Orangefarbene Trillerpfeifen und Mützen, selbst gebastelte Plakate: Kurz nach 7 Uhr am Dienstagmorgen liegt alles parat. Der kleine, selbst gebuchte Reisebus steht schon in der Parkbucht, als sich etwa 20 Klinikärzte an der Haltestelle vor dem Krankenhaus versammeln. Zum zweiten Mal in den laufenden Tarifverhandlungen hat der Marburger Bund zum bundesweiten Warnstreik aufgerufen. Zum zweiten Mal beteiligen sich Häfler Klinikärzte an dem Ausstand.

Forderung: Inflation ausgleichen

Vordergründig geht es um 2,5 Prozent mehr Lohn für die Mediziner an kommunalen Krankenhäusern, die noch tarifgebunden sind. Doch auch die starke Inflation der letzten Monate soll ausgeglichen werden und sich im Geldbeutel der Klinikärzte bemerkbar machen. Doch den Männern und Frauen geht es nicht nur ums Geld.

Immer im Dienst? Auch Ärzte brauchen mal Freizeit, ohne nach 16 oder 24 Stunden Dienst nur Zeit zum Ausschlafen zu haben.
Immer im Dienst? Auch Ärzte brauchen mal Freizeit, ohne nach 16 oder 24 Stunden Dienst nur Zeit zum Ausschlafen zu haben. | Bild: Cuko, Katy

„Nachts mach ich‘s fast umsonst“, steht auf einem der Plakate. Um keine Schichten zu fahren, was noch mehr Personal braucht, gibt es im Klinikum Bereitschaftsdienste. Nach acht Stunden Klinikdienst schließen sich bei vielen Ärzten noch acht Stunden Bereitschaft im Krankenhaus an.

Nachts nur 80 Prozent vom Lohn

Unter der Woche zahlt der Arbeitgeber dafür allerdings nur 80 Prozent vom Lohn, weil die Arbeitsbelastung geringer ist. „Theoretisch könnten wir in der Zeit schlafen, wenn nichts los ist. Praktisch wird man mehrmals nachts aus dem Bett geklingelt. An Schlafen ist kaum zu denken“, erzählt eine Ärztin, die – wie alle Streikteilnehmer – aber nicht ihren Namen nennen möchte. Faktisch arbeite man nachts; statt Zuschläge gebe es aber weniger Geld.

Klinikärzte aus Friedrichshafen bei der zentralen Kundgebung des Marburger Bunds auf dem Romer in Frankfurt.
Klinikärzte aus Friedrichshafen bei der zentralen Kundgebung des Marburger Bunds auf dem Romer in Frankfurt. | Bild: Klaus Streit

Personalmangel und schwierige Arbeitsbedingungen schlagen sich auch in der Streikbeteiligung nieder. „Reduziert auf 130 Prozent“ steht auf einem Plakat. Ein Notarzt wäre mitgefahren, wenn um 16 Uhr nicht schon der nächste Dienst auf dem Plan stünde. So kurzfristig habe er nicht tauschen können, erzählt er.

Fahrt nach Frankfurt

Deshalb steigt nur die Hälfte der 20 Klinikärzte in den Bus, um nach Frankfurt zu fahren. Hier fand gegen Mittag die zentrale Kundgebung auf dem Römer statt, um den Forderungen des Marburger Bundes Nachdruck zu verleihen. Über 900 Ärztinnen und Ärzte aus Baden-Württemberg waren dabei, meldete der Gewerkschaftsverband.

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