Ärzte und Apotheker verfügen bereits über eine Kammer, die zum Ziel hat, die Interessen der jeweiligen Berufsgruppe zu vertreten. Vor allem die Ärztekammer war während der Corona-Pandemie sehr präsent in Erscheinung getreten.

Nun soll eine solche Kammer auch für Pflegekräfte in Baden-Württemberg gegründet werden. Das Vorhaben gibt es schon länger, die endgültige Gründung steht Ende des Jahres bevor. Doch nicht alle blicken dieser mit Wohlwollen entgegen. Der SÜDKURIER sucht das Gespräch mit Heimleitern aus der Region.

Reiner Krummradt, Leiter des Altenheims Donauresidenz in Donaueschingen, hält nichts von den Plänen des Landes. Im Telefongespräch bringt er leidenschaftlich zum Ausdruck, für wie sinnfrei er die Gründung einer Kammer hält. Er wolle keine Körperschaft, die für ihn einer Gewerkschaft gleichkommt. „Wir haben ganz andere Probleme“, so Krummradt. Vor allem die Zugangsbeschränkungen für einen Beruf in der Pflege sollten endlich gelockert werden.

„Der Schuss wird nach hinten losgehen.“Reiner Krummradt, Heimleiter Donauresidenz in Donaueschingen
„Der Schuss wird nach hinten losgehen.“Reiner Krummradt, Heimleiter Donauresidenz in Donaueschingen | Bild: Manfred Beathalter

Einspruch erheben

Auf das Ziel der Kammer, den Berufsstand attraktiver zu machen, angesprochen, reagiert der Heimleiter empört. „Der Schuss wird nach hinten losgehen. Das denkt man sich wieder aus, ohne die Leute an der Basis zu fragen.“

Auch von der Pflicht-Mitgliedschaft, inklusive Beitrag, hält er nichts, er wird auf jeden Fall gegen diese Einspruch erheben. „Ich würde lieber 100 Euro an den Berufsverband zahlen, der hat auch wirklichen politischen Einfluss und kämpft für uns.“ Er sei seit 15 Jahren Mitglied bei eben diesem Verband.

Im Gespräch betont er, dass er nicht der Einzige mit dieser Ablehnungshaltung sei. So seien sowohl seine Mitarbeiter als auch Konkurrenten einer ähnlichen Meinung. An die Erreichung von 60 Prozent an Registrierungen glaubt er nicht: „Niemand will so etwas.“

Viel Zurückhaltung

Neben der Donauresidenz gibt es natürlich auch noch andere Heime oder Unternehmen, die von der Einrichtung einer solchen Kammer betroffen wären. Auf Anfrage wollen sich aber viele nicht dazu äußern. So wollen sowohl Michael Stöffelmaier, Vorstandsvorsitzender der regionalen Caritas, als auch Markus Bonserio, Heimleiter des St. Michael Altenpflegeheims, nichts zur Sache sagen.

Was die Gewerkschaft sagt

Kritik an der Einrichtung einer Pflegekammer kommt auch von der Gewerkschaft Verdi. Der Weg zur Pflegekammer sei für die Pflegekräfte nicht ganz fair, sagte der Landesfachbereichsleiter für Gesundheit und Soziales, Jakob Becker, im Januar.

„Wer ja sagt, muss nichts machen, wer nein sagt, muss begründet innerhalb von sechs Wochen Einwände vorbringen. Von einem demokratischen Quorum kann in diesem Verfahren keine Rede sein“, kritisierte Becker.

Gegründet wird die Kammer nur, wenn sie von einer Mehrheit der Pflegefachkräfte gewollt ist. Erheben mehr als 40 Prozent der Pflegekräfte im Land bis zum 23. Februar Einwände gegen die Einrichtung der Kammer, kommt sie nicht. Wer keine Einwände gegen die Kammer erhebt, stimmt im Umkehrschluss automatisch zu.

Seit 2016 auf dem Weg

Angefangen hat die Vorbereitung des Gesetzesentwurfs bereits 2016. Hier empfahl die sogenannte „Enquetekommision Pflege“ des Landtags die Errichtung einer Landespflegekammer. 2018 sprachen sich dann bei einer Befragung 68 Prozent der teilnehmenden Pflegekräfte für eine solche Kammer aus. Eine entsprechende Änderung des Heilberufe-Kammergesetzes wurde dann im Winter 2019 in die Wege geleitet.

Corona verzögerte den Gesetzgebungsprozess erheblich, nach der Pandemie kam es dann im Mai 2023 dazu, dass der Gründungsausschuss seine Arbeit aufnahm. Die Hauptaufgabe lag hierbei in der Vorbereitung der ersten Vertreterversammlung. Diese ist für Dezember dieses Jahres vorgesehen und markiert die Gründung einer Landespflegekammer.

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Mitgliedschaft verpflichtend

Die Landeskammer fußt auf Pflicht-Mitgliedschaften, so soll ein Vertretungsmandat für alle Pflegekräfte gegeben sein. Eine solche Pflicht der Mitgliedschaft besteht für alle dauerhaft in Baden-Württemberg arbeitenden Pflegekräfte. Eine freiwillige Mitgliedschaft ist auch möglich, etwa für Auszubildende oder Hochschuldozierende in dem Bereich.

Der Mitgliedsbeitrag, den die Pflegekräfte zahlen müssten, soll nach Gehalt gestaffelt sein und durchschnittlich zwischen fünf und neun Euro monatlich liegen. Dadurch, dass die Kammer ein unabhängiges Selbstverwaltungsorgan ist, muss sie sich selbst finanzieren und ist somit auf die Beiträge angewiesen.

Registrierungsverfahren

Nachdem Pflegefachkräfte vom Gründungsausschuss über ihre zukünftige Pflicht-Mitgliedschaft informiert werden, kann innerhalb von sechs Wochen Einspruch erhoben werden, die Betroffenen müssen dabei neben persönlichen Daten auch einen Grund für den Einspruch angeben.

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Demokratische Grundlage

Damit es schlussendlich zur Gründung der Kammer kommt, müssen 60 Prozent der Pflichtmitglieder registriert sein. Man will der Kammer damit eine starke, demokratisch legitimierte Grundlage verleihen. Sobald genug Registrierungen eingegangen sind, kommt es zur Wahl der ersten Vertreterversammlung. Die Kammer wäre dann gegründet.

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