Es ist Freitag, der 19. Mai, kurz vor 14 Uhr. Das Bodensee-Stadion und umliegende Straßen sind abgesperrt, es bilden sich Grüppchen vor den Stadion-Eingängen, die Atmosphäre ist voller Vorfreude – und ein bisschen Ungeduld. Denn: In Kürze beginnt der Einlass zum Campus-Festival 2023.

Circa 25.000 Besucher*innen werden in den nächsten beiden Tagen das Stadion betreten. Das 2015 gegründete, ursprünglich auf dem Campus der Universität Konstanz stattfindende Festival, ist mittlerweile weit über die Region hinaus bekannt. So ist Christopher Kindler, 21, mit Freunden per Auto aus Kiel angereist. 10 Stunden Autofahrt, „zum Glück ohne Stau“.

Schon vor dem Festival geht die Party los

Die Besucher*innen vertreiben sich bis zum Einlassbeginn die Zeit. Eine Gruppe fängt an ein bekanntes Partyspiel zu spielen. „Möchtet ihr mitspielen?“, wird eine daneben sitzende Gruppe gefragt, und schon ist eine neue Bekanntschaft geschlossen. So findet sich noch vor Festivalbeginn ein erster Einblick in die Stimmung und den Umgang miteinander, der das Festival die nächsten zwei Tage begleiten werden: Das Treffen von alten und das Kennenlernen neuer Bekanntschaften, Einblicke in die Hilfsbereitschaft unter den Besucher*innen und natürlich die Musik.

Newcomerband Lena&Linus auf der Klimbim und Firlefanz-Bühne. “Wir sind immer noch sprachlos.“ posten sie am nächsten Tag auf ...
Newcomerband Lena&Linus auf der Klimbim und Firlefanz-Bühne. “Wir sind immer noch sprachlos.“ posten sie am nächsten Tag auf ihrem Instagram-Profil. | Bild: Sophie Steindorf

Auf vier Bühnen teilen sich die Auftritte der Musiker*innen über den Freitag und Samstag von jeweils 14:30 Uhr bis 23:00 Uhr auf. Von Newcomer*innen wie Liska aus Konstanz oder Lena & Linus aus Würzburg bis hin zu unter den Besucher*innen bekannteren Künstlern wie Marteria und der Berliner Hip-Hop-Band BHZ sind unterschiedlichste Musikrichtungen vertreten.

Darunter auch Berq. Der Newcomer aus Hamburg ist einer der ersten Auftritte des Festivals. Berq, erst 19 Jahre alt, ist sofort begeistert von seinem Publikum: „Das ist immer die Sorge, wenn man hinter der Bühne steht, dass dann vorne niemand ist.“, erklärt der Künstler seine Freude beim Betreten der Bühne. Er fängt an zu strahlen, als er merkt, dass die Besucher*innen die Texte seiner zwei veröffentlichten Lieder lautstark mitsingen. Auch Ennio, mit Auftritt auf der Hauptbühne, scheint von der Textsicherheit der Zuschauer*innen gerührt zu sein.

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Das Publikum lässt sich gerne auch mal überraschen

Viele Künstler*innen sind bei den Besucher*innen kaum oder nicht bekannt. Tobi und Jasmin haben am Abend vor dem Festival kurzfristig Karten gekauft, um die Italo-Schlager Band Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys zu sehen. Viele der anderen Auftretenden kannten sie nicht. Tobi ist begeistert von den Bands, “die Stimmung ist top.“ Auch auf der Technobühne „Walinkula“ wird neue Musik entdeckt.

Ein Grund für die gute Stimmung, wie viele Besucher*innen positiv anmerken, scheinen die Änderungen im Organisationslauf zum Vorjahr zu sein. Ein vergrößertes Festival-Gelände bietet mehr Platz, neue Platzierungen der Essensstände und Sanitäranlagen verteilen die Anwesenden und die drei kleineren Bühnen haben Einbahnstraßen-ähnliche Zu- und Ausgänge, um die Menschenströme besser kontrollieren zu können.

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Auch das Bezahlsystem funktioniert. Nach den Ausfällen des Chip-System im Vorjahr wurde wurde auf ausschließlich Bargeld umgestellt. Das Gelände fühlt sich nicht überfüllt an, und besonders bei den Getränkeständen sowie den kostenloses Wasserspendern gibt es selten Warteschlangen. Die Veranstalter haben aus dem letzten Jahr gelernt.

