Fasnacht ist vorbei, und im Nachklang hat sich Johannes Waldschütz, Leiter des Stockacher Stadtmuseums und -archivs, in einem Vortrag der Geschichte der Fasnacht gewidmet. „Nur wer sich verändert, bleibt sich treu“, lautet der Titel des Abends, der in Zusammenarbeit mit dem Hegau-Geschichtsverein, dessen Arbeitskreis Landeskunde, und der VHS Landkreis Konstanz stattfand. Unter den wenigen Besuchern im Alten Forstamt war auch der ehemalige Stockacher Narrenrichter Karl Bosch, sowie Kurt Elsner, der sich im Laufe des Vortrags plötzlich auf einem alten Fasnachts-Foto wiederfand, auf dem er als Superman durch die Lüfte fliegt.

Es ging Waldschütz vor allem darum zu zeigen, dass sich die Narretei stets und durch die Jahrhunderte nur darum treu bleiben konnte, weil sie sich änderte oder der jeweiligen Zeit und den mit ihr einhergehenden gesellschaftlichen, politischen oder weiteren Einflüssen anpasste. „Immer wieder hört man ja den Satz „Das war schon immer so“, der immer dann verwendet wird, wenn man ein Vorgehen entschuldigen oder erklären möchte“, sagte Waldschütz. Gerne sagt dies aber auch derjenige, der keine Veränderung möchte, weder allgemein, noch, oder besonders nicht, bei sich selbst.

Aufgrund der Masse an Informationen warf Waldschütz Schlaglichter auf bestimmte Themen, welche Veränderungen die Stockacher Fasnacht durchlaufen hat. Er erklärte den Anwesenden, dass seine Ausführungen lediglich eine Art Werkstatt-Charakter haben können. Denn um der Hunderten von Quellen aus dem Archiv des Narrengerichts, die ab 1825 datieren, Herr zu werden und Informationen zu untersuchen, seien wohl Jahre auch akribische Kleinstarbeit notwendig. Gustav Hammer, einst Stockacher Archivar, hatte selbst jahrelang Informationen gesammelt und gebunden: Von ihm stammen die Quellen aus dem 19. Jahrhundert. Die Dokumente umfassen zum Beispiel Bilder, Zeitungsausschnitte, Rechnungen, Protokolle, Abläufe, Fasnachtsfahrpläne, Sketche, Liedhefte und vieles mehr.

In Stockach und seinen Ortsteilen jedenfalls war die Fasnacht durch die Jahrhunderte etlichen Veränderungen unterworfen. Alleine das Wort Fasnacht – mal mit t, mal ohne geschrieben. Auch hieß das bunte Treiben nicht immer nur Fasnacht, sondern auch gerne mal Fasching oder auch Karneval, und es gab sogar einmal einen Karnevalsprinzen (1887). Der Narrenrichter wurde hin und wieder einfach als Narrenvater bezeichnet, das Stockacher Hänsele gab es erst seit um 1900, zumindest findet es da zum ersten Mal Erwähnung in der Presse. Schnurren und Hemdglonker sind eher Traditionen jüngeren Ursprungs.
Und auch ein Narrengericht fand mal statt, mal aber auch nicht. Aber stattdessen gab es hin und wieder Zirkusaufführungen oder Theaterstücke, deren Ankündigungen in heutiger Zeit skurril und diskrimierend klingen. So heißt es auf einem Fastnacht-Verkündzettel von 1826: „Es wird anmit von Seite des grobgünstigen Narrengerichts dahier bekannt gemacht: dass heute Nachmittag um 3 Uhr die königliche Prinzessin von Asturieren mit ihrem geduldigen Hofmeister Herre von Saufus, nebst ihren Hoflakaien dahier erscheinen, und durchreisen werden. (...) Am künftigen Fastnachtmontag wird der Jud im Faß, so wie auch die einfältigen Schazgraber aufgeführt, welch leztere von einer Kompanie irreguliertem Militär eingefangen, und nach Befund ihrer Dummheit bestraft werden sollen.“ Das Einzige, das sich kontinuierlich und durch die Jahrhunderte zieht, ist der Narrenbaum, der 1791 erstmals erwähnt wurde.
Etwas, das sich im Laufe der Zeit noch stark verändert hat, ist die Rolle der Frauen innerhalb der Stockacher Fasnacht, die ja auch heute noch immer keine Ämter innerhalb des Narrengerichts innehaben. In den Quellen findet man seltsame Redensarten, die heute nimmer mehr Verwendung finden dürften. So zum Beispiel diesen Auszug aus einem Verhör des Grobgünstigen Narrengerichts gegen einen gewissen Tadäus Auer vulgo Keißer Thadele von 1818: „Pro Primo nachdem Thadä Auer fulgo Keißer Thadele seine liebe Ehegattin an einem Morgen nicht guten Humors antraff, indem sie nach Gewohnheit der Weiber ein Krankheit ferspielen wollte und selbe bis 10 oder 11 Uhr Nachmittag ausdünsten und ausschwitzen.“ Frauen, die sich eigentlich auch heute noch nicht in das Narrenbuch eintragen dürfen, taten dies in früheren Zeiten manchmal. Im 19. Jahrhundert gab es sogar Frauen, die zu Freinärrinnen geschlagen wurden. Und man denke nur an jene willensstarken Stockacher Frauen, die quasi durch einen Sex-Streik die Entstehung einer ersten Frauengruppe, die der Alt-Stockacherinnen, erkämpft haben sollen.