Ute Klasen, Sozialarbeiterin des Frauenhauses, wird deutlich: Hinter verschlossenen Türen spielten sich oft Dramen ab, quer durch alle Schichten, unabhängig von Religion und Herkunft der Menschen. Frauen werden geschlagen. Es gebe nur einen Unterschied. Ins Frauenhaus kämen die eher mittellosen Frauen. Frauen mit Geld leisten sich leichter ein Hotelzimmer oder eine andere Ausweichmöglichkeit.

Doch was tun, wenn es nebenan knallt? In den Hauseingängen von über 500 Wohnungen in Konstanz und der Reichenau hängen nun Plakate mit Verhaltenstipps und wichtigen Telefonnummern. Denn: Gegen Gewalt ist keiner machtlos!

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Lärm in der Nachbarwohnung, laute Geräusche und dann Ruhe. Es könne sein, dass in solchen Momenten eine Frau um ihr Leben ringe, sagt Ute Klasen vom Konstanzer Frauenhaus. Dieses hat ein Plakat entworfen, mit dessen Hilfe jeder handeln kann, wenn er den Verdacht hat, dass eine Frau geschlagen wird. Das Frauenhaus hat den Wohnungskonzern Vonovia als Partner für das Projekt „Nebenan knallt‘s“ gewonnen. In Konstanz und der Reichenau hänge das Plakat schon in den Eingängen von Wohnhäusern.

Alle 45 Minuten kommt es zu Gewalt gegen eine Frau

Ute Klasen verweist auf schockierende Zahlen, die auch das Bundesministerium für Familien kennt: Demnach wird an fast jedem dritten Tag in Deutschland eine Frau durch ihren Partner oder Ex-Partner getötet. Statistisch komme es alle 45 Minuten zu häuslicher Gewalt gegen eine Frau.

Die Trennung sei immer eine besonders gefährliche Zeit, sagt Ute Klasen. Sie berichtet, wie sich eine Frau vor der häuslichen Gewalt gerettet hatte, wie sie das Leben in den Griff bekam, und dann vom Ex-Partner mit kochendem Wasser übergossen wurde.

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Dies sei mitten in Konstanz geschehen, versichert Klasen. „Was Sie beschreiben, davon denkt man, dass es das nur im Fernsehen gibt“, räumt Martin Löhle, Regionalleiter bei Vonovia, ein. Oft gehe es nicht nur um körperliche, sondern auch um soziale Gewalt, das systematische Fernhalten der Frau von Freunden und Verwandten.

Oder um ökonomische, also das Verwehren eines eigenen Kontos sowie um technologische Gewalt, etwa die Überwachung des Handys. Die Kinder bekommen alles mit. Ute Klasen berichtet davon, wie ein Junge sich in dem Moment zwischen streitende Eltern warf, in dem der Vater ein Messer warf. Der Junge sei aber ohne körperliche Verletzung geblieben.

Plakatserie gibt Hinweise für Augen- und Ohrenzeugen

Was soll nun jemand tun, der den Verdacht hat, dass eine Frau vom Partner traktiert wird? Die Plakatserie „Nebenan knallt‘s“ gibt Hinweise. Diese rät dazu, verdächtige Geräusche aus Nachbarwohnungen nicht zu ignorieren. In einem zweiten Schritt könne ein Nachbar unter einem Vorwand bei der Verdachtswohnung klingeln. Er sollte den Moment, in dem die Wohnungstüre geöffnet wird, nutzen, um sich einen Überblick zu verschaffen. Keinesfalls sollte er sich in den Streit einmischen.

Wenn der Nachbar den Eindruck hat, dass eine Frau in Bedrängnis ist, gelte es, die Polizei zu rufen. Eine andere Möglichkeit ist, die geschlagene Frau anzusprechen, wenn sie allein unterwegs ist. „Bieten Sie Hilfe durch Zuhören, Benutzung Ihres Telefons an.“

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Das Konstanzer Frauenhaus hat wie jene in Radolfzell und Singen zehn Plätze und besteht seit 27 Jahren. Manchmal kommen Frauen für wenige Stunden, andere blieben ein Jahr lang. In Konstanz gibt es zwei Übergangswohnungen, sollten Frauen länger bleiben müssen. Das Frauenhaus sei für Projekte wie die Kunsttherapie für Kinder auf Spenden angewiesen. Die Kinder hätten nicht immer Gewalterfahrungen, in der Regel seien sie aber Zeugen.

In jüngster Zeit seien die Mitarbeiter des Frauenhauses dabei, sich bei der Digitalisierung weiterzubilden. Immer würden Frauen mit Filmen oder Bildern und der Drohung, diese im Netz zu verbreiten, unter Druck gesetzt.