Eine Webseite gibt es nicht, eine eigene Telefonnummer erst seit wenigen Tagen, die richtigen Tafeln sind noch nicht geliefert und ein Kopierer fehlt auch noch. Dennoch ging die zweite Konstanzer Gemeinschaftsschule nach den Sommerferien erfolgreich an den Start. Dies sagt die Frau, die es am besten wissen muss: Simone Berwanger, 45 Jahre, Rektorin der Neuen Gemeinschaftsschule. Die 45-Jährige übernimmt diese Rolle zum ersten Mal in ihrem Leben.

Simone Berwanger ist die erste Rektorin der Neuen Gemeinschaftsschule in Konstanz. Die Räume sind eingerichtet, die ersten Schulwochen ...
Simone Berwanger ist die erste Rektorin der Neuen Gemeinschaftsschule in Konstanz. Die Räume sind eingerichtet, die ersten Schulwochen liefen gut an. | Bild: Kirsten Astor

Die ausgebildete Grund- und Hauptschullehrerin weiß trotzdem ziemlich genau, worauf sie sich eingelassen hat. Und das ist keine einfache Aufgabe, denn die neue Schule startet gewissermaßen als kleine Schwester der erfolgreichen Gemeinschaftsschule Gebhard.

Bereits die erste Gemeinschaftsschule Gebhard ist ein Erfolg

Lange herrschten unter Gemeinderäten, Schulleitern und Eltern Zweifel, ob eine zweite Schule dieser Art überhaupt Erfolg haben könne. Denn die Gebhardschule war jahrelang überrannt worden und musste viel mehr Kinder aufnehmen als die Gebäude es eigentlich vertragen hätten. Doch kein anderes Konstanzer Kollegium wollte zur zweiten Gemeinschaftsschule werden.

So sah die Leitung der Gebhardschule unter der langjährigen Rektorin Elke Großkreutz keine andere Möglichkeit, als sich selbst Luft zu verschaffen: Durch die Entwicklung eines Konzepts für eine weitere, eigenständige Gemeinschaftsschule.

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Ein Schulentwicklungsteam machte sich rund zwei Jahre lang Gedanken darüber, mit welchen Ideen die neue Einrichtung nicht im Schatten der Gebhardschule stehen würde. Ein Mitglied dieses Teams war Simone Berwanger.

„Mir war nicht von Anfang an klar, dass ich diese neue Schule einmal leiten möchte“, sagt sie in ihrem ersten Zeitungsinterview. „Im Lauf der Projektphase hat sich herauskristallisiert, dass ich eine große Chance in diesem Konzept sehe. Da wollte ich gern die Verantwortung übernehmen“, so die 45-Jährige.

Willkommen, liebe Fünftklässler! Die Neue Gemeinschaftsschule wird mit Leben gefüllt, auch wenn die Gänge noch kahl aussehen.
Willkommen, liebe Fünftklässler! Die Neue Gemeinschaftsschule wird mit Leben gefüllt, auch wenn die Gänge noch kahl aussehen. | Bild: Kirsten Astor

Dafür ist sie bestens gerüstet: Sie unterrichtete seit 2007 an der Gebhardschule, die damals noch eine Grund-, Haupt- und Werkrealschule war. „Ich habe den kompletten Wandel der Schule mitgemacht, bis sie schließlich eine Gemeinschaftsschule war“, sagt Berwanger. Sie hat keine Angst davor, dass an ihrer Schule viele Kinder angemeldet werden, die eigentlich an die Gebhardschule wollten.

„Im ersten Jahr sind wir mit 37 Kindern in den Regelklassen gestartet und konnten gleich zwei fünfte Klassen bilden, das ist toll“, sagt sie. Und noch wichtiger: „Alle diese Kinder wurden bewusst an unserer Schule angemeldet. Ich freue mich sehr, dass die Familien von unserem Konzept überzeugt sind.“

Verflechtung von Schule und Betrieben

Dieses hat mit der Gebhardschule das Prinzip der Gemeinschaftsschule gemeinsam, doch inhaltlich hebt die neue Schule sich ab: Sie ist zum einen bewusst kleiner, zum anderen bietet sie andere Schwerpunkte. Zentrale Gedanken sind „Schule mitgestalten“ durch Beteiligung der Schüler an politischen Gremien und Prozessen sowie eine verstärkte berufliche Orientierung, verknüpft mit einer Öffnung in die Stadtgesellschaft. Die Schüler erhalten Einblicke in Handwerk und Technik, Handel und Tourismus, Gastronomie und soziale Berufe im Bereich Gesundheit und Fitness.

