Der Grosse Rat des Schweizer Kantons Thurgau hat sich für eine Gesetzesanpassung ausgesprochen: Das bedeutet, dass im benachbarten Kanton bald eine Kurspflicht für Hundebesitzer gelten könnte. Das berichten Schweizer Medien. Das führt diesseits der Grenze unweigerlich zu der Frage: Dürfen Konstanzer Herrchen und Frauchen fortan nur noch mit Hundeführerschein nach Kreuzlingen? Und wäre der Kurs auch hier sinnvoll?
Der sogenannte Hundeführerschein – also der Nachweis bestimmter Prüfungen – wird auch in Baden-Württemberg immer wieder kontrovers diskutiert. Im Jahr 2021 hatte die grün-schwarze Landesregierung beispielsweise einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der die obligatorische Sachkundeprüfung vorsah. Die Hauptargumente damals: Sie solle Menschen vor Beißattacken schützen und den Besitzern die Bedürfnisse ihrer Hunde näher bringen. Durchgesetzt hat sich der Entwurf letztendlich nicht.
Konstanzer Hundebesitzer sind zwiegespalten
Allein in Konstanz würde eine solche Maßnahme laut der Stadtverwaltung aktuell Herrchen und Frauchen von über 2300 Hunden betreffen. Eine von ihnen ist Viviane Heidemann. Die junge Frau habe in Nordrhein-Westfalen gewohnt, bevor sie nach Konstanz kam, erzählt sie dem SÜDKURIER an der Seestraße. Dort brauche man einen Sachkundenachweis für Tiere über 20 Kilogramm beziehungsweise ab 40 Zentimetern Schulterhöhe.

Mit Cocker Spaniel Selma, die knapp unter dieser Grenze liegt, sei sie daran vorbeigekommen. „Es gibt ja schon Listenhunde, für die man eine Prüfung ablegen muss“, argumentiert Heidemann. Den Kurs für alle Hunderassen zur Pflicht zu machen, habe ihrer Meinung nach keinen Sinn. Heidemann habe sich extra eine Hunderasse ausgesucht, der ein freundliches Wesen nachgesagt wird.
Den Kurs verpflichtend für alle Hundehalter einzuführen, hält Viviane Heidemann für zu viel des Guten. Ähnliche Gegenstimmen gab es auch im Thurgau. Laut „Thurgauer Zeitung“ argumentierte der Regierungsrat, dass eine Kurspflicht für sämtliche Hunderassen und -größen einen „unverhältnismäßigen Eingriff in die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger“ darstelle. Trotzdem wurde sie Anfang Mai mit großer Mehrheit im Grossen Rat beschlossen: mit 107 Ja- gegen sieben Nein-Stimmen bei einer Enthaltung.
Wie Thomas Walliser Keel, Pressesprecher der Staatskanzlei Thurgau, auf SÜDKURIER-Nachfrage mitteilt, werde das Gesetz „demnächst von einer Kommission vorberaten. Danach beschließt darüber das Parlament.“ Wie sich diese Anpassung für Thurgauer Hundebesitzer auch auf Konstanzer Gassigänger auswirken könnte, stehe aktuell noch nicht fest.
Die angestrebte Anpassung kommt übrigens einer Verschärfung gleich: Bisher mussten lediglich Hunde mit einem Gewicht von mindestens 15 Kilogramm die Prüfung ablegen. Diese Beschränkung soll nun abgeschafft werden. Erziehung dürfe bei kleineren Hunden keinen kleineren Stellenwert haben, so das Argument.
Konstanzer Hundehalterin: „Es ist gut für alle Beteiligten“
Dieser Meinung ist auch Aidan Kovacs-Perecz. Die 28-Jährige hält den verpflichtenden Hundeführerschein für eine gute Idee, wie sie sagt. „Menschen, die eigentlich nicht bereit für einen Hund sind, werden sich eine Anschaffung zweimal überlegen“, argumentiert Kovacs-Perecz.
Dadurch würden viele Hunde besser erzogen werden und hätten ein glücklicheres Leben. „Es ist gut für alle Beteiligten.“ Kovacs-Perecz ist Besitzerin von zwei Zwergschnauzern – Kokos und Berkenye. Mit ihnen hat sie eine Hundeschule besucht. „Besonders beim ersten Hund finde ich das sehr wichtig“, sagt sie.

Dass der Kurs besonders für unerfahrene Herrchen und Frauchen sinnvoll ist, betonte auch die Thurgauer Tierärztin Isabelle Vonlanthen-Specker. Deshalb sollen frischgebackene Hundebesitzer fortan innerhalb eines Jahres nach der Anschaffung daran teilnehmen. So könnten sie den Bedürfnissen des Vierbeiners besser gerecht werden, heißt es im Artikel der „Thurgauer Zeitung“ dazu. Außerdem werde ein friedliches Zusammenleben im öffentlichen Bereich gewährleistet.
Das findet auch Monika Stuhlmann. Die Konstanzerin ist Hundesitterin seit rund 20 Jahren. Unter anderem von Hündin Kekoa, mit der sie fast täglich spazieren gehe, wie sie erzählt. Stuhlmann hält die Einführung eines Hundeführerscheins für sinnvoll, sagt sie. „Besonders für Menschen, die das erste Mal einen Hund haben.“ Man lerne dadurch besser, mit dem Tier umzugehen. „Davon profitieren beide Seiten.“

Michael Wilkesmann, Vorstand des Vereins für Hundesport und Hundefreunde Konstanz, hält eine solche Maßnahme für nicht nötig. Vielmehr noch befindet er sie für unwirksam: „Der praktische Kurs besteht nur aus acht bis zehn Einheiten. Was soll dabei rauskommen?“ Sinnvoller sei es laut Wilkesmann, eine sogenannte Begleithundeprüfung abzulegen. Für diese trainiere man über ein Jahr lang, in der Regel zweimal wöchentlich. „Dann können Hund und Besitzer wirklich was“, so der Experte.
Geregelt werde der Hundeführerschein über den Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH), erklärt Wilkesmann weiter. Der Kurs stütze sich auf drei Säulen: Sachkunde des Halters, Gehorsam und Sozialverträglichkeit des Hundes. Aufgeteilt seien diese auf eine theoretische und eine praktische Prüfung. Die Kosten dafür lägen aktuell bei etwa 130 Euro, so der Hundetrainer.
