Da staunten die Mitarbeiter des Singener Wertstoffhofes nicht schlecht, was sie kürzlich im Müll fanden: eine 40 Zentimeter lange und 15 Zentimeter breite Patrone für ein Flugabwehrgeschoss. Eyyup Kabak ist der Mitarbeiter, der das Geschoss aus dem Müll gefischt hat. „Am Anfang dachte ich wirklich, dass das eine echte Bombe ist“, berichtet er von dem Schreckmoment. Er sei zwar ruhig geblieben, aber mulmig sei ihm schon gewesen. Die Munition habe der Fahrer eines Kleintransporters zusammen mit anderem Sperrmüll angeliefert. Bei der Sortierung sei ihm die Kriegsmunition schließlich aufgefallen.

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Und sein Gefühl sollte sich bewahrheiten. Da war etwas ganz faul und dieses Mal ist nicht die Rede von Biomüll. Der Kampfmittelbeseitigungsdienst entsorgte die Munition. Doch die eigentliche Überraschung folgte erst bei der genaueren Untersuchung: Die Patrone selbst war laut Seidel nicht scharf. Und im Inneren befand sich: Reis. „Keine Ahnung, wie der dahin gekommen ist“, sagt Vorarbeiter Roland Seidel.

Eine zweite Flak-Patrone

War der Fund der Flak-Munition ein Einzelfall? Auf diese Frage muss Roland Seidel kurz schmunzeln. „Sie werden es nicht glauben, aber wir haben erst vor Kurzem noch eine weitere Flak-Patrone gefunden“, berichtet er. Auch sie wurde vom Kampfmittelbeseitigungsdienst in Gewahrsam genommen. Ob es sich dabei um eine scharfe Patrone gehandelt habe, wisse Seidel aktuell noch nicht. „Die Polizei ermittelt gerade“, sagt er.

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Auch die Mitarbeiter des Werkstoffhofes haben zu den Ermittlungsarbeiten beigetragen und der Polizei ein Bild des Entsorgers und seines Kennzeichens zu geschickt. „Uns kam das komisch vor, dass der Mann einen schwarzen Fahrradkorb ganz vorsichtig in den Container hat fallen, fast gleiten, lassen“, so Seidel weiter. Denn Vorsicht ist bei der Entsorgung von Müll eigentlich nicht an der Tagesordnung.

Eigentlich steht alles da, dennoch hält sich nicht jeder an die Anweisungen. Das macht das Arbeiten der Mitarbeiter des Wertstoffhofes ...
Eigentlich steht alles da, dennoch hält sich nicht jeder an die Anweisungen. Das macht das Arbeiten der Mitarbeiter des Wertstoffhofes schwierig. | Bild: Matthias Güntert

Überhaupt sind kuriose und seltsame Funde im Müll der Singener keine Seltenheit, wie Roland Seidel, Eyyup Kabak und Pascal Casagrande erzählen. Von Gewehrpatronen über eine Handgranate und giftige Flüssigkeiten, die einfach eines Morgens vor den Toren des Wertstoffhofes standen, ist eigentlich alles dabei. „Was die Leute alles wegwerfen, ist manchmal einfach nur ein Wahnsinn“, betont Pascal Casagrande. Roland Seidel gibt sich gelassen. Er verstehe, dass die Bürger ihren Müll loswerden wollen. „Aber es geht eben nicht immer alles“, sagt er. Dann fügt er mit einem Lachen hinzu: „Aber Leichen hatten wir zum Glück noch keine im Müll.“

Drei Tonnen Sperrmüll pro Tag

Seit Beginn der Pandemie herrscht auf dem Singener Wertstoffhof Dauerbetrieb. Drei Tonne Sperrmüll am Tag, ein ganzer Container voll mit Holz und pro Öffnungstag eine ganze Tonne Papier – laut Roland Seidel hat die Menge an Müll seit Ausbruch des Coronavirus erheblich zugenommen. „Die Leute sind mehr daheim, produzieren mehr Müll und räumen auf“, nennt er die Gründe hierfür. Die Autoschlange vor dem Wertstoffhof erstrecke sich oftmals bis zur Pfaffenhäule. „Wir haben eigentlich von Öffnung bis Schließung immer Autos, die vor der Einfahrt warten“, so Seidel.

Zwei Schreckmomente: In einem dieser Container wurde die beiden Flak-Munitionen vor kurzem auf dem Wertstoffhof in Singen gefunden.
Zwei Schreckmomente: In einem dieser Container wurde die beiden Flak-Munitionen vor kurzem auf dem Wertstoffhof in Singen gefunden. | Bild: Matthias Güntert

Viel Müll bedeutet für die Mitarbeiter des Wertstoffhofes auch viel Arbeit. Dabei spricht Roland Seidel nicht von der Entsorgung allein. „Nur bei 20 Prozent der Kunden können wir uns darauf verlassen, dass sie ihren Müll zu 100 Prozent richtig entsorgen“, kritisiert er. Ohne Aufklärungsgespräche und manchmal auch Zurechtweisungen würde es nicht gehen. Ein Beispiel: Sperrmüll ist nicht gleich Restmüll. „Sperrmüll ist alles, was nicht in die kleinste Tonne, also die Restmülltonne, passt“, verdeutlicht Seidel.

Ob die Singener Bürger mehr Aufklärung in Sachen Müll bräuchten? Eigentlich nicht, ist sich Seidel sicher: „Wir haben unseren Umweltkalender, da steht alles drin. Aber den schauen wohl nicht alle an.“ Auch dass nur Singener ihren Müll auf dem Singener Wertstoffhof entsorgen dürfen, müssen die Mitarbeiter mehrmals am Tag erklären. „Wir haben täglich etwa fünf bis sechs Versuche von Bürgern aus umliegenden Gemeinden, die bei uns ihren Müll abgeben wollen“, sagt Seidel.

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Bei einer Sache verstehen Roland Seidel und seine Kollegen aber überhaupt keinen Spaß: wildem Müll. Dessen Entsorgung habe in den vergangenen Jahren in Singen enorm zugenommen. Jeden Freitag seien Mitarbeiter der Stadt aktuell unterwegs, um wilden Müll einzusammeln. „Ich verstehe das einfach nicht: Die Leute fahren lieber tief in den Wald und kippen ihren Müll dort ab, als ihn zu uns zu bringen“, kritisiert er und ergänzt: „Wir nehmen doch fast alles.“ Ein Problem an diesem Umstand sei, dass man die Entsorger von wildem Müll kaum auf frischer Tat ertappen könne. Auch die Strafen fallen für den Entsorgungsprofi Roland Seidel zu gering aus. „Genau dieser Umstand macht das Ahnden so schwierig“, sagt er. Seidel wünsche sich vor allem härtere Strafen für diese Umweltsünder.