Wer im normalen Supermarkt einkauft, kommt nicht nur mit Lebensmitteln, sondern auch mit viel Plastikmüll nach Hause. Salat in Folie, Nudeln im Plastikbeutel, Joghurt im Becher. Der Gedanke liegt nah, Nahrungsmittel wenn möglich hüllenlos kaufen – beispielsweise im Unverpackt-Laden.
Viele Unverpackt-Läden gaben 2022 auf
Diese Branche erlebt allerdings gerade ihre erste Krise: Nach Angaben des Bundesverbandes der Unverpackt-Läden gab es in Deutschland nie mehr Unverpackt-Geschäfte als Anfang 2022, nämlich 337. Zugleich haben nie so viele aufgegeben wie im Jahr 2022: Zum 1. Januar 2023 gab es bundesweit nur noch 286 Läden. Kann unverpackt einpacken?

Einer davon ist der von Silke Lopes in der Oberen Straße in Villingen. Im Mai 2020, mitten in der Corona-Krise, eröffnete die heute 42-Jährige ihren Laden mit Namen „Fußabdruck“. Mitfinanziert durch Förderer und künftige Kunden: Bei einer Crowdfunding-Kampagne im Internet kamen innerhalb weniger Tage fast 15.000 Euro zusammen.
Unverpackt-Läden: Weniger Laufkundschaft, weniger Neukunden
Wie geht es dem ersten und bisher einzigen Unverpackt-Laden des Oberzentrums heute, inmitten der Branchenkrise? Silke Lopes klagt nicht über drastische Einbußen, doch eine steigende Kundenzahl verzeichnet sie auch nicht. Die Pandemie und die Lockdowns haben dazu ihren Teil beigetragen: Weniger Laufkundschaft bedeutet weniger neue potenzielle Stammkunden. Und die brauche es. „Viele entdecken uns erst jetzt“, schildert Silke Lopes. „Ich höre oft: Was, euch gibt es schon drei Jahre!“

Die Pandemie habe eine lange Durststrecke bedeutet – einerseits. Andererseits: „Ich hatte gerade erst angefangen und hatte noch keine Angestellten, die ich bezahlen musste. Andere, die es schon länger gab, hatten da mehr Probleme. Man entlässt seine Leute ja nicht auch einfach.“
„Gestiegene Lebensmittelpreise sind Gift für diejenigen, die tendenziell etwas teurer sind.“Silke Lopes, Inhaberin des Unverpackt-Ladens
Die Stammkunden seien dem Geschäft weiterhin treu, doch Inflation und steigende Preise würden potenzielle Neukunden abschrecken. „Gestiegene Lebensmittelpreise sind Gift für diejenigen, die tendenziell etwas teurer sind“, sagt sie. „Wenn ständig durch die Nachrichten geht, dass sogar die Discounter die Preise erhöhen, glauben viele, dass sie sich uns gar nicht leisten können.“
Neue Ideen erwünscht – auch von den Kunden
Das Sortiment auf günstiger und ohne Bio umstellen, sei keine Option. „Damit würden wir an unserem eigenen Ast sägen.“ Silke Lopes will einen anderen, einen sozusagen basisdemokratischen Weg gehen: Am Donnerstag, 15. Juni, lädt sie um 19 Uhr ins Martin-Luther-Haus in Villingen ein. An diesem Abend sollen Impulse von Kunden über das künftige Sortiment und Konzept des Unverpackt-Ladens gesammelt werden. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
Ein Bekannter habe ihr schon vorgeschlagen, im Schaufenster einen Preisvergleich zwischen Supermarktprodukten und ihren Waren zu präsentieren. Um zu zeigen, dass die Unterschiede nicht so groß sind, wie manch einer glaubt. Silke Lopes hat abgewunken. „Ich will nicht über den Preis verkaufen. Ich möchte, dass wir in 30 Jahren noch Insekten auf unserem Planeten haben und dass unsere Meere nicht länger voll mit Müllbergen sind.“

Auch Supermärkte bekommen die Krise der Unverpackt-Branche zu spüren. Edeka-Betreiber Ulrich Haas aus St. Georgen etwa hat seine Unverpackt-Theke von drei auf zwei Meter verkürzt. „Corona hat uns extrem zurückgeworfen“, sagt er.
Strikte Auflagen in der Pandemie
Kurz vor Beginn der Pandemie wurde die Unverpackt-Station in Betrieb genommen und sei auch gut angenommen worden. Dann kam die Pandemie und mit ihr strikte Auflagen, teils habe man die Station schließen müssen. Davon habe sich das Angebot nicht mehr erholt. Er vermutet, dass der Faktor Zeit so manchen davon abhält, an der Unverpackt-Theke abzufüllen: Abfüllen, wiegen – das kostet logischerweise mehr Zeit, als eine Packung Reis in den Einkaufswagen zu werfen.
Mehrweggläser für mehr Spontaneität
Bei einer Sortimentsanalyse hat Ulrich Haas herausgefiltert, was bleiben darf und was gehen muss. Kaffee beispielsweise. „Der lief gar nicht.“ Bei Reis und Nudeln hingegen sei die Nachfrage groß. Haas will demnächst auch Mehrweggläser anbieten. Bislang müssen die Kunden noch in eigene Verpackungen abfüllen, was spontane Unverpackt-Einkäufe unmöglich macht.

Zeit sei beim Einkaufen ein wichtiger Faktor, sagt auch Iris Hasenfratz, die in Löffingen den Bioladen Bio-Ecke betreibt – inklusive Unverpackt-Station für Lebens- und Reinigungsmittel. „Wer in nur 30 Minuten Mittagspause auch noch den Einkauf erledigen muss – für den ist das natürlich schwer.“
Oft bestimmt der Faktor Zeit den Einkauf
Hinzu komme, dass die großen Discounter mittlerweile mit Bio-Produkten im Sortiment nachgezogen hätten. Wer dann noch lange arbeiten müsse, fahre ohnehin zum klassischen Supermarkt. Die Bio-Ecke habe ihre Öffnungszeiten schon seit der Pandemie auf 18 Uhr reduziert. „Wenn im Städtle nichts mehr los ist, lohnt es sich einfach nicht, länger zu öffnen“, sagt die Inhaberin.
Beim Unverpackt-Sortiment versucht Iris Hasenfratz nach Möglichkeit, auf Kundenwünsche einzugehen. „Wir haben immer das da, was auch nachgefragt wird“, sagt sie. Vor allem Getreidesorten und Trockenfrüchte seien beliebt, ebenso wie nachfüllbare Wasch- und Reinigungsmittel. „Für dieses Angebot sind die Leute sehr dankbar, denn es spart auch Geld.“
Unverpackt geht auch beim Metzger
Der Wunsch vieler Kunden nach unverpackten Nahrungsmitteln endet nicht bei Trockenprodukten wie Nudeln und Nüssen. Auch beim Metzger ist die Verpackung für Fleisch und Wurst – zumeist eine beschichtete Folie, umhüllt von einer Plastiktüte – keine Pflicht.

„Der Aufwand ist höher, aber wir bieten diese Möglichkeit schon seit zwei Jahren. Vorher durften wir das ja gar nicht“, sagt Werner Schmidt, Inhaber der Metzgerei Haller. In der Praxis sieht das so aus: Die Mitarbeiterinnen reichen dem Kunden ein Tablett über die Theke, auf das dieser seinen mitgebrachtes Behälter stellt. Gefüllt und gewogen wird es anschließend wieder auf dem Tablett zurückgereicht. Wer so einkauft, tut das regelmäßig, sagt Schmidt. „Aber es werden nicht unbedingt mehr.“