 20. Dezember 2023 der Umzug ins Hospiz. „Nach einem Tag war ich hier zu Hause“, sagt sie. „Mein letztes Zuhause. Meine größte Angst war es, alleine zu sein.“
Alles kann, nichts muss
Alleine – das ist hier niemand. Alles kann, nichts muss. Wer Gesellschaft sucht, findet sie im Gemeinschaftsraum, bei der Kunsttherapie, im Gespräch mit Klinikseelsorger Uli Viereck, den ehrenamtlichen Helfern oder im Kontakt mit Begleithund Timy, der das Hospiz regelmäßig besucht. Wer allein sein möchte, muss sich aber auch nicht rechtfertigen.

„Manchmal entstehen auch kleine Freundschaften, oft unter Menschen, die sich im normalen Leben vermutlich nie getroffen hätten“, sagt Mechtild Wohnhaas-Ziegler.
Für die 62-Jährige selbst ist ihre Arbeit im Hospiz auch nach all den Jahren noch die berufliche Erfüllung. „Seit ich hier arbeite, habe ich das Gefühl, angekommen zu sein.“
Ein Gefühl, das auch Sibylle Bendel als Gast teilt. „Natürlich sitze ich nicht hier und denke: Super gelaufen“, sagt die 64-Jährige. Auch sie habe ihre dunklen Momente. Doch hier sind selbst diese ein kleines bisschen heller.