Irgendwas war anders, am Mittwoch im Café Mocca. Großer Bahnhof könnte man auch sagen. Extra für Harry Falk hatte die SPD dort einen kleinen Empfang organisiert, denn das SPD-Urgestein feierte seinen 90. Geburtstag. Viele langjährige Wegbegleiter gratulierten dem rüstigen Rentner.

"Willkommen in Harrys zweitem Wohnzimmer", begrüßte die SPD-Fraktionsvorsitzende Regina Brütsch die Gäste. In der Tat ist das Café Mocca einmal pro Woche der Ort, wo sich Harry Falk mit Freunden zum Stammtisch trifft. "Trotz Deiner 90 Lenze bist Du immer noch in der Stadt präsent", sagte Brütsch und nannte zwei besondere Ehrungen, die Stauffermedaille und den Ehrenring der Stadt, die Harry Falk erhalten hat. Als "Sozialdemokrat durch und durch" hat sich Harry Falk jahrzehntelang engagiert, nicht nur 24 Jahre als SPD-Stadtrat, sondern auch als Gewerkschafter, Betriebsrat und bei den Widerholdschützen. "Solche Männer wie Dich brauchen wir vorne dran. Männer, die frohen Mutes sind, aber auch mal eine kritische Zunge haben", sagte Brütsch. "Jetzt langt es aber", warf Harry Falk ein, denn er wirkte immer lieber im Hintergrund.

SPD hatte beim Plakatieren stets die Nase vorn

Als Freund gratulierte ihm Oberbürgermeister Bernd Häusler. Er hatte auch eine Urkunde des Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann mitgebracht. "Harry Falk war für die SPD der Chef des Plakatiertrupps. Sogar Heinz Künstner habe auf ihn gehört", erzählte Häusler. Oft hätten die anderen Parteien bei Wahlkampfplakatierungen das Nachsehen gehabt, weil die SPD hier immer ganz vorne dabei war und die besten Plätze schon besetzt hatte. Seit 1972 hat er bei elf Landtagswahlen und zwölf Bundestagswahlen mitgeholfen, die Plakate zu hängen.

Mit dem Umbau der Stadtbücherei und dem nun dort befindlichen Café habe man Harry Falk einen besonderen Wunsch erfüllt, denn dort ist er ein sehr treuer Leser. Doch auch der SÜDKURIER, dessen Abonnent er mindestens seit 1957 ist, gehört zur morgendlichen Lektüre. Häusler dankte Harry Falk auch für seinen Einsatz im letzten OB-Wahlkampf. "Das habe ich gern gemacht", erwiderte Falk.

Russische Kriegsgefangenschaft wirkt bis heute nach

1952 hat Harry Falk in Singen eine neue Heimat gefunden. Davor hatte er in den Jahren 1945 bis 1950 in russischer Kriegsgefangenschaft schreckliche Jahre erlebt. Die Erinnerungen daran holen ihn heute im Alter immer wieder ein. "Wenn ich heute die Sprüche der AfD höre – das habe ich schon als Kind gehört, als die Nazis groß wurden", führte der Jubilar aus.

Harry Falk, dessen Eltern erzkonservativ gewesen waren (wie er einmal in einem Interview sagte), kandidierte erst 1984 das erste Mal für den Gemeinderat, obwohl er schon seit 1970 SPD-Mitglied war. Obwohl er an 18. Stelle kandidierte, kam er über ein Ausgleichsmandat in den Gemeinderat. Dass daraus 24 Jahren werden sollte, hatte er nicht gedacht. Dass sein Herz aber schon lange vor dem Eintritt in den Gemeinderat für die SPD schlug, habe er seinem Vorbild Willy Brandt zu verdanken. Falk dankte schließlich vor allem seiner Frau Pia, "die es seit 66 Jahren mit mir aushält".

Engagiert war Harry Falk auch bei den Widerholdschützen, wo er 1975 zum Ehrenmitglied ernannt wurde. Schon in den 1960er Jahren hatte er dort beim Bau des ersten Vereinsheims enorm viele Arbeitseinsätze geleistet. Die Widerholdschützen bereiten Harry Falk übrigens am Sonntag noch einen kleinen Empfang anlässlich seines Geburtstags.

Zur Person

Harry Falk wurde am 27. Februar 1929 in Neuhof im Kreis Samland (bei Königsberg) in Ostpreußen geboren. Er absolvierte eine Schlosserlehre und wurde noch im Dezember 1944 als 15-Jähriger in den Krieg eingezogen. Nach fünf Jahren in russischer Gefangenschaft kam er 1950 zunächst in die Eifel. Im Jahr 1952 zog er nach Singen. Seine Frau Pia (88), eine gebürtige Singenerin, heiratete er 1953. Das Paar hat zwei erwachsene Söhne, eine Enkelin und zwei Urenkel. Ab 1955 arbeitete Harry Falk bei der Alusingen, zunächst als Staplerfahrer. 1971 machte er den Industriemeister und blieb bis zum Eintritt in den Ruhestand im Jahr 1992 bei der "Alu". Er ist seit 1970 SPD-Mitglied und war von 1984 bis 2008 für die SPD im Gemeinderat. In der IG Metall ist er seit 1955 Mitglied. Während seines Berufslebens war er 16 Jahre lang Betriebsrat. Im Juni 2016 erhielt er den Ehrenring der Stadt Singen. Im Oktober 2014 erhielt er außerdem die Stauffermedaille, eine persönliche Auszeichnung des Ministerpräsidenten für den Einsatz für das Land Baden-Württemberg. (sgr)