Am Kühlschrank klebt ein Plakat mit dem Slogan „Europas Mauer heißt Mittelmeer“. Die Tür ist voller Poster, und dazwischen sitzen in kleiner Runde Sahra Mirow, die Landesvorsitzende der Linken, sowie Luigi Pantisano, Mitglied im geschäftsführenden Landesvorstand der Linken in Baden-Württemberg und früherer Oberbürgermeister-Kandidat in Konstanz.
Beim Neujahrsempfang im Konstanzer Büro der Kreis-Linken entwirft er das Bild von einer Stadt, in der beim Bau günstiger Wohnungen und beim Klimaschutz nicht genug vorangeht und Familien immer stärker belastet werden. „Die Welt ist krisengeschüttelt, und die Partei ist es auch“, sagt das Kreistagsmitglied Sibylle Röth. Im Landkreis Konstanz hat die Linke rund 70 Mitglieder. Zwei ihrer treuesten Mitstreiter hat die Partei durch überraschenden Tod verloren: Jürgen Geiger und Stefan Frommherz.
Pantisano will in Konstanz zu mehr Bürgernähe motivieren
Luigi Pantisano macht dennoch Mut für die kommende Kommunalwahl. Er sieht die Partei in Konstanz bei zehn Prozent. „Seid mutig! Geht raus!“ Pantisano tritt im selben Büro auf, in dem einst die ersten Pläne für seine OB-Kandidatur geschmiedet wurden. Aus den zaghaften Anfängen sei ein breites Bündnis aus Einzelpersonen, Parteien und Organisationen geworden, sagt er. Beim OB-Wahlkampf im Jahr 2020, mitten in der Corona-Pandemie, zog Pantisano von Garten zu Garten.
Er führte nach eigenen Angaben Gespräche mit mehr als 1000 Bürgern und machte Notizen. „Die Themen haben wir gesetzt.“ Durch sein Auftreten sei der Wahlkampf spannend geworden. OB Uli Burchardt sei für seine Bürger weniger erreichbar gewesen. Pantisano geht davon aus, dass ihm damals Stimmen von Studierenden fehlten, die wegen der Pandemie nicht in Konstanz waren.
Das schwarze Büchlein mit den aufgeschriebenen Gartengesprächen hat Pantisano noch immer. Er sagt, er stelle es gern den Parteikollegen in Konstanz zur Verfügung. Er blättert darin. „Viele Bürger haben gesagt, Konstanz ist nicht mehr ihre Stadt.“ Sie haben den Eindruck, es werde zu viel für die Touristen und zu wenig für die Einwohner gemacht. Und so kommen beim Neujahrsempfang der Kreispartei die Themen zur Sprache, die auch schon im OB-Wahlkampf die Debatten beherrschten.
Pantisano: „Wo sind die Wohnungen, die man bezahlen kann?“
Pantisano fragt: „Wo sind die Wohnungen in Konstanz, die man bezahlen kann?“ Der Hafner in Wollmatingen, wo ein neues Quartier entstehen soll, sei für ihn nur eine Fata Morgana. Seine Prognose: Selbst in fünf Jahren werde noch über dieses Areal und die Christianiwiese am Horn debattiert. Auch diese soll bebaut werden. Selbst Menschen mit viel Geld könnten sich in Konstanz kein Eigentum mehr leisten.
Viele ärmere Bürger müssten mehr als die Hälfte des Einkommens für die Miete aufwenden. Sein Rezept: Öffentlicher Boden dürfe niemals verkauft werden. Mit Blick auf das bebaute Areal an der Laube, dort, wo die orthopädische Klinik Vincentius ihren Standort hatte, meint Pantisano: In vielen Wohnungen dort wollten Menschen nur ihr Geld anlegen. „Das ist wie eine andere Form von Sparbuch.“

Auch im Klimaschutz und bei der Verkehrswende sei in der Stadt wenig vorangekommen. Noch immer parkten auf dem Stephansplatz Autos, noch immer sei auf der Alten Rheinbrücke keine Spur für die Radfahrer frei gegeben, noch immer fehle die Energiegewinnung im Quartier. „Fridays for Future protestiert zurecht, dass viel zu wenig vorangeht.“ Um den Ganzen die Krone aufzusetzen, sollten jetzt noch für das Luxushotel auf dem Büdingen-Areal an der Seestraße weitere Bäume fallen.
Pantisano will wissen, was es mit den protestierenden Eltern in Konstanz auf sich habe. Als er erfährt, dass nur die Linke im Konstanzer Gemeinderat geschlossen gegen eine kräftige Steigerung der Kitagebühren gestimmt hat, schüttelt er den Kopf. „Es wird immer schwieriger für Familien.“
Mirow: „Steuerlast ist hoch, aber nur für mittlere Einkommen“
Das sei doch „unfassbar“, stellt auch Kollegin Mirow fest. Sie sagt: Die Altersarmut habe doch schon heute ein weibliches Gesicht. Die aus Norddeutschland stammende Wahl-Heidelbergerin geht davon aus, dass die Tarifforderungen im öffentlichen Dienst bezahlbar sind. Es müssten nur hohe Einkommen besteuert werden.
Sie spricht sich für eine Übergewinnsteuer sowie eine Vermögens- und Erbschaftssteuer aus. „Ja, die Steuerlast ist hoch, aber nur für mittlere Einkommen.“ Reichtum entstehe sowieso durch Vererben. „Während die Leute nicht mehr wissen, wie sie den Strom und die Lebensmittel bezahlen sollen, scheffeln reiche Familien Geld.“

Mehrfach stellt Mirow fest, dass es kaum spürbar sei, dass im Land die Grünen den Ministerpräsidenten stellten. Selbst beim Klimaschutz hinkten sie den eigenen Plänen hinterher. Verheerend sei die Einkommenslücke in Baden-Württemberg.
Dort verdienten Frauen laut Statistischem Landesamt rund 23 Prozent weniger als Männer – dass sie häufiger in Teilzeit oder schlechter bezahlten Berufen arbeiten, ist ein Grund dafür. Es sei unverständlich, dass eine Frau, die sich um Kinder oder alte Menschen kümmert, weniger verdient als einer, der ein Auto zusammenschraubt, sagt Mirow.