600 Mitarbeiter packen mit an – und erleben das Festival aus neuer Perspektive

Die Stimmung wirkt sich auch auf die zahlreichen Mitarbeiter*innen des Festivals aus, um die 600 sind es. Leo Günder ist zum zweiten Mal hinter der Bar dabei. Dieses Jahr ist auch laut ihm die Organisation deutlich besser, wodurch die Mitarbeitenden am Getränkestand spürbar entlastet werden. Außerdem ist „der Blick (…) unschlagbar“. Während er den Besucher*innen Bier ausschenkt, hat er von seinem Arbeitsplatz aus einen direkten Blick auf die Hauptbühne.

Von der Halle des Tennis-Parks Helle Müller aus wird die Organsiation der Helfer*innen geleitet. Eva Schneller, Lea Hankemann, Sophia ...
Von der Halle des Tennis-Parks Helle Müller aus wird die Organsiation der Helfer*innen geleitet. Eva Schneller, Lea Hankemann, Sophia Hornung und Martin Broll (von links) sind Teil des Teams, das dieses Jahr zu einem reibungsloseren Ablauf beiträgt.(Campus-Festival 2023) | Bild: Sophie Steindorf

Trotz der Begeisterung ist in Gesprächen mit Besucher*innen der Preis der Festival-Karten ein stetiger Kritikpunkt. Gäbe es keine vergünstigten Karten für Schüler*innen und Student*innen, so würden einige Besucher*innen auf den Festivalbesuch verzichten. Auch Eindrücke aus Gesprächen mit Mitarbeiter*innen des Festivals, oft selber in der Vergangenheit Campus-Festival Besucher*innen, bestätigen den Unmut mit den Preisen.

Sie arbeiten unter anderem auf dem Festival, um sich die Kosten zu sparen und trotzdem die Festival-Stimmung miterleben zu können. So war Thomas Amann im Vorjahr als Besucher auf dem Festival. Dieses Jahr wollte er das Festival aus einer anderen Perspektive kennenlernen und sich den Ticketpreis sparen. Man habe auch als Mitarbeiter gute Laune und kann die Erfahrung des Festivals mitnehmen, so der Informatiker.

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Besonders spürbar wird die Auslastung gegen Abend. Zwei der kleineren Bühnen, “Atlantis“ und “Walinkula“, sind gesperrt, es wird niemand mehr zu den Auftritten von Paula Hartmann und Orbit reingelassen. Auch der Zugang zu den Bereichen direkt vor der Hauptbühne ist begrenzt. Schade, findet Jannis Bieling, Student aus Konstanz, dass trotz der vier vorhandenen Bühnen besonders gegen Ende des Festivaltages nur die Hauptbühne durchgehend zugänglich ist. Jedoch sieht er ein, dass so die Sicherheit der Besucher*innen gewährleistet wird.

Am Samstag wird nochmals deutlich voller

Am nächsten Tag wird aus Publikumssicht deutlich, weshalb solche Sicherheitsvorkehrungen wichtig sind, denn am Samstag wird es nochmals deutlich voller. Sophie Böhringer und Tara Lyons stehen am Nachmittag am Einlass, bereit für den zweiten Festivaltag. Am Vortag waren sie “etwas überrumpelt“, unter anderem wegen des Gedränges zum Ende des Festivaltages hin. Als es ihnen zu voll wurde, mussten sie Paula Hartmanns Auftritt frühzeitig verlassen. Doch nun sind sie für den nächsten Tag bereit. Weitere 25 Auftritte stehen an.

Sophie Böhringer und Tara Lyons samstags vor dem Einlass. Es ist ihr erstes Festival, sie freuen sich am zweiten Tag besonders auf ...
Sophie Böhringer und Tara Lyons samstags vor dem Einlass. Es ist ihr erstes Festival, sie freuen sich am zweiten Tag besonders auf Künstler Schmyt.(Campus-Festival 2023) | Bild: Sophie Steindorf

Der Tag startet musikalisch mit der Uni-Bigband. Die Unterstützer*innen im Publikum singen und tanzen voller Elan mit. Auch Noah Brian und Philipp Scherer jubeln der Band zu, mit viel Tanzeinsatz und einem mitgebrachten Plakat . Gegenüber von der Bühne sieht man die Technik-Verantwortlichen am mitwippen, genauso wie die Bar-Mitarbeitenden. Im Anschluss an den letzten Song – “Uptown Funk“ von Bruno Mars – wird lautstark nach Zugabe gefordert.

