Da steht ein Bett im Schaufenster. Aber was da zu sehen ist, ist kein Bettengeschäft, sondern die neue Ausstellung im Singener Kunstmuseum über „Junge Malerei aus Süddeutschland und der Deutschschweiz“. Das Bett zeigt, dass Malerei in diesem Fall ganz neu interpretiert wird. Jan-Hendrik Pelz hat sein nacktes Selbstportrait in dieses Bettgestell gemalt. Was anmutet wie eine Matratze, ist in Wirklichkeit eine Leinwand.

Ganz ähnlich täuschend verhält es sich mit einer Werkbank-Kombination von Stefan Bircheneder im Museum zu Allerheiligen (MzA). Der Leiter des Singener Kunstmuseums spricht von Augen-Täuschern. Gemeinsam mit dem Kurator für Gegenwartskunst im MzA, Julian Denzler, hat er die Ausstellung „Ohne Titel“ konzipiert, die Grenzen sprengen will. Nicht ohne Schalk haben die beiden Kuratoren diesen Titel gewählt. Sie wollen die Betrachter nicht lenken, wollen ihre Sicht nicht einschränken, sondern wollen sie auf Entdeckungsreise in die Malerei der Gegenwart schicken. Einziger Anhaltspunkt in dieser Schau ist der regionale Bezug der Künstler aus Süddeutschland und der Deutschschweiz. Wie diese sich malerisch mit der Gegenwart auseinandersetzen, lässt aufhorchen.
Den Kulturraum stärken und den Austausch zwischen Künstlern und Publikum fördern, das sei das Anliegen dieser Doppelausstellung, erklärt Katharina Epprecht. „Das bisher größte Kooperationsprojekt ist für uns ein Novum“, sagt die MzA-Direktorin. Zusammen mit dem Partnermuseum in Singen wolle man über die Landesgrenze hinweg den natürlichen Radius des Kunstraums auszuleuchten. „Die junge Malerei erweitert unser Spektrum an zeitgenössischer Kunst“, so Epprecht. Das Ergebnis ist überraschend, das Potenzial gewaltig.

Christoph Bauer und Julian Denzler hatten im kollegialen Austausch festgestellt, wie die totgeglaubte Malerei in Galerien und Ausstellungen plötzlich wieder präsent wurde. Selbstbewusst, unbefangen, strahlend, ohne Festlegung auf das Genre kommt sie daher. „Aus der Beobachtung entstand die spielerische Idee zu einer gemeinsamen Ausstellung“, erzählt Bauer. „Wir haben neugierig geschaut, was es in unserer Region gibt und dann – bezogen auf unsere Ausstellungsräume – 57 Positionen ausgewählt.“ Es sei der Versuch einer Bestandsaufnahme. Man sei von der Vielfalt überrascht worden, so Julian Denzler. Über 200 Künstler standen zur Wahl, Neulinge wie etablierte.
Für die Besucher der beiden Ausstellungen gibt es viel zu entdecken. Durchgängig in beiden Häusern ist die geradezu impulsive Farbigkeit der jungen Malerei. Allein durch ihre Leuchtkraft entwickeln die Arbeiten eine magische Anziehungskraft. Beim genaueren Hinsehen werden die inhaltlichen Brüche erkennbar. Etliche Künstler nähern sich ihren Themen hoch emotional, kritisch, andere wieder humorvoll. Ein weites Feld, in das die Betrachter unbeeinflusst eintauchen können. Die Ausstellung verstehe sich als Plattform, um das Potenzial der jungen Malerei in der Region, in der die beiden Museen wirken, öffentlich und sichtbar zu machen, erklären die Kuratoren.
Und da gibt es viel zu sehen. Allein das großformatige Eingangsbild im Museum zu Allerheiligen von Lin Olschowka „Off the Boat“, das drei nackte, sonnengebräunte Körper zeigt, wird man so schnell nicht vergessen. Ebenso die fast filmisch in Szene gesetzten weinenden Männer, „Men Crying“, von Mariana Tilly oder die Kriegsbilder von Christine Streuli oder Claudia Magdalena Merk im Singener Kunstmuseum.

Es ist spannend zu sehen, wie die jungen Künstler (zwischen 20 und Mitte 40) die Themen der Zeit wie Klima, Krieg, Digitalisierung und ihr eigenes Lebensgefühl in der Malerei verarbeiten. Da werden Leinwände an die Wand getackert (Melanie Dorfer), Grenzen zwischen Realismus und Abstraktion verwischt (Fabian Treiber) oder die Nähe zur Skulptur gesucht (Tim Freiwald). „Kategorien interessieren die jungen Künstler nicht mehr“, erklärt Christoph Bauer und verweist auf zwei Bilder mit Wendepailletten von Olga Titus. „Die junge Malerei sprengt klassische Vorstellungen.“ Man kann, man sollte sich in beiden Ausstellungen sattsehen. Beide Häuser zeigen die Fülle der jungen Malerei. Das ist erfrischend.

Informationen zu Preisen und Anmeldung unter: kunstmuseum-singen.de