1517 neue Ausbildungsverhältnisse im Bereich der Handwerkskammer Konstanz, die für den Kreis Konstanz, Schwarzwald-Baar, Waldshut, Tuttlingen und Rottweil zuständig ist. Das klingt üppig, dennoch verzeichnet die Kammer bei den besetzten Ausbildungsstellen einen Rückgang von 7,5 Prozent. Im Kreis Konstanz ist der Rückgang geringer, er beträgt nur 3,7 Prozent, so die Information aus einer Pressemitteilung der Handwerkskammer.
Vor allem im Baugewerbe würden Auszubildenden dringend gesucht – oftmals erfolglos, dies meldete jüngst auch die IG Bauen-Agrar-Umwelt. Demnach blieben 56 Prozent der Lehrstellen im Kreis Konstanz unbesetzt. Ein Blick in einzelne Firmen und Gewerke zeigt: Die Lage ist komplexer und jeder Landkreis, jedes Gewerk muss differenziert betrachtet werden.
Beim Stuckateur herrscht kein Mangel
Die Firma Hermann Müller im Konstanzer Industriegebiet hat keinen Grund, über Mangel an Auszubildenden zu klagen. Fünf junge Männer sind Teil des insgesamt 20-köpfigen Teams. Der Stuckateurbetrieb setzt traditionell auf eine ganz eigene Ausbildung. „Wir haben deshalb keinen Nachwuchsmangel“, betont Inhaber Andreas Brütsch, einer von drei Meistern im Betrieb. Der Trend wird von den Zahlen im Landkreis gedeckt: In den Bau- und Ausbauberufen gebe es ein Plus von 0,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, so die Pressemitteilung der Kammer. Dies gehe auf die stabilen Zahlen bei Auszubildenden der Zimmerer, Maurer und Stuckateure zurück.
Ohne Engagement geht es nicht
Bei Hermann Müller führt man das stabile Lehrlingsinteresse auf das eigene Engagement zurück. „Der Rückgang der vergangenen Jahre ist natürlich unverkennbar. Man muss also etwas tun, um Auszubildende für den eigenen Betrieb zu gewinnen“, sagt Marc Ziegler, Stuckateurmeister und zuständig für die Ausbildung. Das Geheimnis des Betriebs sei, dass man sich sehr intensiv um jeden Lehrling kümmere.

„Zeugnisse spielen eine geringere Rolle“
Die meisten kämen nicht über offizielle Bewerbungen, sondern über Bekannte und Verwandte in die Firma. „Zeugnisse spielen bei uns eine untergeordnete Rolle“, sagt Ziegler. Wer hier arbeiten will, muss in einem Praktikum zeigen, dass er handwerkliche Fähigkeiten habe. Meistens gelinge das jenen, die es ausprobieren, sagt Brütsch. Diese Methode setzt aber voraus, dass der Betrieb sich einsetzt, dass die Lehrlinge ihre Defizite in der Theorie aufholen, erläutert Ziegler.
Jeder muss seinen Teil beitragen
Und die Fähigkeit, durchzuhalten, sich körperlich zu belasten? Die wachse mit der Zeit, erklären die beiden Meister gelassen. Der sanfte Gruppendruck sorge dafür, dass jeder Auszubildende einen angemessenen Teil zur Teamarbeit beitrage. „Auf dem Bau geht es etwas rustikaler zu als im Büro“, sagt Ziegler und lächelt.
Industrie macht dem Handwerk Konkurrenz
Was macht den Unterschied zu anderen Regionen aus? In jedem Fall sei im Kreis Konstanz die Konkurrenz durch Industriebetriebe geringer. „Auf der östlichen Seeseite ziehen Betriebe wie MTU oder ZF viele geeignete Auszubildende ab. Mit deren Gehältern und Bedingungen können wir nicht mithalten“, sagt Ziegler. Im Kreis Konstanz ist die Struktur anders: Es gibt viele Dienstleistungsbetriebe, wenig Industrie. Das Handwerk hat einen höheren Stellenwert.
Die besondere Struktur im Landkreis macht auch Tom Schächtle, Inhaber der Schreinerei Schächtle in Konstanz, für die gute Nachfrage nach Ausbildungsstellen verantwortlich. Er hofft, dass Corona die Lage für Handwerker noch verbessert. „Wenn es bei ZF tatsächlich Entlassungen gibt, dann wird deutlich, wie krisensicher das Handwerk ist“, sagt er.
Investieren, um attraktiv zu bleiben
Die Schreinerei beschäftigt im Moment zehn Mitarbeiter, davon drei Auszubildende. Nur fürs erste Lehrjahr suche Schächtle noch einen Lehrling. Ähnlich wie beim Stuckateurbetrieb muss sich auch der Schreiner um Attraktivität bemühen. „Wir haben zum Beispiel den Maschinenpark ausgebaut, um auf dem aktuellen Stand zu sein“, sagt Schächtle. An modernen Maschinen zu arbeiten mache Auszubildenden und Fachkräften mehr Spaß. Er investiere in die Ausbildung, weil es darüber hinaus schwierig sei, Fachkräfte zu finden. Im Betrieb arbeiteten mehrere Gesellen, die bei Schächtle ausgebildet wurden.
Schreiner sei ein Trendberuf, das mache es leichter, Lehrlinge zu finden, sagt Schächtle. Auch Abiturienten interessieren sich für das Gewerk, weil viele gern mit Holz arbeiten. Einen Nachteil habe das aber auch: Einige Auszubildende entschieden sich nach Abschluss der Lehre, zu studieren oder sich anders weiterzubilden und gingen dem Betrieb verloren.
Ob Stuckateur oder Schreiner: Problematisch ist bei diesen Gewerken weder die Auftragslage noch die Anwerbung von Auszubildenden. Wie beurteilen die Auszubildenden ihren künftigen Beruf? „Er ist vielseitig“, sagt Marian Butnariu, im dritten Lehrjahr der Ausbildung zum Stuckateur, „wir machen Trockenbau, Putz, Stuck. Ich kann mit gut vorstellen, langfristig dabei zu bleiben.“ Philipp Kasseckert schätzt das Team bei der Firma Hermann Müller. Und auch er mag die Flexibilität: auf der Baustelle habe man mit Vertretern anderer Gewerke zu tun und man könne sich weiterbilden zum Meister.