Herr Gröger, wer und wann hat Sie über den Inhalt des Gutachtens zur Zukunft der Krankenhäuser im Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz informiert?

Über die Inhalte des Gutachtens wurde ich im Rahmen der nichtöffentlichen Vorstellung des Gutachtens am Freitag, 11. März, informiert. Ich muss sagen, das ist ein schwarzer Tag für Radolfzell und die medizinische Versorgung vor Ort.

Hat Sie die Aussage überrascht, dass das Krankenhaus Radolfzell geschlossen werden soll?

Seit Beginn meiner Amtszeit habe ich mich in das Thema der medizinischen Versorgung vor Ort eingearbeitet. Neben einigen Gesprächen mit lokalen Medizinern habe ich das Klinikum mehrfach besucht und besichtigt. Hierbei habe ich einiges über den Zustand des Gebäudes sowie die Personalstruktur mitbekommen. Es ist offensichtlich, dass Investitionen in das Gebäude zurückgehalten wurden und das Angebot der medizinischen Versorgung reduziert wurde. Somit war mir klar, dass es für das Radolfzeller Klinikum nicht gut aussieht. Die deutlichen Aussagen zur angestrebten Schließung haben mich geschockt. Ich hätte mir weitere Optionen gewünscht.

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Wie beurteilen Sie den Entschluss der Gesellschafter, möglichst schnell den Standort Radolfzell platt zu machen?

Der Verbund der Kliniken in Radolfzell, Singen und Konstanz wurde im Jahr 2012 bewusst eingegangen. Der Standort Radolfzell hat sich in mehreren Fachdisziplinen hervorragend entwickelt und spezialisiert. So gibt es die Versorgung für die Geriatrie, die Diabetologie und die interdisziplinäre Fußstation im Landkreis nur am Standort Radolfzell. Zudem haben die Standorte Singen und Konstanz bislang nicht die Kapazität die vielen Patienten aus Radolfzell auch noch aufzunehmen. Das Team vor Ort leistet einen großartigen Job. Kurzum kann man sagen, dass das Klinikum Radolfzell in vielen Jahren eine hohe Reputation erreicht hat. Das nun vorgetragene Ziel, den Standort Radolfzell möglichst schnell weiter im Angebot zu reduzieren und anschließend zu schließen ist daher aus meiner Sicht nicht akzeptabel.

Können Sie die Aussagen der Gutachter und die Entscheidungen der Geschäftsführung, Ihrer OB-Kollegen in Singen und Konstanz sowie des Landrats nachvollziehen?

Neben einem reinen Sanierungskonzept hätte ich erwartet, dass auch Zukunftsthemen eine höhere Berücksichtigung finden, die für den Radolfzeller Standort weitere Spezialisierungen definieren. Neben den klassischen Empfehlungen der Zentralisierung und der Reduzierung von Doppelstrukturen gibt es denkbare Ansätze, wie die Ergänzung der Standorte um weitere medizinische Leistungen um einen attraktiven Schwerpunktmix je Standort zu definieren. Die Fokussierung meiner Kollegen, rein auf die Standorte Singen und Konstanz kann ich nicht folgen. Das Klinikum und die medizinische Versorgung in Radolfzell gehört zur DNA von Radolfzell. Es ist ein fester Bestandteil der Stadt.

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Dass das Krankenhaus Radolfzell im Gesundheitsverbund stiefmütterlich behandelt wird, ist mit der Schließung der Geburtenstation deutlich zu Tage getreten. Was hätte anders laufen sollen oder können?

Eine fortlaufende Investition in das Gebäude und die Struktur wäre ebenso wichtig gewesen wie die vereinbarte Weiterentwicklung gemäß Konsortialvertrages aus dem Jahr 2012. Hier wurde das Ziel definiert und vereinbart, eine wirtschaftlich und medizinisch tragfähige Krankenhausstruktur zu realisieren. Die Schließung der Geburtshilfe im Jahr 2017 war zudem der Beginn einer strukturieren Schwächung des Standorts.

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Können Sie die Aussage von Chefarzt Wolff Voltmer bestätigen, dass das Krankenhaus Radolfzell keine Lobby hat?

