Die wirtschaftliche Bedeutung des Tourismus hat in der Gemeinde Reichenau trotz des Abschwungs während der Pandemie stetig zugenommen. Und dies gelte nicht allein für das Gastgewerbe, wie Johann Roth, Vorsitzender des Verkehrsvereins, in der Mitgliederversammlung im Hotel „Mein Inselglück“ einmal mehr betonte. Auch viele andere Branchen wie Handel, regional Produzierende oder Handwerker profitierten davon.
Es gelte, ein nachhaltiges Wachstum zu gestalten
Addiere man allein die durchschnittlichen Ausgaben von Übernachtungs- und Tagesgästen, ergebe sich in der Gemeinde ein Umsatz von jährlich mehr als 39 Millionen Euro, der durch den Tourismus generiert werde, rechnete Roth vor. Und aktuelle Umfragen machten Hoffnung auf einen weiter erfolgreichen Tourismus. „Die Reiselust ist trotz Krisen vorhanden“, so Roth. 28 Prozent der Deutschen wollten demnach Urlaub im eigenen Land machen.
Um wirklich weiterhin erfolgreich zu sein, stünden in den kommenden Jahren auch wichtige Aufgaben an, meinte Roth. Es gelte, ein nachhaltiges Wachstum zu gestalten und eine qualitative Steigerung zu erreichen für eine gute Wertschöpfung. Und es brauche unter den Bürgern auch mehr Anerkennung und Bewusstsein für die Bedeutung des Tourismus. Um dies alles zu erreichen, brauche es neue, klare Strukturen, betonte Roth. Da sei sich der Vorstand des Verkehrsvereins einig.

Der beste Weg sei – so die Auffassung des Vorstands – die Gründung eines Eigenbetriebs unter dem Dach der Gemeinde. Wenn man sich am See umschaue, dann sei die Reichenau die einzige Kommune, in der der Tourismus noch über einen Verein organisiert werde. Mit einem Eigenbetrieb könnten die Strategien von Gemeinde und Tourismus besser koordiniert und die Kommunikation verbessert werden, ebenso die Aufgabenvielfalt gebündelt und die Reaktionsfähigkeit erhöht.
Darüber diskutiere der Vereinsvorstand seit nunmehr drei Jahren mit der Gemeinde, machte Roth deutlich. Er appellierte an den Gemeinderat, diesen Eigenbetrieb endlich auf den Weg zu bringen. Dann könnte auch der Verkehrsverein in einer Sondersitzung seine Mitglieder entscheiden lassen.
Bürgermeister: „Wir wollen neue Strukturen schaffen“
Bürgermeister Wolfgang Zoll erteilte dem keine Absage, im Gegenteil. Er sagte, das Thema Eigenbetrieb wolle er im Gemeinderat in der Sitzung am 27. März beraten lassen. Dabei gehe es nicht nur um den Tourismus, sondern auch um die Bereiche Kultur, Standortmarketing und Gewerbeförderung. Sein Ziel sei es, den Eigenbetrieb zum 1. Januar 2024 zu gründen. „Wir wollen neue Strukturen schaffen“, sagte Zoll, der ebenfalls den Tourismus als zentralen Wirtschaftsfaktor der Gemeinde nannte.
Für ihn sei klar, dass in dem möglichen Eigenbetrieb in einem ersten Schritt zunächst nur das operative Geschäft in den genannten Bereichen gebündelt werden könne. Erst in einem zweiten Schritt müsse man entscheiden, welche Einzelbetriebe aus Tourismus und Kultur in den Eigenbetrieb überführt würden.
Denn es hätte natürlich finanzielle Auswirkungen für den allgemeinen Gemeindehaushalt, wenn Einnahmen aus rentablen Betrieben wie den Campingplätzen oder dem Yachthafen dadurch entfielen. Hier habe sich die Diskussion in den vergangenen Jahren auch etwas im Kreis bewegt, räumte Zoll ein. Doch man müsse nun vorankommen.
Karl Wehrle, Geschäftsführer des Verkehrsvereins und damit Tourismuschef, erklärte in seinem Rück- und Ausblick, die Herausforderungen für den Tourismus in Deutschland und der Gemeinde seien groß. Urlaubsreisen hätten bei den Deutschen laut Umfragen zwar trotz aller Krisen immer noch einen hohen Stellenwert, lägen auf Platz zwei hinter Lebensmitteln.
Fehlende Mitarbeiter beschäftigen Reichenauer Betriebe
Doch Wehrle betonte auch: „Es wird weiterhin ein Kampf sein, die Gäste in Deutschland zu halten oder sie wiederzubekommen.“ Wichtige Kriterien seien hierbei die Gästezufriedenheit, die Qualität und auch die Tourismusakzeptanz in der Gemeinde. Doch wichtiger als die Steigerung der Gästezahlen sei die Wertschöpfung.
Dabei erschwerten zwei Trends die Entwicklung. Zum einen würden Gäste immer kurzfristiger buchen, zum anderen hätten viele Betriebe ein Mitarbeiterproblem, weil sich in der Corona-Zeit Beschäftigte im Gastgewerbe neu orientierten. Doch Wehrle gab sich zuversichtlich: „Wir haben große Hoffnung, dass wir auch 2023 eine Erholung erfahren und, dass wir im Jubiläumsjahr 2024 viele Gäste begeistern können.“
Für das Jubiläum zu 1300 Jahren Reichenau wolle die Tourist-Information neue und nachhaltige Angebote schaffen. Das Jubiläum soll genutzt werden: Gastronomie und Hotellerie könnten hier durch besondere Angebote die eigene Attraktivität steigern, meinte Wehrle.
Durch die 1300-Jahr-Feierlichkeiten mit diversen Bürgerprojekten, Freilichtspielen zur Reichenauer Geschichte, einer Landesausstellung zur großen Klosterzeit sowie der Neugestaltung von Klostergärten, Münsterschatzkammer und Museum erhoffe er sich nachhaltige Impulse, um mehr an Kultur und Welterbe interessierte Gäste zu gewinnen. Dadurch würde im besten Fall auch die Nebensaison belebt.