Trifft Wolf auf Schaf, ist klar, wer unterliegt. Ebenso unumstritten ist, dass Naturschützer beide Tiere schützen wollen. Doch was ist konkret zu tun, wenn der in Baden-Württemberg ausgerottete Wolf sich wieder ansiedelt und Schafe reißt? Dieses Thema stand am vierten Tag der Naturschutztage im Milchwerk auf dem Programm. Aita Koha moderierte eine Gesprächsrunde zwischen Anette Wolfarth, Landesgeschäftsführerin des Landesschafzuchtverbandes, Johannes Enssle, Landesvorsitzender des Nabu, und Gabriel Schwaderer, Landesgeschäftsführer von Euronatur. Andre Baumann, Staatssekretär im Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft, schilderte, welche politischen Lösungsansätze derzeit angestrebt werden.
Aita Koha begann die Moderation im Publikum und fragte Besucher: „Haben Sie Angst vor dem Wolf?“ Neben Verneinungen gab es auch Ja-Stimmen. Ebenso konträr waren die auf dem Podium vertretenen Standpunkte. Einerseits beruhigende Aussagen, der Wolf sei ein scheues Tier, das sich selten zeige, andererseits wurde die Befürchtung geäußert, die Schafzucht allgemein müsse aufgegeben werden, wenn Wölfe in Baden-Württemberg heimisch werden. Bislang ist im Schwarzwald ein Wolf nachgewiesen worden. Im April 2018 riss er in der Nähe von Bad Wildbad mehrere Schafe des Züchters Gernot Fröschle. Insgesamt 44 Schafe starben, mehrere von ihnen ertranken in Panik in der Enz.

Prognosen, Überfälle wie diese würden in Zukunft reihenweise auftreten, stellte Schwaderer Zahlen zum Wolfsbestand gegenüber. Ein Wolfsrudel lebe in einem Revier von 100 bis 200 Quadratkilometern. In ganz Europa gebe es zwischen 15 000 und 17 000 Wölfe. Erfahrungen mit Wölfen in Ostdeutschland hätten gezeigt, dass es relativ lange dauere, bis ein Wolf in einer Gegend etabliert sei. In den darauffolgenden Jahren sei mit zwei bis fünf Rudeln zu rechnen. Andre Baumann meinte, die Frage, ob wir den Wolf bräuchten, sei ohnehin überflüssig. Der Wolf sei bereits da und werde sich ausbreiten. Nun liege es in der Verantwortung der Politik, Lösungen zu finden, wie Weidetierherden und ihre Lebensräume sinnvoll geschützt werden können. Aktuell erhalten Züchter von Weidetieren wie Schafen, Ziegen oder Rindern eine Förderung von 90 Prozent für den Herdenschutz.
Schäfer können Herden nicht ausreichend schützen
Anette Wolfahrt erklärte, viele Schäfer seien nicht in der Lage, ihre Herden durch Elektrozäune oder Hunde zu schützen. Vielfach scheitere dies am niedrigen Lohnniveau, das nicht zulasse, die fehlenden zehn Prozent selbst zu finanzieren. Manche Weidegelände ließen sich außerdem aufgrund der geografischen Gegebenheiten nicht ausreichend einzäunen. Sie plädierte dafür, zu legitimieren, einen Wolf erschießen zu dürfen, wenn er einmal eine geschützte Herde angegriffen habe. Bislang darf ein Wolf nur getötet werden, wenn er verhaltensauffällig ist und mehrfach geschützte Weidetiere reißt.

„Wieviel heißt mehrfach? Zweimal, dreimal?“, fragte Wolfarth. Vergessen werden dürfe auch nicht, dass verwundete Tiere eine Behandlung bräuchten. Zudem litten Schäfer psychisch, wenn ihre Tiere getötet würden. Baumann berichtete, auf politischer Ebene werde überlegt, ob es möglich sei, in Einzelfällen, in denen der Herdenschutz nicht funktioniere, Ausnahmen und sogenannte Weidetierschutzzonen zu schaffen. Schwaderer hielt dies für nicht praktikabel und sprach von einer „Beruhigungspille für Weidetierhalter“. Es sei wichtiger, Schäfer aus ihrer „ökonomischen Marginalisierung zu befreien“ und besser zu entlohnen.
Vorschlag: Festzäune auf einigen Flächen
Johannes Enssle plädierte für eine Diskussion der Umweltschutzverbände mit dem Ziel, ein Zukunftsszenario bis 2030 zu entwerfen und sachlich zu prüfen, was getan werden könne, um beide Tierarten gleichermaßen zu schützen. Er könne sich etwa vorstellen, dass einige Flächen mit Festzäunen geschützt werden. Schwaderer berichtete von Erfahrungen von Ländern, die seit jeher mit dem Wolf leben, weil er dort nicht ausgerottet war: „Gut eingesetzte Prävention führt zu einer massiven Verkleinerung des Problems.“
Wo Schafe und Ziegen weiden
Sie zählen zu den artenreichsten Biotopentypen: die Wacholderheiden. Am engsten mit ihnen verbunden sind Schafe, denen sie einen geschützten Weideraum bieten
- Wacholderheide: Durch die Schaf-, Ziegen- und Rinderbeweidung entstanden in den vergangenen Jahrhunderten heideartige Biotoptypen, sogenannte Wacholderheiden. Sie stehen auf trockenen, nährstoffarmen, meist von Ortschaften weit abgelegenen und steilen Lagen, die selten eine andere Nutzung als die Beweidung zuließen. Die Tiere halten alle wohlschmeckenden Pflanzen kurz. Stachelige und giftige Pflanzen bleiben stehen. Auf Walcholderheiden sind zahlreiche Pflanzenarten und Insekten, vor allem Schmetterlinge, beheimatet. Sie zählen zu den artenreichsten Biotopen in Westeuropa. Seit dem Rückgang der Wanderschäferei laufen die Wacholderheiden Gefahr, wieder waldartig zuzuwachsen.
- FFH-Richtlinie: Großflächige Wacholderheiden in Deutschland sind als Naturschutzgebiete und auch als FFH-Gebiet im europäischen Schutzprogramm Natura 2000 ausgewiesen. Natura 2000 ist ein zusammenhängendes Netz von Schutzgebieten innerhalb der Europäischen Union, das seit 1992 nach den Maßgaben der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtline) errichtet wird. Sein Zweck ist der Schutz gefährdeter wildlebender heimischer Pflanzen- und Tierarten und ihrer natürlichen Lebensräume. (rei)