Es ist Markttag und für jeden Besucher gibt es was auf dem Sankt-Stephans-Platz: Lieber Kirschen von der Reichenau, Käse oder Fenchelsalami? Ein Gespräch mit dem amtierenden Oberbürgermeister oder einem der vier Herausforderer – von links-grün bis konservativ? Alle sind sie da an diesem Dienstag.

Persönlichkeit soll zählen, nicht Parteifarbe

Freilich, die fünf Männer wollen nicht wie Obst oder Gemüse in Kästen gesteckt werden, sortiert nach Parteifarben. Die Persönlichkeit soll zählen im Wahlkampf, das Individuum. Wie soll der perfekte Oberbürgermeister sein?

Sigrid Voos spricht mit Pantisano.
Sigrid Voos spricht mit Pantisano. | Bild: Eva Marie Stegmann

Marktbesucherin Sigrid Voos ist sicher: „Er muss mit den richtigen Worten die richtigen Menschen überzeugen.“ Zum Markt ist sie wegen der Kandidaten gekommen, nicht wegen des Obsts – vor der Wahl am 27. September will sie sich nämlich selbst ein Bild machen. Kandidat Luigi Pantisano hat ihr soeben einen Flyer überreicht, den sie nun mit spitzen, rot lackierten Fingernägeln hält.

Das könnte Sie auch interessieren

„Was wollen Sie?“, fragt sie ihn. „Ein eigenes Amt für Klima und Umwelt im Rathaus“, sagt er, „Veränderung“. Sigrid Voos nickt und erzählt von sich. Sie komme aus Hamburg, lebe nun in Konstanz und ihr Urteil: „Die Stadt ist wunderschön, aber hat keinen Pfiff. Vieles wirkt ungeordnet, die Fahrräder, der Verkehr, das Wohnen.“

„Das hängt alles zusammen“

Pantisano greift den Ball auf: „Das hängt alles zusammen.“ Klimaschutz als Überbau würde auch Ordnung bringen. „Kämpfen Sie!“, verabschiedet sie sich, die Faust geballt. Wählen, sagt sie, würde sie ihn allerdings nicht.

Sigrid Merk stellt ihre Frage Luigi Pantisano.
Sigrid Merk stellt ihre Frage Luigi Pantisano. | Bild: Eva Marie Stegmann

Vielleicht klappt es bei der nächsten? Es ist Sigrid Merk. Die Paradieserin, 59, hat gehört, dass der Bahnhofsvorplatz autofrei werden soll. Das sorgt sie. „Wo kann ich denn da mit dem Auto kurz stehen?“, will sie wissen. Sie bringe ihre Mutter, 89 Jahre alt, häufig zum Zug. Die wolle sie zum Gleis begleiten, nicht nur kurz absetzen. Viel laufen könne die alte Dame nicht.

Pantisano verspricht Besserung

Pantisano, der sich für eine autofreie Innenstadt einsetzt, sagt: „Keine Sorge, autofrei, das bedeutet auch, dass genau solche Ausnahmen weiter möglich sein werden.“ Sogar noch bequemer, da insgesamt mehr Platz zur Verfügung stehe.

Das könnte Sie auch interessieren

Nun stellt Sigrid Merk ihre Frage noch Amtsinhaber Uli Burchardt. Er sagt: „Meine persönliche Meinung zum Bahnhofsvorplatz: So richtig gut wird das nie mehr werden. Wir wollten einen großen Tunnel am Bahnhof, doch die Bahn war dagegen und setzte sich durch.“ Nun sei alles eng.

„Mein Tipp, unter uns beiden...“

„Mein Tipp, unter uns beiden: Den Bahnhof Petershausen anfahren.“ Merk zögert: „Naja, ich wohne im Paradies.“ Burchardt: „Ja, aber diese Kiss and Ride-Parkplätze, die es am neuen Bahnhofsvorplatz geben soll, die werden immer belegt sein, das zeigt die Erfahrung.“

Bild 3: Speed-Dating mit den OB-Kandidaten: Ein Markttag zwischen Glückseligkeit und Verzweiflung – wer überzeugt die Konstanzer?
Bild: Eva Marie Stegmann

Merk: „Hm, da hat mir die andere Antwort besser gefallen.“ Ohnehin, der Pantisano wirke sehr sympathisch. Sie tippt auf das Bild auf dem Flyer: „Ganz anders als auf dem Foto. Deswegen ist es so wichtig, die Kandidaten persönlich zu treffen.“

Der fünfte im Bunde taucht auf

In diesem Moment läuft ein Mann mit Visier vorbei. Jury Martin, der fünfte Kandidat im Bunde, läuft vorbei. Für ihn ist keine Ecke mehr frei, die braucht er aber ohnehin nicht, hat er doch weder Kampagnenfahrrad noch anderes schwere Gepäck dabei.

Das könnte Sie auch interessieren

Eine Hand voller Flyer, das muss ausreichen, und garantiert ihm Beinfreiheit auf dem gesamten Marktareal. Als Sigrid Merk ihr Anliegen auch ihm schildert, nickt er: „Sie können mit ihrer Mutter im Parkhaus neben der Post parken.“

Bild 4: Speed-Dating mit den OB-Kandidaten: Ein Markttag zwischen Glückseligkeit und Verzweiflung – wer überzeugt die Konstanzer?
Bild: Eva Marie Stegmann

Wenn man die Autos raushaben wolle aus der Stadt, müsse man etwas dafür tun. „Oder Sie fahren mit dem Bus. Ich will mich dafür einsetzen, dass der Busverkehr komplett gratis ist.“

Amtsinhaberbonus?