Noah Brian and Philipp Scherer unterstützen gemeinsam mit Freundinnen die Uni BigBand am Samstag.
Noah Brian and Philipp Scherer unterstützen gemeinsam mit Freundinnen die Uni BigBand am Samstag. | Bild: Sophie Steindorf

Auf dem Festival sind nicht nur die Musik-Acts sehenswert. Auf dem Rummel, zu dem der Hörnle-Parkplatz umfunktioniert wurde und kaum wiederzukennen ist, laden Stände zum Essen, zu Aktivitäten oder zum Informieren ein. Neben zahlreichen Verpflegungsmöglichkeiten sind unter anderem auch Konstanzer Fachschaften, die Kulturbrauerei und Amnesty International präsent. Auch die gemeinnützige Seenotrettungsorganisation Sea-Eye hat einen Stand. Normen Küttner ist Teil der Lokalgruppe Konstanz, die für den Standplatz proaktiv auf den Veranstalter zugegangen ist.

Normen Küttner, ganz rechts, ist eines von zehn Mitgliedern der Lokalgruppe Konstanz von Sea-Eye, die letztes Jahr ins Leben gerufen ...
Normen Küttner, ganz rechts, ist eines von zehn Mitgliedern der Lokalgruppe Konstanz von Sea-Eye, die letztes Jahr ins Leben gerufen wurde. Die Gruppe sammelt Spenden zur Unterstützung der Seenotrettung.(Campus-Festival 2023) | Bild: Sophie Steindorf

Auch Viva con Agua ist vor Ort, zusätzlich zu ihrem Stand sind die Vertreter*innen auf dem gesamten Gelände unterwegs – und zwar mit einer Mülltonne. Um Spenden zu sammeln, werden Besucher*innen dazu angehalten, ihre leeren Becher per Basketballkorb in die Tonne zu treffen (Foto). Der eingesammelte Pfand finanziert Wasserprojekte, zum Beispiel den Zugang zu sauberem Trinkwasser. Die Präsenz der Organisationen kommt gut an: „Wie eine große Familie“ mit vielen herzlichen Momenten, tollen Gesprächen und großzügigen Menschen, fasst Küttner die Erfahrung am Sea-Eye-Stand zusammen.

Nathalie Probst, links mit Fahne, sammelt Pfandspenden für die gemeinnützige Organisation Viva con Agua und erhält dabei viel ...
Nathalie Probst, links mit Fahne, sammelt Pfandspenden für die gemeinnützige Organisation Viva con Agua und erhält dabei viel Unterstützung von Festivalbesucher*innen.(Campus-Festival 2023) | Bild: Sophie Steindorf

Welche Aufgaben gibt es als Angestellte*r auf dem Festival? Lea Hankemann (Foto), gelernte Veranstaltungskauffrau und an diesem Wochenende beim Festival-Veranstalter für die Organisations-Teams zuständig, klärt auf: „Die Orga ist dieses Jahr in vier Bereiche aufgeteilt: Spezialhelfer; Publikumslenker und Einlass; Bar; Auf- und Abbau.“ Im Vergleich zu letztem Jahr ist dies ein großer Unterschied, der sowohl von Mitarbeitenden als auch bei Besuchenden deutlich spürbar ist.

Nkuma Nsakala, 17, ist beim Campus-Festival als Publikumslenker angestellt. Durch die bessere Organisation fühle sich das Festival leerer an, die Arbeit sei entspannter und mit Besucher*innen hat er ausschließlich positive Erfahrungen gemacht. Einen Tipp hat er allerdings für zukünftige Interessent*innen an dem Job: Wer während der Arbeit ein bisschen etwas von den Auftritten mitbekommen möchte, der hat im Vergleich zur Arbeit als Publikumslenker hinter der Bar eine bessere Chance dazu.

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Als abschließender Headliner des Festival dreht Marteria die Stimmung nochmal richtig auf: “Was ist das für ein Festivalauftakt für die Saison! Besser [als heute] kann es nie mehr werden, Konstanz!“, ruft er kurz vor Schluss des Campus-Festivals 2023 ins Mikrofon. Die zahlreichen, gegen Himmel gestreckten Hände des Publikums scheinen seine Aussage zu bestätigen.