Die Zusammensetzung des GLKN sieht für Radolfzell keine direkten Entscheidungsrechte vor. Dies ist natürlich fatal für Radolfzell.

Fehlte auch die politische Entschiedenheit in Radolfzell, für diesen Gesundheitsstandort einzutreten?

Ich erlebe in Radolfzell eine starke positive Haltung zum Klinikum. Sei es von den lokalen Medizinern und Pflegekräften, dem Gemeinderat, dem Förderverein wie auch der Bürgerschaft. Radolfzell wird sich für die medizinische Versorgung vor Ort und den Erhalt des Klinikums entschieden einsetzen.

Singens OB Häussler hat gesagt, den Bürger müsse man dieser Entscheidung nicht großartig überzeugen. Teilen Sie seine Ansicht?

Nein.

Man könnte das neue Krankenhaus auch auf der Gemarkung Radolfzell oder Steißlingen bauen – statt in Singen. Eine realistische Idee?

Durchaus. Die Aussage des GLKN, dass das neue Krankenhaus am sinnvollsten auf Singener Gemarkung sein sollte, muss aus meiner Sicht verifiziert werden. Radolfzell liegt geografisch in der Mitte des Landkreises. Der Bereich zwischen Bundesstraße 33 und Radolfzell wäre somit für die Bürgerinnen und Bürger des Landkreises sehr gut erreichbar. Auch muss man weit in die Zukunft schauen: Wenn es je nur noch einen Standort geben sollte, wäre diese Lage bestens geeignet.

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Offenbar hat sich Radolfzell mit dem Eintritt in einen kommunalen Gesundheitsverband mit Singen zu den Hochrhein-Bodensee-Kliniken selbst eine Falle gestellt. Gab es nie eine Chance, auf die Einhaltungen der Versprechungen – wie: wir bauen den Standort Radolfzell aus – zu pochen?

Radolfzell hat stets versucht die Einhaltung der Vereinbarung zu erwirken, leider – wie nun ersichtlich – mit einem zu geringen Erfolg.

Die Selbstbestimmung für Radolfzell ist dahin, nur noch die drei Gesellschafter Landkreis, Singen und Konstanz bestimmen. Gewinnt der Eigennutz von Singen und Konstanz?

Radolfzell gehört, aufgrund der vorliegenden Gesellschafter-Struktur, nicht zu den Entscheidern. Das ist in solch einer äußerst relevanten Angelegenheit natürlich ein großer Nachteil.

Landrat Danner hat gesagt, es sei überall möglich, Radolfzell zu überstimmen, das sei keine große Schwierigkeit. Ist das die Arroganz der Macht?

Die Zusammenarbeit zwischen dem Landrat und mir als OB verläuft sehr vertrauensvoll und auf Augenhöhe. Eine gute Entwicklung des Landkreises kann nur gemeinsam gelingen. Radolfzell spielt hier, als drittgrößte Stadt im Landkreis, eine bedeutende Rolle.

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Wer glaubt noch Versprechungen, wer glaubt Gutachten?

Die Analysen des Gutachtens, aufbauend auf Zahlen, Daten und Fakten, stelle ich nicht in Frage. Dennoch müssen die Erkenntnisse intensiv diskutiert werden.

Was wollen Sie jetzt tun, wie soll sich die Stadt Radolfzell im weiteren Verfahren verhalten?

Es ist entscheidend, dass sich Radolfzell aktiv in den weiteren Prozess einbringt. Ich habe bereits für kommenden Dienstagabend nach der Sitzung des Verwaltungs- und Finanzausschusses eine nicht öffentliche Gemeinderatsitzung einberufen um eine zeitnahe Abstimmung zum weiteren Vorgehen durchführen zu können. Auch stehe ich mit dem Förderverein in Kontakt. Zudem werde ich parallel seitens der Verwaltung denkbare Flächen für den angestrebten neuen Standort entlang der B33 auf Gemarkung Radolfzell prüfen lassen. Wir werden hier bestimmt eine Fläche finden, die in den weiteren Prüfprozess eingebracht werden kann.