Das eigene Hotel war schon immer der Traum von Peter Rausch. Deshalb verabschiedet er sich nach seinem Abitur am Fürstenberg-Gymnasium auch aus der Donaustadt und bricht auf, um ihn zu verfolgen. Er erreicht ihn schließlich auch. Was daraus dann wurde, damit hat auch Rausch nicht gerechnet. Er erfährt Anfeindungen, von Lokalpolitikern und von Nazis. Warum? "Ich bin der erste, der in der braunsten Ecke Deutschlands ein Hotel in ein Flüchtlingswohnheim umgewidmet hat", sagt Rausch.
Hotels in der ganzen Welt
Rausch lernt im Hilton Hotelkaufmann, verbringt sieben Jahre in London, lebt in Jordanien und Syrien. Große Adressen pflastern seine Wegstrecke: Sheraton, Mövenpick, das Tower Hotel in Großbritanniens Hauptstadt. Schließlich bietet sich die Gelegenheit: Über Freunde hört er von einem Hotel, das für eine Bank saniert werden soll und schließlich gekauft werden kann. Es befindet sich in Bautzen, im Bundesland Sachsen. "Es hatte 80 Zimmer. Es war nicht unbedingt die große Liebe, aber es war schließlich mein eigenes Hotel", sagt Rausch, der seit 2017 wieder in Donaueschingen lebt.

Eine Immobilie in Bautzen
Die Immobilie wurde in den 1990er-Jahren gebaut und lag brach. Sie befindet sich am falschen Platz, um Erfolg zu haben, sagt Rausch. Eine Erkenntnis, die er jetzt hat. Mehr schlecht als recht schafft er es, den Betrieb 15 Jahre am Laufen zu halten. Schließlich steht er vor dem Bankrott. Doch dann kommen die Flüchtlinge.
Flüchtlingsunterkunft wird gebraucht
2013 wird in Bautzen dringend nach einer möglichen Unterkunft für Flüchtlinge gesucht. Und Rausch hat eine Idee: "Warum nicht aus dem Hotel ein Flüchtlingswohnheim machen?" Im Oktober steht Rausch mit dem Finanzbürgermeister von Bautzen beim Rauchen. "Mit der Idee habe ich offene Türen eingerannt", sagt der Donaueschinger. Der Kontakt zum Landkreis Bautzen wird hergestellt, er ist verantwortlich für die Unterbringung der Flüchtlinge: "Die fanden auch gut, dass ich mit dem Hotel schnell einsatzbereit sein konnte. Vier Monate, um das Hotel abzuwickeln, die Infrastruktur ist ja vorhanden."
Es regt sich Widerstand
Doch so einfach wird es nicht: "Plötzlich gab es seitens der Stadt immens großen Widerstand. Man verwies darauf, dass das Hotel sich laut Bebauungsplan in einem Naherholungsgebiet befinde." Touristen sind möglich, Flüchtlinge nicht. Im April 2014 ist das Projekt tot. Dann wird der Landkreis kreativ, der dringend Platz benötigt. "Die fühlten sich von der Stadt auch ans Schienbein getreten", erinnert sich Rausch. Die Lösung: Der Kreis mietet 75 Prozent der Zimmer für die Flüchtlinge, der Rest läuft über den freien Markt. Ein Schlupfloch.
Mit den Flüchtlingen kommen die Nazis
Am 14. Juli 2014 kommen die Flüchtlinge. Und mit ihnen die Nazis vor dem Hotel. "Wenn Gäste kamen, wurden sie von der Polizei durch die Nazigruppen geleitet." In drei Geschäften in Bautzen wird Rausch erklärt, er solle sie nicht mehr betreten. "Schlecht fürs Image." Rausch erhält Morddrohungen. "Natürlich bestand die erste Flüchtlingsgruppe aus 40 tunesischen Testosteron-Jungs. Es gab natürlich Ärger", erklärt Rausch. In einem Streit habe einer davon eine Bierflasche benutzt, um einen Kontrahenten K.O. zu schlagen. Wasser auf die Mühlen.
Molotow-Cocktails fliegen
Schließlich landen eines Abends fünf Molotow-Cocktails vor Rauschs Tür. Niemand wird verletzt, der Anschlag relativiert. "Ich bekam dann zu hören: Es sei doch nichts passiert, so schlimm sei es ja nicht", sagt Rausch. Er ergänzt: "Ich habe davon keinen psychischen Knacks bekommen, aber zu sagen, es sei nichts passiert?" 2016 brennt der Husarenhof in Bautzen. Auch hier ist eine Flüchtlingsunterkunft geplant. Daneben stehen Leute und applaudieren.
Menschen helfen macht Spaß
Von den schlimmen Anfeindungen abgesehen, entdeckt Rausch in der Arbeit mit den Flüchtlingen jedoch, dass ihm das liegt. "In den drei Jahren habe ich gemerkt, dass ich jahrelang das Falsche gemacht habe." Er habe nie einen Hehl daraus gemacht, damit auch Geld zu verdienen, aber es habe ihm Spaß gemacht, sich für Menschen einzusetzen. Nach etwa drei Jahren ist Schluss. Es gibt keinen Bedarf mehr, der Vertrag mit dem Landkreis wird nicht verlängert.
Rückkehr in die Heimat
Rausch bricht schließlich seine Zelte in Bautzen ab, kehrt im Dezember 2017 zurück in die Heimat. Er erkundigt sich auch in Donaueschingen, ob er hier den Flüchtlingen irgendwie helfen kann. "Ich kann nicht sagen, dass es perfekt läuft, aber zwischen Bautzen und Donaueschingen liegt ein Unterschied wie Tag und Nacht", so Rausch. Hier versuche man, das Beste aus der Situation zu machen. Eine Einstellung, die Gold wert sei. In Bautzen überwiege hingegen die Angst vor dem Fremden. "Das ist der zweitgrößte Landkreis Sachsens. Auf rund 300 000 Einwohner kamen 1900 Flüchtlinge." Zum Vergleich: In Spitzenzeiten wurden allein in Donaueschingen knapp 3000 Flüchtlinge untergebracht. "Das hätte in Bautzen für einen Bürgerkrieg gesorgt."
Und jetzt?
Das Spree-Hotel ist mittlerweile überwuchert. Gestrüpp wächst, wo früher Menschen ein und aus gingen. Rausch liest noch regelmäßig die Sächsische Zeitung. "Was dort abgeht, ist hanebüchen. Die zerlegen sich selbst." Das Schreckgespenst, die Flüchtlinge würde den Leuten dort etwas wegnehmen, geistere immer noch umher. "Dabei altert die Gesellschaft und die Menschen ziehen von dort weg. In etwa 17 Jahren haben sie 13 000 Einwohner verloren."
Zurück nach Süddeutschland. Das Leben läuft für Peter Rausch nun in ruhigeren Bahnen. Kein Hotel mehr, keine Gäste. Dafür Kunden. Im kleinen Souvenirgeschäft in den Arkaden verkauft er Schwarzwald und Donaueschingen an Touristen. Wie er sagt: Eine dankbare Aufgabe.