Bei Burchardt sagt unterdessen eine Bürgerin: „Danke, ich bin sehr zufrieden und werde Sie wieder wählen.“ Wie hoch wird er wohl wiegen bei dieser Wahl, der Amtsinhaberbonus? Burchardt: „Die Leute kennen mich, das ist ein Vorteil, ja. Gleichzeitig hat es ein Kandidat von außerhalb einfacher, zu sagen: ‚Das hätte ich alles ganz anders gemacht.‘“

Das könnte Sie auch interessieren

Sein Seitenhieb zielt mit Sicherheit auf Pantisano, der mit der Freien Grünen Liste und der Linken Liste die breiteste Unterstützerfront aus dem Konstanzer Gemeinderat hat.

Bild 5: Speed-Dating mit den OB-Kandidaten: Ein Markttag zwischen Glückseligkeit und Verzweiflung – wer überzeugt die Konstanzer?
Bild: Eva Marie Stegmann

Außer Sichtweite von Pantisano und Burchardt, vorne rechts und links, warten Andreas Hennemann und Andreas Matt mit ihren Ideen auf.

Herosé ist Thema – und Kompromisse

Andreas Hennemann – unterstützt von der Konstanzer SPD – spricht gerade über den Herosépark, wo die Dauerbeschallung durch die Feiernden am Wochenende Anwohner um den Schlaf bringt. Markus Rues, 54 Jahre alt ist einer davon: „Ich finde, ein Oberbürgermeister muss klare Kante zeigen und darf kein Fähnchen im Wind sein!“, fordert Rues.

Markus Rues (links) mit Hennemann im Gespräch.
Markus Rues (links) mit Hennemann im Gespräch. | Bild: Eva Marie Stegmann

Das neue Musikverbot nach 23 Uhr ist ihm zu wenig. „Wenn man egal bei welchem Wetter nur mit geschlossenem Fenster schlafen kann, das ist die Hölle.“ Beim Oberbürgermeister wolle er sich vors Fenster stellen und bis 23 Uhr Lärm machen, droht er.

Hennemann will beruhigen

Hennemann will ihn beruhigen. Er versucht es mit einem Kompromiss. Als OB will er Vermittler sein: „Wäre 22 Uhr besser oder 21 Uhr?“ Rues ist nicht ganz überzeugt. „Noch früher. Am besten gar keine Musik. Die Leute können gerne dort sein, nur bitte ohne Lärm.“

Das könnte Sie auch interessieren

Zur gleichen Zeit spricht Andreas Matt mit dem Konstanzer Philipp Klaiber, 24 Jahre alt, ebenfalls über die Herosé-Lage.

Der Konstanzer Philipp Klaiber, 24, sorgt sich um die Umwelt.
Der Konstanzer Philipp Klaiber, 24, sorgt sich um die Umwelt. | Bild: Eva Marie Stegmann

Matt will andere Areale für die Feiernden ausweisen, um die Situation zu entzerren. Klaiber sagt: „Ich habe angefangen, dort Müll aufzulesen und ich frage mich langsam, wie viel Müll ich noch aufsammeln soll. Wenn Sie noch mehr schöne Orte ausweisen, habe ich Angst, dass es noch mehr wird.“

Matt: Regeln müssen auch durchgesetzt werden

Matt: „Deswegen sind Regeln so wichtig. Ein Blick in die Schweiz zeigt, dass es anders geht.“ Klaiber: „Für viele sind Regeln aber nur dazu da, gebrochen zu werden.“ Matt: „Deswegen müssen Regeln durchgesetzt werden. Dafür würde ich als OB einstehen.“

Der Kandidat verteilt einen Button mit seinem Emblem. Magnetisch, ohne Nadel. „Nicht wie alle anderen“, sagt er.

Bild 8: Speed-Dating mit den OB-Kandidaten: Ein Markttag zwischen Glückseligkeit und Verzweiflung – wer überzeugt die Konstanzer?
Bild: Eva Marie Stegmann

„Kein Wahlkuscheln, sondern Wahlkampf„

Und dann kommt doch tatsächlich ein Hauch von Wahlkampf auf an diesem Marktdienstag. „Ich habe auch heute keine Parteisoldaten mit, die Flyer verteilen, wie die anderen“, sagt Matt. Klaiber unterbricht ihn: „Nicht die anderen Kandidaten denunzieren!“ Matt: „Doch, das hier ist kein Wahlkuscheln, sondern Wahlkampf.“ Er sei auch der einzig wirklich unabhängige Kandidat.

Das könnte Sie auch interessieren

Und der, den die Neu-Konstanzerin Sigrid Voos aus Hamburg wählen würde, weil er ein Handwerk mitbringe, Erfahrung im Ausland und der Wirtschaft habe.

Nun aber steht sie in der Mitte des Stephans-Platzes und stößt einen Seufzer aus der Tiefe ihrer Seele aus. „Ich frag mich“, sagt sie, „warum ich nicht kandidiere.“ Erreicht habe sie schon was: „Wegen mir fahren die Aufzüge am Bahnhof wieder. Mein Sohn hat eine Behinderung und ich habe beim Chef persönlich Alarm geschlagen.“ Sie habe in der Sache bereits mehr erreicht als der Oberbürgermeister. Und warum kandidiert sie nicht? „Adenauer wurde auch erst mit über 70 Bundeskanzler“, antwortet sie – und schreitet davon.