Sie sind für einen Fußballer und einen Torwart nicht besonders beweglich, ja, fast schon ungelenk. Dem einen muss man auf den Kopf hauen, damit er aktiv wird, der andere lässt sich fallen, um den Ball aufzuhalten.

Im echten Leben würden die beiden ihr Spielerdasein wohl auf der Ersatzbank fristen, doch zum Glück müssen sie sich nicht in der Champions League, der Bundesliga oder demnächst bei der EM behaupten: Die Tipp-Kick-Figuren des gleichnamigen Erfolgsspiels aus Schwenningen haben eine große Fangemeinde. Und das bereits seit 100 Jahren.
Eine Idee, so einfach wie genial
Ein handliches, ausrollbares Spielfeld, je ein Spieler, je ein Torhüter, zwei Freunde müsst ihr sein: So einfach wie genial ist die Idee hinter dem Spiel.
Das hat ein gewisser Karl Mayer aus Stuttgart einst erfunden. Und Edwin Mieg aus Schwenningen kauft ihm das Spiel 1921 ab. Drei Jahre später hatte er Tipp-Kick zur Patentreife gebracht.
Die Figuren, anfangs noch aus Blech, ließ Mieg aus Blei gießen, wodurch sie nicht mehr mit fehlender Schwungmasse zu kämpfen hatten – der Tipp-Kick-Erfolg begann.
100 Jahre später sind die Figuren nicht mehr aus Blei, sondern aus Zinn gegossen, und Tipp-Kick ist immer noch in der Hand der Familie Mieg: Die Cousins Jochen und Mathias Mieg führen das Geschäft ihres Großvaters in dritter Generation weiter. Die vierte Generation steht bereits parat.
Mathias Miegs Sohn habe seine bisherige Stelle in Stuttgart gekündigt und werde ab 1. September in die Firma einsteigen. Bei Jochen Miegs Sohn, der momentan noch studiert, „sind die Tendenzen auf jeden Fall da“, sagt sein Vater.
Beiden Geschäftsführern ist es wichtig, dass ihre Söhne auch noch andere Erfahrungen machen. So, wie sie es auch selbst gemacht haben, bevor sie 1991 und 1996 ins Familienunternehmen Kick einstiegen.
„Falls mit der Firma mal etwas schief gehen sollte, findet man nur schwer etwa Neues, wenn man nie etwas anderes gesehen hat“, sagt Jochen Mieg.
Jubiläum und Europameisterschaft im selben Jahr
Das Tipp Kick-Jubiläum steht ganz im Zeichen der Fußball-EM, die ab 14. Juni in Deutschland ausgetragen wird. Am Wochenende davor wird das Jubiläum in der Neckarhalle gefeiert – und nicht nur das: Die offene Deutsche Meisterschaft im Tipp-Kick wird hier ebenfalls ausgetragen.
Zum Jubiläum darf eine Jubiläumsausgabe des Spiels natürlich nicht fehlen. Sie erscheint erstmals als Lizenzprodukt des Deutschen Fußballbundes (DFB) und trägt dessen Logo auf dem Spielfeld, dazu die Spieler im Heim- und Auswärtstrikot.
Das Sommermärchen brachte Rekordumsätze
In Nürnberg werden die Miegs das Jubiläumsspiel auf der weltgrößten Spielwarenmesse präsentieren. Durch die EM erhoffen sie sich einen Schub für das Unternehmen – wie ihn eigentlich jedes fußballerische Großereignis mit sich bringt. Vor allem das Sommermärchen 2006, als Deutschland Gastgeber der Weltmeisterschaft war, bescherte dem Schwenninger Kleinunternehmen Verkaufsrekorde.
Auch als Werbegeschenke sind die kleineren Tipp Kick-Versionen, bei denen nur auf eine Torwand gekickt wird, beliebt – vor allem in EM- und WM-Jahren. Die Stadt VS beispielsweise hat im Januar auf der Tourismusmesse CMT in Stuttgart Torwandspiele mit dem städtischem Logo verteilt.
Politik macht auch vor Tipp-Kick nicht Halt
Längst hat das Spiel – so wie auch der echte Fußball – auch eine politische Dimension. Bei den Weltmeisterschaften in Katar 2022 und in Russland 2018 beispielsweise sei die Nachfrage nach Tipp-Kick-Werbegeschenken deutlich zurückgegangen, sagt Jochen Mieg.
Mit einer Weltmeisterschaft in einem menschenrechtlich und politisch umstrittenen Gastgeberland möchte niemand in Verbindung gebracht werden – auch nicht in Form eines Werbegeschenks.
Produziert wird ein Großteil der Figuren schon seit rund 30 Jahren in China. Dieser Schritt hat Tipp-Kick einerseits den Weg für Aufträge in größeren Dimensionen geebnet. Andererseits trägt man damit auch dem sich wandelnden Markt Rechnung.

„Früher haben wir unsere Jahresaufträge auf der Nürnberger Spielwarenmesse generiert“, sagt Mathias Mieg. „Jetzt bestellt der Handel, wenn im Herbst die Regale leer sind.“
Die Produktion großer Mengen in kurzer Zeit sei in der kleinen Gießerei in Schwenningen nicht mehr möglich gewesen. Hier konzentriert man sich nun auf die Kleinauflagen, die nach wie vor von zehn Heimarbeitern von Hand bemalt werden.
Schon früh haben die Miegs auf den Onlinehandel gesetzt, betreiben beim Versandriesen Amazon einen eigenen Shop. Ausschlaggebend war damals der Anruf eines Tipp-Kick-Fans aus Hamburg, der eine bestimmte Figur suchte, erinnert sich Jochen Mieg.
Was den Onlinehandel angeht, sind die Cousins hin- und hergerissen. Einerseits sind da die aussterbenden Innenstädte, in denen reine Spielwarengeschäfte heute schon fast Exoten sind. Ein Umstand, den beide sehr bedauern.
Ein Nischenprodukt erobert neue Märkte
Für die großen Handelsriesen auf der grünen Wiese wiederum „sind wir zu sehr Nischenprodukt“ – deshalb das Engagement im Onlinehandel. „Wir hätten niemals gedacht, dass das so gut läuft“, sagt Mathias Mieg.
Mittlerweile habe man Kunden aus Märkten, in denen Tipp-Kick zuvor gar nicht vertreten war – Frankreich etwa, Spanien, Italien und England.

Erst neulich sei die Mail eines Tipp-Kick-Fans aus Portugal gekommen, sagt Mathias Mieg: Ob es nicht möglich sei, Figuren in den Trikotfarben von Sporting Lissabon zu produzieren.
Prinzipell ja – bei einer gewissen Abnahmemenge und wenn die Figuren nicht die exakt gleichen Trikots wie die echten Mannschaften tragen, es sei denn, es handelt sich um ein Lizenzprodukt – so wie in diesem Jahr das Jubiläumsspiel.