Schon der Schriftzug macht neugierig. Unübersehbar an der Reichenaustraße, einer der Hauptverkehrsachsen von Konstanz. Tausende Menschen kommen daran vorbei und haben keine Ahnung, was sich hinter diesen Mauern verbirgt.

KNIME. Ka-En-I-Em-E? Nein, lacht Michael Berthold. Er ist einer der Gründer und Chef der Firma, die sich hinter den Buchstaben verbirgt. „Das K wird nicht ausgesprochen“, erklärt er, es klingt also wie ‚Naim‘“. Wie im Englischen also, da wird ist das K auch nicht zu hören in einem Wort wie knowledge, Wissen. Und genau darum geht es bei dieser Firma.

Einer der Gründer des Konstanz-Züricher Software-Unternehmens Knime: Michael Berthold.
Einer der Gründer des Konstanz-Züricher Software-Unternehmens Knime: Michael Berthold. | Bild: Rau, Jörg-Peter

Was macht Knime also?

Recht einfach lässt es sich mit einer sinnbildlichen Geschichte zweier Bäckereien erklären.

  1. Eine der beiden Bäckereien ist ein kleiner Familienbetrieb. Backstube und Verkauf in einem Haus, alles ganz übersichtlich. Wenn am Freitagabend im Frühsommer die Sonne an einem klaren Himmel untergeht, das hat die aktuelle Inhaberin früh von ihren Eltern gelernt, braucht sie am Samstagfrüh mehr Brezeln und am Nachmittag mehr vom Wurzelkruste-Brot, das die Kunden so gerne zum Grillen essen. Diese Bäckerei braucht Knime noch nicht.
  2. Die andere Bäckerei hat inzwischen 60 Filialen im halben Bundesland und ein großes Sortiment. Was wohin geliefert werden soll, hängt von den Vorlieben der jeweiligen lokalen Kundschaft, von Wetterdaten und vom Ferienkalender ab. Die Lieferflotte braucht Baustelleninfos und Stauprognosen. Für die Filialen müssen möglicherweise sogar zusätzliche Aushilfen aktiviert werden. Und wo lässt sich welche Menge von Brötchen, Baguette und Roggenbrot auch tatsächlich verkaufen? Welches Sonderangebot würde den Absatz erhöhen? Dieser Betrieb wäre dann schon eher ein Fall für Knime.
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Denn Knime, sagt Gründer Michael Berthold, ist die Lösung, wenn zum Beispiel eine Firma Daten aus ganz unterschiedlichen Quellen zusammenführen muss. Dafür hat Knime ein Computerprogramm entwickelt, mit dem man die unterschiedlichsten Informationen zusammenführen (wie im Beispiel die Baustelleninfos, den Wetterbericht, die Personalplanung oder den Ferienkalender) und daraus sogar Vorhersagen treffen kann (wie im Beispiel, ob ein Sonderangebot für Baguette an diesem Tag sinnvoll oder schädlich ist).

Die Gründer des Konstanzer Unternehmens Knime: Peter Ohl, Bernd Wiswedel, Thomas Gabriel und Michael Berthold (von links) in der ...
Die Gründer des Konstanzer Unternehmens Knime: Peter Ohl, Bernd Wiswedel, Thomas Gabriel und Michael Berthold (von links) in der Niederlassung an der Reichenaustraße. | Bild: Rau, Jörg-Peter

Das Besondere: Was sonst Spezialisten in vielen Zeilen Programmcode machen, lässt sich in Knime mit ein paar Klicks bewerkstelligen. Berthold nennt das „visual programming“. Mit dieser Technologie ist Knime in beeindruckender Weise gewachsen. Entstanden aus einem Start-Up des damaligen Nachwuchsforschers Michael Berthold und seinen Kollegen, ist es inzwischen 200 Mitarbeiter groß.

Etwa 80 von ihnen gehören zum Standort Konstanz, weitere 80 sind in Berlin, wo es laut Berthold viel leichter ist, Talente zu gewinnen. Der Rest ist über die Welt verteilt, denn Knime ist längst global tätig. Wachsen konnte es auch durch den Einstieg eines Investors aus Frankreich, hinter dem ein belgisches Familienvermögen steht.

Von einem kleinen Gründerprojekt zur veritablen Firma: Knime nimmt im Konstanzer Kompetenzzentrum am Seerhein einen nennenswerten Platz ...
Von einem kleinen Gründerprojekt zur veritablen Firma: Knime nimmt im Konstanzer Kompetenzzentrum am Seerhein einen nennenswerten Platz ein. Alles in allem und verteilt auf verschiedene Standorte arbeiten mittlerweile etwa 200 Menschen bei Knime. | Bild: Bjørn Jansen / KNIME

Natürlich ist Knime keine Technologie speziell für Bäckereien. Auch Weltmarktführer wie ZF mit Sitz in Friedrichshafen nutzen das Programm, wie Gert Jeckel bei einem Anwendertreffen Ende April beschrieb. Jeckel verantwortet die Datenanalyse der Testsysteme bei ZF. Mithilfe von Knime versuchen er und sein Team die Testschleifen für ZF-Produkte zu verbessern.

Platinen etwa durchlaufen bei ZF mehrere Tests. Das heißt, die hergestellten Teile werden durchleuchtet und darauf geprüft, ob sie funktionieren und wie robust sie sind. Mithilfe der Werkzeuge, die Knime bereitstellt, könnte man sich manche dieser Prüfungen sparen, indem man sie mit virtuellen Tests ersetzt, so Jeckel. Dabei werden mit verschiedenen Rechenmodelle alle verfügbaren Daten des Produkts auf Herz und Nieren geprüft. Nur wenn in diesem Schritt Anomalien auftreten, erfolgt ein weiterer physischer Test.

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Mit virtuellen Tests Energie einsparen

Auf die Produktqualität habe das nach ersten Erkenntnissen keinen negativen Einfluss, versichert Jeckel. Gleichzeitig könnte ZF wirtschaftlich massiv profitieren. Der Manager spricht von einer siebenstelligen Summe, die eingespart werden könnte, weil weniger Testequipment benötigt werde. Und das ist noch nicht alles: ZF könnte mit den virtuellen Tests viel Energie einsparen. In Zeiten von Klimakrise und hohen Gas-, Strom- und Ölkosten ist das ein nicht unerheblicher Faktor. Jeckel beziffert auch diese Einsparungen auf einen einstelligen Millionenbetrag – jährlich.

Die derzeit überall erzählte Geschichte vom Siegeszug der sogenannten Künstlichen Intelligenz hat also auch einen Schauplatz in Konstanz. In dem Gebäude an der Reichenaustraße, das damit seinem alten Namen Kompetenzzentrum dann doch noch gerecht wird. Innen geht es immer noch Start-up-mäßig zu, mit stets gut gefülltem Getränkekühlschrank für alle und Billardtisch in der Kantine.

Hinter den Buchstaben KNIME steht ein Stück Zukunft – und ein Bekenntnis zum Standort. Denn der Schriftzug kommt eigentlich, wie Michael Berthold noch sagt, aus KN für Konstanz und dann Information Miner. Das sind also die Leute, deren Bergwerk ein Computer ist und der Rohstoff die zentrale Ressource des Digitalzeitalters, Informationen.