Übermäßiger Alkoholgenuss ist oft ein Grund, aber nie eine Entschuldigung für Gewalt. Diese Lektion mussten jetzt zwei junge Männer aus dem Raum Stockach lernen. Eine Schlägerei während einer Fasnachtsveranstaltung in der Gemeinde Orsingen-Nenzingen wurde vor dem Konstanzer Amtsgericht verhandelt und nur Dank der Nachsicht von Richter Franz Klaiber blieb es bei einer Verwarnung sowie Sozialstunden für die beiden Angeklagten.

Es hätte allerdings auch ganz anders kommen können. Schließlich lautete die Anklage gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung. Die beiden Angeklagten, zum Tatzeitpunk 17 und 19 Jahre alt, sollen sich laut Staatsanwaltschaft an dem Abend vor einer Besenwirtschaft abgesprochen haben, um das Opfer zusammen zu verprügeln. Im Zuge der Schläge fiel das 22-jährige Opfer auf den Asphalt, schlug sich den Kopf auf und erlitt dreifache Hirnblutungen. Noch heute leide er unter Kopfschmerzen und Gedächtnisverlust, zwei Nächte verbrachte er auf der Intensiv-Station.

"Er hätte sterben können"

Klaiber erinnerte in diesem Zusammenhang an einen Fall aus dem Jahr 2012 aus Radolfzell, als ein 19-Jähriger, ebenfalls betrunken, einem 40-Jährigen einen City-Roller an den Kopf warf. Der Mann lag mehrere Monate im Koma und verstarb anschließend. "Es hätte für euch auch ganz anders ausgehen können. Er hätte sterben können", sagte Klaiber mahnend. Die anwesende Gerichtsmedizinerin der Universität Freiburg, Annette Thierauf-Emberger, stützte diese Annahme. Dass die Verletzungen des Opfers ohne Operation und weitere Komplikationen verheilt sind, sei reiner Zufall.

Durch den Aufprall auf den harten Boden sei im Gehirn auf der gegenüberliegenden Seite der Aufprallstelle ein Unterdruck entstanden. Dies sei lebensgefährlich. Dennoch entschied Franz Klaiber es bei einer einfachen Körperverletzung zu belassen, schließlich sei das Opfer nicht durch die Schläge der Angeklagten, sondern durch den Sturz so massiv verletzt worden. Und diese Konsequenzen, so die sehr wohlwollende Auslegung des Richters, seien nicht absehbar gewesen.

Was die Schläge anging, waren beide Angeklagte geständig. Der Vorwurf der gemeinschaftlichen Absprache zu dieser Straftat stritten beide ab und ließ sich auch nicht beweisen. Vielmehr erwies sich der Abend als eine Verkettung ungünstiger Faktoren, die vor allem durch den übermäßigen Alkoholkonsum aller Beteiligten hervorgerufen wurde. Wie sich im Lauf der Verhandlung herausstellte, fand die Schlägerei in zwei Teilen statt. Das 22-jährige Opfer und der 19-jährige Angeklagte hätten sich bereits den ganzen Abend mit kleineren Wortgefechten angestachelt. Der Angeklagte, laut Aussage mehrere Zeugen an diesem Abend betrunken und streitlustig, habe schließlich vor der Besenwirtschaft die offene Konfrontation mit dem Opfer, welches ebenfalls betrunken war, gesucht. Nach einem kurzen Streitgespräch sei es zu Handgreiflichkeiten gekommen, wobei beide Parteien, Opfer wie Angeklagter, Schläge austeilten.

Zweiter Angeklagter kann sich an keine Details mehr erinnern

Als beide Männer schließlich getrennt werden konnten, soll sich der 18-Jährige Angeklagte, ein Freund des 19-Jährigen, eingeschaltet haben. Ohne die vorherige Auseinandersetzung registriert zu haben, soll er unvermittelt auf das 22-jährige Opfer zugegangen sein und ihn gezielt mit einem Schlag gegen die Schläfe zu Fall gebracht haben. An Details erinnere er sich jedoch nicht, er sei bereits "sehr betrunken" gewesen und hätte einen Filmriss gehabt. Dass das Opfer zu Boden gegangen war und sich dabei stark verletzt hatte, habe der heute 18-Jährige gar nicht mitbekommen. Erst am nächsten Morgen habe man ihm von den Krankenhausaufenthalt des Opfers berichtet, bei dem er sich gleich via Whatsapp-Nachricht entschuldigt haben soll.

Allgemein zeigten beide Angeklagte ehrliche Reue dem Opfer gegenüber. Beide hätten bereits ein Schmerzensgeld bezahlt, obwohl noch keine zivilrechtlichen Forderungen formuliert wurden. Und das Gericht verpflichtete beide über den Täter-Opfer-Ausgleich weiter Geld zu erwirtschaften, was dem Opfer zu Gute kommen soll. Ebenfalls hätten beide ein Anti-Aggressions-Training angefangen. Die persönlichen Lebensumstände bewertete Franz Klaiber hingegen unterschiedlich. Der 19-Jährige Angeklagte wies ein umfangreiches Strafregister auf. Zu einer Jugendstrafe sei es allerdings noch nicht gekommen, die meisten Verfahren wie der Besitz von kleineren Mengen Drogen, wurden eingestellt. Und auch jetzt sah Klaiber keinen Grund für eine Jugendstrafe. Der erste Teil der Schlägerei sei in der Tat nur eine "Rauferei" ohne größere Folgen gewesen.

Dass auch der 18-Jährige nur mit einer Verwarnung davongekommen ist, obwohl er den Schlag ausführt, der das Opfer zu Boden fallen ließ, lag laut Gericht an den guten Prognosen für die weitere Entwicklung des Angeklagten. Er habe in diesem Jahr das Abitur bestanden und fange im Herbst ein Freiwilliges Soziales Jahr an. Allerdings sah sich Franz Klaiber gezwungen, den 18-Jährigen für die kommende Fasnacht auszuschließen. Der Angeklagte dürfe sich nach 20 Uhr auf keiner Veranstaltung mehr aufhalten.


Täter-Opfer-Ausgleich

Zur Aufarbeitung einer Straftat oder der Aushandlung einer Wiedergutmachung ist der Täter-Opfer-Ausgleich eine gute Möglichkeit. Hier können Täter und Opfer zusammen oder mit Hilfe eines neutralen Vermittlers das Geschehene besprechen. Es läuft jedoch unabhängig vom gerichtlichen Verfahren.