Sie stehen in Gruppen vor dem Eingang des Konstanzer Klinikums zusammen, 30, vielleicht 50 Ärzte. Ein paar Plakate lehnen zusammengerollt an einem Klapptisch, zehn Meter entfernt berichtet ein Banner davon, dass ein ausgeruhter Arzt für Patienten die bessere Option ist. Wenn einer der arbeitenden Kollegen vorbeigeht, wird er stürmisch und aufs Freundlichste begrüßt – die Streikenden wissen, dass sie von ihren Kollegen bei eventuellen Notfällen vertreten werden.

Ärzten fällt das Streiken schwer, vielleicht schwerer als jeder anderer Berufsgruppe. Die Versorgung von Notfällen muss an jedem Krankenhaus, das bestreikt wird, sichergestellt sein. Die Ärzte-Gewerkschaft Marburger Bund hat dazu an jedem Standort mit den Klinikleitungen Notdienstvereinbarungen abgeschlossen.
Nun stehen sie also alle hier, aber keiner möchte so recht darüber sprechen, warum er oder sie aus Überzeugung streikt. Gerne verweisen alle auf die Stellungnahmen des Marburger Bunds. Dessen Forderungen sind in einer Pressemitteilung der Gewerkschaft formuliert: „Der Marburger Bund fordert die Anhebung der Werte der Entgelttabelle im Umfang der kumulierten monatlichen Inflationsentwicklung seit Oktober 2021 zuzüglich 2,5 Prozentpunkte.“
In vier Verhandlungsrunden habe die Arbeitgeberseite die Forderungen der Ärzte nach einem Inflationsausgleich zurückgewiesen, heißt es dort weiter. Und wie geht es den Ärztinnen mit der Situation? Was treibt die Ärzte um, mit welchen Bedingungen haben sie zu kämpfen?

Vermutlich ist es nicht nur die Aussicht auf mehr Geld, die sie auf die Straße treibt. Immerhin, Kinderchirurg Raoul Depner ist bereit, ein paar Worte zu seiner Motivation zu sagen: „Unser größtes Manko ist, dass es ständig Kürzungen am Gesundheitsverbund gibt, die letztlich nicht wirtschaftlich sind und aus ärztlicher Sicht nicht tragbar“, sagt er.
Ihn stört, dass die meisten Entscheidungen über Ressourcenverwendung von der Verwaltung gefällt werden. „Ich habe Verständnis dafür, dass eine Verwaltung finanzielle Begrenzungen hat. Aber es wäre wichtig, dass man bei der Entscheidung über den Ressourceneinsatz auch ärztlichen Rat hinzuzieht.“
Der Kinderchirurg macht sich außerdem Sorgen, wenn er in die Zukunft blickt. „Wir werden uns in Deutschland vielleicht mit einer schlechteren Gesundheitsversorgung abfinden müssen als in Italien oder Frankreich“, glaubt er. „Aber wäre es dann nicht besser, wenn die Politik – oder auch die Klinikverwaltung – die Ressourcen vernünftig einsetzt und uns Ärzte hinzuzieht?“
Auch Ronja Felske, Ärztin auf der Inneren im Klinikum Konstanz, sieht einige Gründe, um auf die Straße zu gehen – und letztlich den Patienten besser helfen zu können. „Die personelle Lage in den Kliniken hat sich auch in den letzten Monaten dramatisch verschärft. Viele Ärzte haben ihre Belastungsgrenze längst überschritten“, sagt sie. Deshalb brauche es die Anpassung der Vergütung an die Forderung des Marburger Bunds – sonst werde es künftig schwer, Ärzte an den Kliniken in Deutschland zu gewinnen.
Alle anderen Streikenden möchten sich nicht äußern und verweisen auf den Marburger Bund, in dessen Auftrag sie heute hier und nicht im Operationssaal oder am Krankenbett stehen. Die Arbeitgeberseite hat sich währenddessen auf die Situation vorbereitet: Der Gesundheitsverbund meldet auf seiner Homepage, dass die Gesundheitsversorgung durch eine Notfallvereinbarung mit dem Marburger Bund auch während des Streiks gewährleistet sei.
Es könne bei wenig dringlichen Operationen und bei Sprechstunden zu Absagen kommen. Die Notfallversorgung jedoch sei jederzeit gewährleistet.