Ermöglicht werden Erfahrungen durch den Profilierungsschwerpunkt „Werkstatt/Atelier“. Damit ist nicht gemeint, dass tatsächlich Werkräume eingerichtet werden. „Wir verstehen Werkstatt als Prozess, in dem man vom theoretischen Wissen zum praktischen Handeln kommt“, erklärt Berwanger.

Simone Berwanger, Leiterin der Neuen Gemeinschaftsschule in Konstanz: „Gastronomie, Gesundheit, Handwerk und Tourismus – das ...
Simone Berwanger, Leiterin der Neuen Gemeinschaftsschule in Konstanz: „Gastronomie, Gesundheit, Handwerk und Tourismus – das sind alles Felder, auf denen Fachkräfte hier in Konstanz fehlen.“ | Bild: Kirsten Astor

In Stufe 5 stehen zunächst Medienbildung und die Themen Nachhaltigkeit und gesundes Essen im Vordergrund, bevor es ab Stufe 6 zur ersten Berufserfahrung in die elterlichen Betriebe geht. „Wir bauen nach und nach Kontakte zu außerschulischen Partnern auf“, so die Schulleiterin.

Je älter die Schüler werden, desto vertiefter die berufliche Orientierung. „Gastronomie, Gesundheit, Handwerk und Tourismus – das sind alles Felder, auf denen Fachkräfte hier in Konstanz fehlen. So haben unsere Absolventen die Chance, später einmal in ihrer Heimatstadt eine Stelle zu finden und der Stadt etwas zurückzugeben.“

Gemeinschaftsschulen sind keine Konkurrenz zueinander

Sie hat sich deshalb „absolut bewusst“ für die Leitung der neuen Schule beworben. Auch die anderen fünf Lehrer, die in ihrem Kollegium arbeiten, seien alle gern dort. Teilweise sind sie von der Gebhardschule abgeordnet und unterrichten an beiden Schulen. „Wir bilden überhaupt keine Konkurrenz zueinander auf“, betont Berwanger. „Im Gegenteil: Beide Schulen haben das Anliegen, die Schüler bestmöglich zu fördern.“

Sie muss sich nun an ihre Führungsrolle gewöhnen und einiges neu lernen: Statistiken zu Schülerzahlen und Lehrerstunden erstellen, mit dem Kultusministerium kommunizieren, den Etat verantworten und die Schule nach außen repräsentieren. „Da wachse ich hinein“, sagt die 45-Jährige. Hatte sie sich die ersten Wochen als Rektorin so vorgestellt? Oder ganz anders? „Ich hatte mir gar nichts vorgestellt, sondern ich wollte es machen und bin vom Typ her so, dass ich Lösungen finde, wenn Probleme auftauchen“, sagt Berwanger.

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So wie für den fehlenden Kopierer oder die Tatsache, dass die Neue Gemeinschaftsschule sich den Standort Zähringerplatz und die Mensa mit der Grundschule Petershausen, einzelnen Lerngruppen der Gebhardschule und der auslaufenden Theodor-Heuss-Realschule teilt. „Bei der Einschulung gab es ein bisschen Verwirrung, aber so kamen wir mit vielen Familien in ein nettes Gespräch“, sagt Berwanger und lacht.

Irgendwann wird die neue Schule auch einen eigenen Namen haben, auf den sich die Stadt als Schulträgerin, das Kollegium und die Eltern einigen müssen. Aber das kann warten. „Erstmal mussten die Räume hergerichtet und die Kinder versorgt sein“, sagt Berwanger.

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